Professoren-Folklore über Privatdozenten und das Recht auf eigene Meinung
In der FAZ ist ein Artikel eines gewissen Berliner Professors Remigius Bunia erschienen – eine ziemlich krude Mischung aus lesenswerten Passagen und ziemlich inkompetenten Aussagen. Ein Anlaß für mich, dies kritisch zu beleuchten.
Wenn ich sowas lese, frage ich mich allerdings, ob die Literaturwissenschaftler – jedenfalls die aus Berlin – überhaupt zur Wissenschaft befähigt sein können.
Man muß das durchaus erst mal lesen, bevor man hier weiterliest. Eigentlich finden sich in diesem FAZ-Artikel durchaus interessante Passagen wie
Die Privatdozentur ist aus den Humboldt’schen Reformen Anfang des 19. Jahrhunderts hervorgegangen und beruht auf zwei funktionalen Erwägungen. Die erste liegt in der klassischen Konkurrenz zwischen Ministerien und Fakultäten um die Hoheit über die Besetzung von Professuren. Selbstergänzungsrechte der Universitäten gibt es seit dem Mittelalter, und immer wieder sind Universitäten zu reinen Familienbetrieben verkommen, immer wieder haben Fürsten und Bischöfe dem Einhalt gebieten wollen. So war es Anfang des 19. Jahrhunderts der preußischen Regierung durchaus bekannt, dass Fakultäten nicht notwendig ein intrinsisches Interesse an hellen Köpfen haben.
Kritisch wird es dann schon bei diesem Abschnitt:
Umgekehrt wiesen die Universitäten darauf hin, dass doch nicht Ministerialbeamte über wissenschaftliche Qualifikation entscheiden dürften. Der Kompromiss Humboldts war tauglich: Die Universitäten durften mit Hilfe der Habilitation festlegen, wer überhaupt für Professuren geeignet war. Damit sicherten sie ihre Autonomie. Die Ministerien erhielten fortan Vorschlagslisten – schon damals in der Regel mit drei Namen -, unter denen die Ministerien frei entscheiden konnten. Das heißt, die Habilitation war ein Kompromiss, der erlaubte, sowohl die wissenschaftliche Autonomie der Hochschulen zu wahren als auch die ministerielle Kontrolle gegen Inzucht und Mittelmaß zu installieren.
So ganz klar wird da nämlich schon nicht, ob er das nur historisch oder auch den aktuellen Zustand meint, und ob er das für richtig oder falsch hält. Es ist nämlich so, daß es de facto heute noch so ist, aber es ist verfassungswidrig. Denn Art. 33 II GG sichert jedem nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung den gleichen Zugang zu einem Amt (auch der Professur) zu, und dieses Kooptationsrecht, das er auch oben erwähnt, daß nämlich die Fakultäten selbst auswählen können wer überhaupt Professor werden darf, haben sie nicht, hatten sie nicht und es steht ihnen nicht zu. Denn der Einzelne ist Grundrechtsträger, und die Fakultäten sind als Teil der Exekutive Grundrechtsverpflichtete.
Das wird aber noch so richtig abwegig, was der da so schreibt:
Die zweite Rechtfertigung für die Erfindung der Privatdozentur lag im Wert von „Lehre“. Lehre an Hochschulen war etwas anderes als Unterricht. Die Privatdozentur bildete ein lohnendes Ziel für sich, denn man erhielt durch sie ein Recht, das nicht jedem zukam – und es bis heute nicht tut. Vermutlich weiß heute nur noch eine Minderheit der wissenschaftlichen Beschäftigten, dass Lehre nur Personen mit Lehrbefugnis gestattet ist – also die meisten gar nicht lehren dürfen. Die Lehrbefugnis (venia legendi), die Privatdozenten nach erfolgreicher Habilitation (Feststellung der Lehrbefähigung) separat beantragen können und die Universitäts- wie Juniorprofessoren qua Amt innehaben, ist nämlich das Recht, eine eigene Meinung zu Sachthemen vertreten und ihre Kenntnis in Prüfungen verlangen zu dürfen.
Hingegen dürfen Personen ohne Lehrbefugnis, also der klassische universitäre Mittelbau, lediglich unterrichten. Heute empfinden viele Privatdozenten indessen ihre Lehrbefugnis nicht mehr als „Befugnis“, sondern ihre Ausübung als akademische Pflicht und als Ausbeutung, als bloße Voraussetzung für Späteres, nicht als erreichtes Ziel.
Der Mann hat nicht ansatzweise verstanden, was er da als Professor eigentlich tut, und hat es anscheinend nie für nötig befunden, sich mal zu informieren, worauf er seinen Diensteid abgelegt hat. Was er da sagt, entspricht zwar der gängigen unausrottbaren Professoren-Folklore, wie sie an den Fakultäten gerne kolportiert wird, es ist aber völliger Quatsch und hat mit der juristischen Realität nichts zu tun. Das ist verfassungswidrig. Schlimmer noch: strunzdumm.
- Es ist völliger Quatsch, daß er da zwischen „Unterricht” und „Lehre” unterscheidet, und behauptet, erst die Lehrbefugnis sei „das Recht, eine eigene Meinung zu Sachthemen zu vertreten”. Das ist nicht einfach nur normal blöd, das ist schon kriminell blöd.
