100 Millionen Euro – Futsch?
Technology Review berichtet darüber, daß man gerade über 5 Jahre 100 Millionen Euro für das Forschungsprojekt „Theseus” verbraten hat, das keine brauchbaren Ergebnisse geliefert hat.
Es sollte eine Suchmaschine werden, die aber anscheinend nicht so funktioniert, wie sie funktionieren soll.
Es lief, wie es eben im Wissenschaftsbereich so läuft: Ein alberner Projektname, Millionen werden verbraten, es gibt keine Leistungskontrolle, hinterher loben sich alle gegenseitig obwohl sie nichts zustandegebracht haben, das Projekt ist total vergurkt, weil niemand Ahnung von Projektmanagement, aber alle vom Geldvergeuden haben, und kurz nach Projektende ist alles wieder vergessen.
Oder anders gesagt: Es geht nicht um Forschung, Entwicklung, Wissenschaft. Es geht darum, sich an der Öffentlichkeit zu bereichen, und das Forschungsprojekt ist nur die ritualisierte Form, dies zu tun. Ein Bereicherungsritual.
Wer gibt solchen Leuten 100 Millionen Euro?
Über das lumpige Kleingeld, genannt „Ehrensold” für Christian Wulff, regt man sich auf. Die Milliarden, die da verheizt werden, stören aber niemanden.
(Danke für den Link.)
10 Kommentare (RSS-Feed)
Ich sehe als schlimmsten Aspekt das “hinterher loben sich alle gegenseitig” an. Das zeigt so sehr, dass die tatsächlichen Ergebnisse gar nicht wichtig sind und man mit genug Skrupellosigkeit glaubt, der Öffentlichkeit einen Fehlschlag als Erfolg verkaufen zu können.
Ich sehe darin eine guttenbergsche Geisteshaltung.
Wie wärs mit einer Liste der verbockten Projekte?
Im Sinne von: Keine brauchbaren Ergebnisse.
Ja, müsste man echt mal anfangen…
@Hadmut: Ich weiß nicht, ob alle Teilprojekte keine brauchbaren Ergebnisse geliefert haben.
Es wäre wohl eher eine Frage der Effizienz.
Hmmm … das ist schon ein hartes Urteil. Wenn es im Wissenschaftsbetrieb angeblich immer so läuft, wie kann dann die Wissenschaft überhaupt jemals etwas zustande gebracht haben?
Die interessante Frage wäre hier doch: Warum hat es nicht funktioniert, und unter welchen Bedingungen hätte es? Ich vermute:
* Das Projekt war sehr ambitioniert und unklar, man hat nicht auf ein konkretes Ziel hingearbeitet, sondern vielleicht durchaus gute Ergebnisse produziert, die nur nicht zu einem Ganzen zusammenpassen.
* Es gab eine politische Motivation. Die Politik gibt tendenziell zu wenig Geld für eine vernünftige wissenschaftliche Infrastruktur aus (z.B. auch der weitgehend fehlende akademische Mittelbau), und wirft dafür bei “Leuchtturmprojekten” mit Geld um sich, ohne nach der Effizienz zu fragen. Entsprechend bildet sich kein stabiles Know-How, sondern alle rennen Projekten hinterher, auch erkennbar sinnlosen. Und bei jedem Projekt fängt man größtenteils wieder mit schlecht bezahlten Hiwis und Doktoranden bei Null an.
* Wahrscheinlich ist so ein Forschungsprojekt genau das Geld, das zuvor von den Unis weggekürzt wurde, und jetzt unter anderem Namen zurückkommt, und die Lehrstühle verwenden das Geld nur zum Teil für das Projekt direkt. Alter Wein in neuen Schläuchen.
Wissenschaft funktioniert meist dann am besten, wenn man einerseits genau weiß, was man untersuchen will, und andererseits einfache, konkrete Fragestellungen hat, für die es keine Standard-Vorgehensweise gibt, sondern wo Leute mit viel Hintergrundwissen kreativ herumspielen müssen.