Denn die Forschungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG, außerdem auch die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG, sind Grundrechte, die jedem zustehen und nicht erst einer Befugnis oder Verleihung bedürfen. Das Bundesverfassungsgericht hat auch mehrfach und wiederholt festgestellt, daß diese Freiheit grundsätzlich jedem zusteht, der in der Wissenschaft tätig werden will. Und schon prüfungsrechtlich darf jeder Prüfling in einer berufsbezogenen Prüfung seine eigene wissenschaftliche Meinung vertreten und sie muß als richtig gewertet werden, wenn sie nicht nachweislich falsch ist.
- Der zweite Fehler dieses „Professors” Bunia ist es, die Lehrbefugnis damit gleichzusetzen oder zu verbinden, auch die Prüfungsanforderungen festlegen zu dürfen. Denn Professoren haben nur die Freiheit von Forschung und Lehre, nicht von Prüfung. In der Prüfungsrechtsprechung ist längst entschieden, daß die Lehrbefugnis nicht auch das Recht umfaßt, festzulegen, unter welchen Anforderungen ein Leistungsnachweis erstellt wird.
Ein Prüfer hat in einer Prüfung grundsätzlich gar keine Rechte, und darf sie auch nicht haben, denn er wird nicht in eigener Sache, sondern dienstlich als Teil der Exekutive tätig. Zudem darf er keine Rechte haben und verfolgen, denn er soll ja neutral sein. Das einzige Recht eines Prüfers, das die Rechtsprechung nach meinen Wissensstand anerkannt hat, ist es, gegenüber anderen Kollegen nicht im Übermaß zu Prüfungen herangezogen zu werden.
Die Anforderungen und Bewertungsmaßstäbe in einer berufsbezogenen Prüfung bedürfen laut Bundesverfassungsgericht der gesetzlichen Grundlage, weil die Festlegung dessen, was in Prüfungen gefordert wird, Sache des Gesetzgebers und nicht der Exekutive ist. Das kommt davon, daß Prüfungen in die Berufsfreiheit eingreifen, und Art. 12 Abs. 1 GG einen Eingriff nur durch oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen darf.
Deshalb muß der Gesetzgeber das in den Grundzügen selbst festlegen, was auch aus demokratischen Prinzipen geboten ist, weil Professoren nicht demokratisch legitimiert sind. Erst die Einzelheiten kann der Gesetzgeber der Verwaltung zur Regelung durch eine Verwaltungsverordnung (Vulgo: Prüfungsordnung und Studienplan) aufgeben.
- Der dritte grobe Fehler, den er macht, ist es, als Prüfungsanforderung die Kenntnis einer Meinung verlangen zu dürfen.
In Prüfungen dürfen nämlich nur erlernte Fähigkeiten, aber nicht das Anbeten, Akzeptieren usw. einer bestimmten Meinung verlangt werden. Wenn der Prüfling eine taugliche Antwort zur Lösung einer gestellten Aufgabe gibt, dann muß die als richtig gewertet werden. Ein Prüfungsgremium darf nicht verlangen, daß dies mit einer Musterlösung oder der wissenschaftlichen Meinung des Gremiums übereinstimmt.
Zwar kann das im Einzelfall durchaus auch darauf hinauslaufen, daß der Prüfling einen Überblick über die in der Literatur vertretenen Meinungen hat, wenn daraus auf die Befähigung zur Lösung einer Aufgabe geschlossen werden kann (was ja etwa in der Medizin wichtig sein kann). Die Kenntnis speziell einer einzelnen bestimmten Meinung kann aber nicht gefordert werden, weil das prüfungsrechtswidrig ist und keine prüfungsmäßig zulässigen Zweck erfüllt.
Und das müßte der Mann eigentlich wissen um seinen Beruf als Professor ausüben zu können, denn er hat nicht nur seinen Amtseid darauf abgelegt, sondern es gehört auch zu seinen zwingenden Dienstaufgaben, diese Grundrechte seiner Studenten, Prüflinge, Doktoranden, Mitarbeiter zu schützen und zu respektieren.
Wenn er das nicht kann und das nicht weiß – und das ist nach seinen Äußerungen ja ausgeschlossen – hätte er nie Professor werden dürfen, weil es ihm an Eignung und Befähigung fehlt.
Wie kann es dann passieren, daß so jemand zum Professor berufen wird und in der FAZ schreiben darf?
Naja, die FAZ ist ja ein inhaltlich völlig anspruchsloses Käseblatt, das sich zum Professoren-gläubigen Hochschulsprachrohr entwickelt hat. Da geht es ja überhaupt nicht mehr darum, ob das irgendwie sinnvoll oder richtig ist, sondern da geht es ja nur noch um die Selbstpräsentation von Professoren und Celebrities. Die kontrollieren, was einer auf der Visitenkarte stehen hat, und vielleicht noch den Sprachstil. Eine Qualitätskontrolle haben die aber nicht (mehr). Da geht alles durch.
Wie aber kann so einer Professor werden? Was müssen an dieser Berliner Fakultät für Zustände herrschen? OK, es sind Literaturwissenschaftler, was mit Wissenschaft eigentlich sowieso nichts zu tun hat und mehr so auf Schwafel-Olympiade hinausläuft. Der Mann ist aber auch Beamter. Und es wäre eigentlich – um auf das zurückzukommen, was er eingangs geschrieben hat – Aufgabe des Dienstherrn, vor der Berufung zu prüfen, ob die Leute überhaupt in der Lage sind, ihren Job zu machen, bevor man sie auf Lebenszeit verbeamtet.
Man muß sich das mal vorstellen: Wegen einem Bundespräsidenten Wulff regt sich Deutschland auf, weil man dem bis zum Lebensende Ehrensold zahlt.
Daß wir aber in den Universitäten Tausende von Professoren ebenfalls bis zum Lebensende bezahlen müssen, obwohl die ihren Job nicht beherrschen und viele davon ganz trübe Tassen sind, stört keinen.
Warum muß man als Steuerzahler solche Leute bezahlen, und warum muß man sich sie als Prüfling zumuten lassen?
(Danke übrigens für den Link!)
Nachtrag: Ich kann echt nicht an mich halten.
Je mehr ich darüber nachdenke, daß dieser „Professor” (und auch viele andere, von denen ich solche Sprüche schon gehört habe) allen Ernstes und in einer überregionalen Zeitung die Auffassung vertritt, daß nur der mit einer formellen Lehrerlaubnis das Recht habe, eine eigene Meinung zu vertreten, desto mehr frage ich mich, ob die an dieser Fakultät noch alle Tassen im Schrank haben und ob die überhaupt schon gemerkt haben, daß wir in der Bundesrepublik Deutschland mit unserem Grundgesetz und nicht mehr im finsteren Mittelalter sind.
Man muß doch schon unter einem enormen Realitätsverlust leiden um ernsthaft zu glauben, daß es einer Erlaubnis der Universität bedarf, um eine eigene Meinung vertreten zu dürfen. Sind die da überhaupt noch geschäftsfähig?
Und auf welchem Niveau müssen sich eigentlich die Redakteure und Lektoren der FAZ bewegen, wenn sie ihren Lesern ernsthaft auftischen, daß nur ein ganz kleiner Teil der Bevölkerung das „Recht” haben soll, eine eigene Meinung vertreten zu dürfen, daß Meinungen einer Lizenz bedürften.
Haben sie die vielleicht aus Restbeständen der Stasi rekrutiert? Sind die völlig übergeschnappt?
21 Kommentare (RSS-Feed)
Danke!
Es gibt durchaus Ecken in der Bunzelrepublik, in denen noch mittelalterliche Zustände herrschen.
Carsten
—
Ich glaube nur an Meßwerte, die ich selbst gefälscht habe.
Ich frage mich ob Du das mit der „eigenen Meinung“ nicht vielleicht falsch verstanden hast, bzw. er sich stark verkürzt ausdrückt. Ich glaube nicht, daß er von der Meinungsfreiheit im Sinne des GG redet, sondern mehr von Akzeptanz einer (Lehr-)Meinung bei den Kollegen im Hause. Unter diesem Aspekt ist da schon was Wahres dran. Jemand der von nicht sicherer Beamtenstellung Wesentliches in Frage stellt, hat mehr Schwierigkeiten weiterzukommen. Macht dies jedoch aus dem Status eines ordentlichen Professors heraus, kann ihm nichts passieren.
Abgesehen davon, ist mir dem Bunia-Artikel nicht so klar wo genau er eigentlich hin will.
@Anmibe:
Nein. Nicht ich habe ihn, sondern Du hast mich falsch verstanden.
Natürlich meint er nicht die allgemeine, sondern die Lehrmeinung. Ich aber auch.
Es gibt kein zu verleihendes Recht oder keine Lehrbefugnis, die einem da irgendwie das Vertreten einer Meinung erlauben oder gestatten würden. Sowas erlaubt die Verfassung nicht. Und es gibt es auch nicht – außer eben in der Phantasiewelt von Professoren. Die verfassungsmäßige Freiheit von Forschung und Lehre steht grundsätzlich jedem zu, der tätig werden will. Somit hat ein Student im ersten Semester bereits genauso viel „Recht”, seine eigene Lehrmeinung zu vertreten, wie ein Prof. Dr. habil. Und der Professor ist in Prüfungen und in anderen Dienstangelegenheiten sogar von Verfassungs wegen verpflichtet, die auch zu akzeptieren. Nur daß deutsche Professoren in aller Regel darauf pfeifen, wozu sie verpflichtet sind, weil es in aller Regel nicht mal wissen – und es sie auch nicht interessiert.
Daß man tatsächlich zusammengetreten wird, wenn man sich als „unterer Dienstgrad” erdreistet, eine eigene Meinung zu haben, brauchst Du mir nicht zu erzählen, so ist es mir ja ergangen, weshalb es dieses Blog hier gibt. Das hat aber nichts damit zu tun, daß es ein solches „Lehrmeinungsrecht” gäbe. Das ist einfach nur Quatsch.
Wo Bunia mit seinem Artikel hinwill, ist doch offensichtlich: Dahin, wo fast alle Professoren hinwollen, nämlich in Publikationen. Womit, was sie da schreiben, ob das irgendeinen Sinn ergibt, ob sie überhaupt irgendein Thema haben – völlig egal.