Um zu garantieren, dass ein Forschungsprojekt nicht funktioniert, mache man es groß und unübersichtlich, damit es nur mit aufwändigem nicht vorhandenem Projektmanagement beherrscht werden kann, und habe auch keine konkreten Fragestellungen, sondern nur eine unrealistische Vision, womit es dann auch keine klaren Zuständigkeiten und Verantwortungen gibt. Und verlange am Ende ein konkretes Produkt, für das man besser erfahrene Ingenieure gezielt angesetzt hätte, anstatt zu hoffen, dass die vielleicht im Detail durchaus gute Arbeit der Einzelgruppen von alleine zu einem Großen zusammenfügen.
Leistungskontrolle: Ist in der Wissenschaft ja prinzipiell schwierig, weil wenn man nicht wissen kann, was am Ende das Ergebnis sein wird, wie will man es bewerten? Was man aber tun kann, ist, bewerten, welche konkreten Fragestellungen bearbeitet wurden, aber dafür müssen diese vorher erst einmal klar gestellt sein.
Das ist so ungefähr meine zusammengefasste Erfahrung mit dem Forschungsbetrieb – ich habe viel Ineffizienz und Verschwendung gesehen, und gleichzeitig auch viele verdammt gute und sehr hart arbeitende Leute. Und das relativ unabhängig davon, ob es eine weltberühmte Uni mit viel Geld oder eine Provinz-Uni ist; es hängt vor allem an den einzelnen Leuten. Manchmal hat sich ein Großprojekt als ineffiziente Geldvernichtungsmaschine erwiesen, manchmal kommt aber bei guten gemeinsamen Projekten mehr heraus, als wenn Einzelne im Stillen vor sich hinarbeiten. Wichtig ist wohl, dass die Verantwortung immer so weit unten wie möglich ist. Also Großprojekte dann, weil die beteiligten Wissenschaftler es wollen, und nicht, weil die Politik öffentlichkeitswirksam mit Geld auf Buzzwords wirft. Bottom-up statt top-down.
Das mit dem “hinterher loben sich alle gegenseitig” bedeutet wohl ehe: Eine Kraehe hackt der Anderen kein Auge aus. Hinter den Kulissen kann das ganz anders aus sehen. Wenn neue Projekte vegeben werden, dann spielt dieses “Insider-Wissen” also eher eine positive Rolle. In diesem Forum wird dies (manchmal zurecht) oft sehr negativ bewertet.
Alles hat seine zwei Seiten.
Insgesamt stimme ich Christoph Moder zu, ein sehr guter Kommentar.
(Vor allem das mit dem Mittelbau).
Er scheint zu wissen, wovon er spricht. Ich finde auch, lieber mehr kleine Projekte, vielleicht wirkt sich das positiver auf die Motivation und das Verantwortungsgefuehl aus.
Was die Kontrolle von Projekten angeht: Mir sitzen staendig Geldgeber und die Uni im Nacken, ich nehm an, das ist in anderen Disziplinen, Unis und Laendern nicht viel anders.
Andererseits, zuviel und zu strenge Kontrolle kann diesen Effekt haben: Es kommen die Leute gut raus, die sich (und ihre Forschung) am besten Verkaufen koennen, und das muessen nicht unbedingt die sein, welche auch die beste und nuetzlichste Forschung machen.
Andererseits: Soll man einen Haufen Geld jemanden geben, von dem noch niemand gehoert hat? Man muss sich halt auf Leute verlassen, die dann das entsprechende Talent und Potential erkennen koennen.
@Christoph Moder:
Danke für diesen ausführlichen Kommentar.
OFF TOPIC:
@Christoph Moder:
Sie schreiben auf Ihrer Webseite, dass Sie nie wieder reine Physik in Deutschland studieren können.
Haben Sie in Betracht gezogen, In Österreich Physik zu studieren?
@Christoph Moder: Danke für den ausführlichen Kommentar – deckt sich mit meinen Erfahrungen.
KIT und FZI waren selbstverständlich auch beteiligt.