Das Problem ist daher nicht Bunia, sondern die FAZ. Denn eigentlich ist aus dem Artikel ja – wie Du auch sagst – gar nicht erkennbar, was der Mann eigentlich sagen will oder was Thema des Artikels ist (was bei Geisteswissenschaftlern im Allgemeinen und Literaturwissenschaftlern im Besonderen eher üblich und normal ist, weil die Rede dort nicht dem Transport einer wissenschaftlichen Aussage sondern dem Selbstzweck dient). Daß es aber einen Artikel ohne greifbare Aussage gibt zeigt doch wieder nur, daß die dort völlig anspruchslos nach irgendwelchen Füllstoffen suchen und eine Selbstdarstellungsbühne für Professoren, aber keine Informationsquelle sind.
Stimmt, ich hatte Dich falsch verstanden, das lag aber eben auch daran daß pauschal von Meinung und nicht von Lehrmeinung die Rede war. Und mit der Inexistenz eines Lehrmeinungsrechts hast Du natürlich auch recht.
Gut Bunia will an die Öffentlichkeit, allerdings reicht es nicht aus an die FAZ mal eben so einen Schrieb zu schicken, entweder im Hintergrund läuft mehr (was er dann aber nicht vermitteln konnte) oder er hatte Kontakte. Eigentlich lohnt es sowieso nicht über den Artikel zu diskutieren, der verschwindet alsbald in der Versenkung und wirklich zitierfähig ist er auch für Bunia nicht.
Die Füllstoffe erhöhen halt die Klickrate, was drin steht ist dabei egal.
Lieber Herr Danisch,
was der Juniorprofessor (also: nicht habilitiert) Bunia auszudrücken versucht, ist folgendes:
Nur Personen mit “Lehrbefugnis” haben das Recht, an ihrer Universität nach eigenem Gutdünken Veranstaltungen durchzuführen – zu jedem Thema, das von ihrer fachlichen Lehrbefugnis gedeckt ist. Dieses Recht haben andere Personen ohne Lehrbefugnis nicht: Diese müssen die Universität fragen, ob sie in deren Räumen eine bestimmte Veranstaltung abhalten dürfen. Wollte ich etwa an meiner Heimatuni Freiburg einen Vortrag halten, muß ich wie jeder andere um Erlaubnis bitten, weil meine durch Freiburger Habilitation erworbene dortige Lehrbefugnis durch Berufung an eine andere Uni erloschen ist.
Mit Meinungsfreiheit oder gar Wissenschaftsfreiheit hat das nichts zu tun. Die kommt selbstverständlich jedem zu. Wenn die Universität Räume für einen Gastvortrag vergibt, fragt sie doch nicht, was der Referent dort sagen will und macht ihre Genehmigung auch nicht von der vorherigen Übersendung des Vortragsmanuskriptes abhängig. Sie kann aber etwa einen wissenschaftlich nicht ausgewiesenen Referenten (etwa einen Wünschelrutengänger) abweisen – nach freiem Belieben, weil die Uni “Gesamtveranstalter” der Lehre ist, die in ihr stattfindet und damit selbst entscheidet, ob der fremde Referent als Person oder sein Thema wissenschaftlich fragwürdig ist.
So gesehen: Jedermann hat zwar das das Recht, seine (wissenschaftliche) Meinung in Wort und Schrift und im Netz zu verbreiten – aber eben nicht in einer bestimmten Universität und als Teil des Gesamtlehrprogramms.
Diese generelle Lehrbefugnis (die über den Lehrauftrag für eine einzelne Veranstaltung hinausreicht) erwirbt man durch Verleihung – im Rahmen der Habilitation, durch Berufung als ordentlicher Professor, auch ohne Habilitation (auch Juniorprofessor, dann aber nur auf Zeit) oder durch Berufung zum Honorarprofessor.
Selbstverständlich ist die Berufung zum Professor nicht zwingend an die Habilitation gebunden, sondern allein nach Leistung, Eignung und Befähigung zu entscheiden. Allerdings entscheiden die Fakultäten ihrerseits frei, welches Qualifikationsgewicht sie einer Habilitation zumessen.
Die Lehrbefugnis ist auch keine Pflicht. Kein Privatdozent und kein Honorarprofessor kann gezwungen werden, zwei Stunden kostenlos zu lehren. Tut er das aber nicht, so verliert er die Lehrbefugnis als besondere Freiheit.
Mit Prüfungen hat die Lehrbefugnis nur wenig zu tun: Wer die Pflichtveranstaltung zum Scheinerwerb anbietet, das entscheidet die Fakultät. Immerhin könnte der Lehrbefugnisträger eine Zusatzveranstaltung mit Scheinerwerb (praktisch vor allem: Seminare) anbieten – aus der dann zugleich sein “Prüfungsrecht” folgt. Genauer besehen ist das aber eine Pflicht, die mit dem freien Angebot der Veranstaltung verbunden ist.
Nachklapp: Die Besonderheit zeigt sich, wenn man den Dr. habil. als akademischen, durch die Habilitation erlangten Grad betrachtet. Den haben die Nazis erfunden, damit jüdische Habilitierte die Lehrfreiheit als Privatdozenten verloren und auf einen bloßen Grad zurückgeworfen waren.
So gesehen ist die Lehrbefugnis womöglich ein anachronistisches Statusrecht – aber als Sonderfreiheit für wissenschaftlich ausgewiesene Mitglieder der Universität keineswegs unzeitgemäß. Würde man sie streichen, dürfte an der Uni nur noch gelehrt werden, was die Fakultät zuläßt – die akademische Freiheit nähme ab.
Viele Grüße
Ihr VR
Lieber Herr Rieble,
Das ist eine sehr wohlmeinende, aber freie Interpretation.
Vielleicht liegt darin der Ursprung, der Auslöser dieses Irrtums, aber es ändert nichts am Irrtum, zumal ich diesen Irrtum in den letzten 15 Jahren schon so oft in einem Zusammenhang gehört habe, der nicht auf Räumlichkeiten umzuinterpretieren ist.
Mein “Doktorvater” warf mir damals wutentbrannt vor, dass ich in meiner eigenen Dissertation nicht meine eigene Meinung äußern dürfte und ich zu schreiben hätte, was er befiehlt, weil mir erst ab der Habilitation das Recht zustünde, überhaupt eine eigene Meinung zu bilden und zu haben. Erst ab habil sei man überhaupt meinungsfähig.
Und Fakultät und Rektorat sahen das genauso.
Ungefähr das gleiche sagte der Untersuchungsausschuss, als es um ein Dissertationsplagiat aus einer Diplomarbeit ging. Diplomarbeiter seien nicht meinungsfähig, daher hätten sie auch keinen Anspruch, zitiert zu werden und könnten nichts zitierfähiges hervorbringen. Das gehöre alles dem jeweiligen Meinungsberechtigten.
Mit Räumlichkeiten und Lehrveranstaltungen hatte das alles gar nichts zu tun.
Davon abgesehen stimmt auch die Äußerung zu Prüfungen nicht, egal ob mit oder ohne Lehrbefugnis.
Von einem Professor der Literaturwissenschaft (eigentlich von jedem) würde ich zudem erwarten, dass er sich klar verständlich ausdrücken kann, wenn er das tatsächlich meinte. Ich glaube das aber nicht, daß der das nur so meinte.
Grüsse
HD
Lieber Herr Danisch,
ich wollte nur erklären, was es mit der Lehrbefugnis auf sich hat – weil der Literaturwissenschaftler Bunia sich in der Tat nicht klar hat ausdrücken können. Mir erschließt sich auch nicht, was Herr Bunia wirklich gemeint haben könnte.
Auch habe ich nur die rechtlichen Vorgaben geschildert – nicht aber die davon mitunter abweichende Wirklichkeit. Sie dürfen mir also glauben, daß die akademische Lehrbefugnis als formales Recht genau den Inhalt hat, den ich geschildert habe.
Selbstverständlich gilt für Doktoranden und Seminaristen die Forschungs- und Meinungsfreiheit. Kein Hochschullehrer darf einem Studenten oder Doktoranden eine Weisung geben, was er schreiben darf und was nicht. Mit seiner Notengebung darf er nicht die “falsche” Meinung abstrafen, sondern nur wissenschaftliche Mängel in Methode und Darstellung zum Nachteil des Absolventen werten. Eine Einschränkung der Freiheit gibt es nur bei der Themenwahl, weil der Doktorvater nicht verpflichtet ist, jedes Thema zu betreuen.
Bei meinen Doktoranden bin ich etwa in einem Drittel der Fälle mit wesentlichen Ergebnissen nicht einverstanden – und trotzdem gibt es dafür Spitzennoten, weil die Argumentation schlüssig und originell ist. Einer meiner Doktoranden hat eine Arbeit im wesentlichen damit bestritten, meine damalige Auffassung zur Privatstrafe “niederzumähen”. Ich habe nicht nur meine Meinung geändert, sondern ihn auch als Habilitanden angenommen.
Ich weiß, daß bestimmte selbstherrliche Typen dagegen verstoßen und in der Tat meinen, nur der Habilitierte genieße überhaupt akademische Freiheit. Mit der Lehrbefugnis als formalem Recht hat das nichts zu tun. Und ebenso schlimm sind die Folgen für Menschen, die (wie Sie) eine solche Schreckensherrschaft gegenüber dem freien Denken erleiden mußten. Noch schlimmer ist es, daß solche Gedankenschinder sanktionslos davonkommen.
Universitas ist die Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden und begründet kein Unterordnungsverhältnis. Und ich weiß, daß jedenfalls die überwältigende Mehrheit der geisteswissenschaftlichen Kollegen ein ähnliches Freiheitsverständnis hat – schon weil nur das für diejenige Unruhe in der Diskussion sorgt, die zu Erkenntnis führt. Ob das in den Naturwissenschaften wesentlich anders ist, weil dort zumindest Falsifikation möglich ist und Professoren deshalb für sich eher ein Wahrheitsmonopol bejahen, weiß ich nicht. Diejenigen Naturwissenschaftler, die ich kenne (kein Informatiker aus KA darunter) betonen die Eigenständigkeit der Doktoranden und der Studenten.
Also müssen wir für die Diskussion trennen: Die Lehrbefugnis als formales Recht in der verfaßten Universität und das behauptete Erkenntnis- und Wahrheitsmonopol übergeschnappter Professoren. Was Sie aus Ihrem Promotionsverfahren schildern, bezeugt nur eine wissenschaftlich völlig abwegige Geisteshaltung (weil die Wahrheitssuche keine Berechtigung kennt) und klare Rechtswidrigkeit: Es gibt keine “Meinungsberechtigten”. Urheber ist immer der wahre Autor ungeachtet seines Status und nie der betreuende Professor, auch wenn das manche Plagiatoren nicht wahr haben wollen.
Was stimmt an meiner Darstellung des Prüfungsrechts nicht?
Viele Grüße
Ihr VR
Lieber Herr Rieble,
ich bezog meine Ablehnung zum Prüfungsrecht auf Bunias Darstellung, nicht auf Ihre. Wie gesagt, er irrt bezüglich dessen, was in einer Prüfung verlangt werden kann, wer das festlegt und daß ein Prüfer in einer Prüfung „Rechte” habe.
Rein ketzerisch möchte ich aber auch die Sache mit der Lehrbefugnis in Bezug auf Räumlichkeiten usw. hinterfragen. Das Hochschulrahmengesetz sagt nur sehr knapp was zu den „Dienstaufgaben” von Professoren, aber zu dieser „Lehrbefugnis” habe ich da auf einen schnellen Blick nichts gefunden.
Somit bliebe für diese „Lehrbefugnis” normativer Raum eigentlich nur noch in den Landeshochschulgesetzen und den Grundordnungen der Universitäten. Die überblicke ich aber aufgrund ihrer Vielzahl nicht vollständig. Daraus folgt aber, daß man das in dieser Allgemeinheit so gar nicht sagen kann, was es damit auf sich habe. Man müßte das schon deshalb relativieren und immer auf das Bundesland X oder die Universität Y einschränken.
Als Hobby-Jurist würde ich da erst einmal fragen, wo genau das mit der Lehrbefugnis stehen soll und ob es im Rang eines förmlichen Gesetzes oder einer Verwaltungsverordnung steht. So, wie man es in einem Rechtsmittelverfahren prüfen würde, wenn etwa ein Student Widerspruch dagegen einlegte.
Anmerken möchte ich aber, daß wir damals als O-Phasen-Tutoren kraft studentischer Lust für unsere Tutanten einfach so Nachhilfestunden gegeben haben und dazu im Mathe-Gebäude völlig problemlos Seminarräumen nutzen durften. Uns wurde gesagt, daß das legitim sei und wir jeden beliebigen Seminar- oder Vorlesungsraum nutzen dürften, der gerade nicht anderweitig belegt ist. Man fördere es sogar, wenn Studenten da aus eigener Energie aktiv werden wollten. Die Räume waren auch nie abgeschlossen, stand alles offen für spontane wissenschaftliche Auseinandersetzungen usw. Die elitäre Auslegung der „Lehrbefugnis” ist daher durchaus nicht zwingend und selbstverständlich, was umsomehr den Zweifel daran weckt. Allerdings sind nach meiner Erfahrung die Mathematiker da erheblich seriöser und toleranter als die Informatiker. Weil bei denen die Autorität allein am mathematischen Beweis festgemacht wird, während in der Informatik vieles nicht verifizierbar, sondern rein deklarativer Natur ist und daher die Autorität ersatzweise durch die Dienststellung erzwungen werden muß. Mir sind deshalb schon einige Zweifel gekommen, ob es sich bei der Informatik überhaupt um eine Wissenschaft im engeren Sinne handelt.
Grüße
HD
Danke für den Artikel und die nette Debatte!
Einem Punkt, lieber Herr Danisch, verweigere ich aber die Zustimmung respektive Mitwirkung: Als Prüfender “dienstlich als Teil der Exekutive tätig” zu werden, da würde ich mir reichlich offiziös vorkommen. Da Grundrechte auch eine Drittwirkung haben, kann ich als Prüfer auch einfach die Grundrechte des Prüflings (z.B. Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit) achten und zugleich ebenfalls Grundrechtsträger sein.
Zum Thema Wahrheit, Meinung und Freiheit übrigens einschlägig: Kant: Streit der Fakultäten, 1798. Demnach bestimmt der Staat, was in den nützlichen Fakultäten (theologische, juristische, medizinische) gelehrt wird, weil der Staat Auftraggeber und Zweck dieser Nützlichkeit ist. Was in der philosophischen Fakultät gelehrt wird (wo es um Wahrheit, nicht um Nützlichkeit geht), da muss aber der Wissenschaftler ganz frei sein (alles andere würde auch dem Staat letztlich schaden).
Natürlich glauben wir heute nicht mehr, dass der Staat den Zweck von Nützlichkeit festsetzen darf, aber ein gewisses Wes-Brot-ich-ess-des-Lied-ich-sing ist – beim Staat wie bei der privatwirtschaftlichen Drittmittelforschung – auch heute nicht von der Hand zu weisen.
@Erbloggtes: Sorry für die Ernüchterung, aber : Es ist „offiziös”. Und sonst ist es gar nichts.
Wir sind da im öffentlichen Recht, weshalb der Prüfling ja auch den Rechtsweg zum Verwaltungsgericht hat. Wer sich da nun wegen des offiziellen Charakters wundert, der hatte bisher nicht verstanden, was er da als Prüfer tut.
Grundrechte haben keine unmittelbare Drittwirkung, denn das Grundgesetz sagt ausdrücklich, daß sie die drei Staatsgewalten binden. Erst indirekt haben sie diese Wirkung, weil der Staat verpflichtet ist, die allgemeinen Gesetze danach auszurichten. (Es gab zwar auch Juristen, die das anders sahen, aber die konnten das nie begründen und allgemein akzeptiert ist es eigentlich nicht.) Zumal es nicht ansatzweise Aufgabe des Prüflings ist, dem Prüfer Wissenschaftsfreiheit zu gewähren. Die Vorstellung, daß ein Prüfer, gar Professor, sich seine Wissenschaftsfreiheit holen müßte, indem ein kleiner Prüfling sich nach dessen Vorstellungen zu biegen hätte, ist nicht nur abwegig, sie ist geradezu erbärmlich. Was müssen das für jämmerliche Wichte sein, die sich da an Prüflingen – und damit an strukturell völlig Unterlegenen – ihre Lehrfreiheit abholen müssen?
Aber selbst wenn man das mal als gegeben annimmt: Welche Grundrechte sollte denn ein Prüfer in einer Prüfung geltend machen können? Kein einziges seiner Grundrechte ist überhaupt betroffen, er wird ja gar nicht beschwert oder eingeengt. Erstens ist das Prüfen nicht Teil der Forschung und Lehre des Prüfers (deshalb heißt es ja auch Freiheit von Forschung und Lehre, nicht des Prüfens), zweitens ist es ausdrücklich verboten, die Bewertung der Prüfungsleistung daran zu orientieren, ob sie mit der Meinung des Prüfungsgremiums übereinstimmt. Es gäbe gar keine Möglichkeit, die fachliche Meinung des Prüfers zu entfalten. Zudem – und das wird häufig verwechselt – wird ein Prüfer in der Prüfung nicht in eigener Sache oder Angelegenheit tätig, sondern allein in staatlichem Auftrag, weshalb er keine eigenen Rechte verfolgt. Jeder Angestellte einer Firma weiß, daß er da für seinen Arbeitgeber tätig wird und dessen Rechte und Pflichten wahrnimmt, nur die Professoren an den Universitäten glauben, da ausschließlich als Fürsten kraft eigener Rechte zu walten. Beamte sind sie nur, solange es um die Bezahlung und die Unkündbarkeit geht.
Übrigens wird das auch gerne mit dem sog. „Beurteilungsspielraum” verwechselt. Den hat der Prüfer, aber nicht zur Wahrnehmung eigener Rechte. Es ist im Gegenteil sogar ein erheblicher Rechtsfehler, wenn die Prüfung so gestaltet ist, daß Rechte des Prüfers involviert sind. Denn wären eigene Rechte des Prüfers in irgendeiner Weise tangiert oder würden vom Ausgang der Prüfung abhängen, wäre er ja nicht mehr neutral. Ein Prüfer, der da mit eigenen Rechten involviert ist oder auch nur davon faselt, ist nach Verwaltungsrecht befangen und als solcher abzulehnen.
Man kann sich das am Analogon einer Politesse vorstellen, die Knöllchen verteilt. Die hat auch einen Beurteilungsspielraum, aber sie nimmt keine eigenen Rechte war. Man muß sich nicht ein Knöllchen anhängen lassen, nur weil sie meint, sich nur dadurch persönlich entfalten zu können. Und genausowenig darf sie aus diesem Grund Falschparker selektiv unbehelligt lassen, nur weil es ihrer Lehrmeinung entspricht, daß grüne Autos auf Gehwegen parken dürfen sollen. Nur bei Professoren herrscht die seltsame Ansicht, daß die nach Lust und Laune prüfen dürften. Paradoxerweise wissen gerade die, die immer so lautstark die Freiheit von Forschung und Lehre für sich proklamieren, nämlich die Professoren, am wenigsten, was das überhaupt ist. (Was nicht weiter verwundert, es gibt auch viele fachliche Themen, wo sie sich als die Größten aufspielen, obwohl sie eigentlich am wenigsten Ahnung haben.)
Nur mal zur Orientierung und zum Beleg, daß ich mir das nicht aus den Fingern sauge, ein Auszug aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.5.1991, 7 NB 5/90 = NVwZ 1991, 1082 :
Die Lehrfreiheit des Hochschullehrers umfaßt zwar die inhaltliche und methodische Gestaltung der Lehrveranstaltungen, nicht aber ohne weiteres auch die Bestimmung der Voraussetzungen, unter denen ein Leistungsnachweis erteilt wird. Diese Frage kann vielmehr, soweit sich dies unter Ausbildungsgesichtspunkten als nötig erweist, von der Universität in der für den jeweiligen Studiengang erlassenen Studienordnung geregelt werden. […]
Ein durch seine Lehrfreiheit geschütztes Interesse des Antragstellers (Prüfers), die Voraussetzungen für die Erteilung des Leistungsnachweises ausschließlich nach eigenem Gutdünken festzulegen, besteht offensichtlich nicht. Denn die Frage nach diesen Voraussetzungen betrifft thematisch den Studienerfolg der Studenten und kann darum, soweit sich das unter Ausbildungsgesichtspunkten als nötig erweist, in der für den jeweiligen Studiengang erlassenen Studienordnung geregelt werden. In Anbetracht ihres Inhalts und ihrer Zielrichtung ist eine solche Regelung […] in erster Linie an dem Grundrecht der Studenten auf Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) zu messen.
So sieht’s aus.
Viele Professoren bilden sich kraft souveräner Inkompetenz auch ein, daß die Prüfung das abbprüft, was sie in ihrer Vorlesung erzählt haben. In irgendeinem der diversen Prüfungsrechtsbücher (müßte jetzt erst suchen, welches das war) steht der schöne Satz, daß abzuprüfen ist, was zu lernen war, nicht was gelehrt wurde. Das beschreibt es exakt.
Und an dieser Stelle sei auch nochmal daran erinnert, daß Richtiges nicht als falsch, und daß Falsches nicht als richtig bewertet werden darf, und daß für die Richtigkeit nicht die Lehrmeinung der Prüfer maßgeblich ist. Schon daher kann sich die Prüfung nicht auf die Forschungs- und Lehrfreiheit der Prüfer auswirken.
Im übrigen heißt Freiheit von Forschung und Lehre, daß man von staatlicher Ingerenz freigehalten wird, nicht daß man sich – wie viele Professoren es leider tun – jeden beliebigen Stuß im eigenen Hirn anpflanzen und dann mit der Gewalt des Prüfers, Doktorvaters, Peer Reviewers, Forschungsantragsgutachters durchsetzen kann. Wer meint, daß die Prüfung der Ort für den Prüfer wäre, Freiheit von Forschung und Lehre für sich in Anspruch nehmen zu müssen, der hat da was grundsätzliches nicht verstanden.
Etwas anderes bestünde erst, wenn der Prüfer von oben, von staatlicher Seite gezwungen wäre, seine eigene Meinung als falsch einzustufen (was aber die Situation etwa eines Doktoranden ist, dessen Meinung die Staatsgewalt in Form von Professoren ablehnt). Das aber ist konstruktiv nicht möglich, denn wenn ein Professor seine Meinung öffentlich und in der Literatur vertritt, dann genügt dies bereits dazu, daß der Prüfling sich darauf berufen kann und sie als richtig gewertet werden muß, denn wenn der Prüfling sich auf eine – beliebige – in der Literatur vertretene und halbwegs ernstzunehmende Meinung vertritt, dann muß diese als richtig gewertet werden. Also bereits über diesen Umweg, daß sich der Prüfling – wenn er will – der Meinung des Professors anschließen kann und das dann als richtig gewertet werden muß, genügt zum Schutz der Lehrmeinung des Prüfers.
Außerdem ist nicht nachvollziehbar, wieso der Professor durch die Befolgung von Prüfungsrecht überhaupt in seiner Forschungs- und Lehrfreiheit tangiert sein könnte. Diese Freiheit umfaßt zwar ausdrücklich auch die Kritik an den Methoden anderer (wovon ich in diesem Blog ja intensiv Gebrauch mache, und womit ich bisher alle juristischen Angriffe erfolgreich abgewehrt habe), aber sie umfaßt kein Ausschließlichkeitsrecht, als nicht das Recht, die eigene Meinung willkürlich für richtiger als die anderer hinzustellen. Man darf mit seiner eigenen Meinung auftreten, aber nicht die Meinung anderer ablehnen oder die eigene darüber stellen. Wie aber sollte ein solches Recht in einer Prüfung Anwendung finden, wenn es doch gerade nicht Teil der Forschungsfreiheit ist, die eigene Meinung als ausschließlich richtig hinzustellen?
Lieber Herr Danisch,
die Lehrbefugnis ist nur partiell geregelt. Art. 65 Bayerisches Hochschulgesetz sagt, wie man sie bekommt (durch Habilitation)
[http://by.juris.de/by/HSchulG_BY_2006_Art65.htm]. An sich müßten die aus ihr folgenden Rechte in den Satzungen oder Grundordnungen der Universitäten geregelt sein, weil es sich um ein sogenanntes “Korporationsrecht” handelt, das man als Mitglied der Universität hat. Die LMU regelt das nicht, man kann aber § 44 der Grundordnung [http://www.uni-muenchen.de/einrichtungen/zuv/uebersicht/dez_i/hochschulr/lmu/satzungen/grdo-endfassung.pdf], der die “Selbständige Wahrnehmung von Aufgaben in Forschung und Lehre” durch wissenschaftlichen Nachwuchs regelt und dafür einen besonderen Übertragungsakt verlangt, im Rückschluß entnehmen, daß der Lehrbefugte im fachlichen Rahmen seiner Lehrbefugnis eben lehren darf, ohne einen Auftrag zu erhalten.
Zur Prüfung: Die Prüfung ist Teil der Lehre und gibt dem Prüfer auch ein eigenes Freiheitsrecht: Zuerst bei der Gestaltung der Prüfung. Welche Aufgabe der Prüfer stellt, welche Seminarthemen er vergibt oder welches Dissertationsthema er zur Betreuung annimmt, das entscheidet er autonom. Seine Freiheit endet bei der Bewertung: Hier ist er auf objektive Maßstäbe (so es diese gibt) verpflichtet und darf – wie Sie schreiben – keinen Meinungsgehorsam verlangen. Sein Restbeurteilungsspielraum ist allerdings durchaus auch Recht des Prüfers: Der Prüfer bildet sich eine Meinung über die Prüfungsleistung – und steht auch dabei unter dem Schutz der wissenschaftlichen Meinungsfreiheit. So darf der Doktorvater (oder -mutter) gewiß eine Dissertation nicht als “falsch” aburteilen, wenn Forschungsmethode und Argumentation vertretbar sind. Aber die Frage, ob die Arbeit methodische Mängel hat, ist ihrerseits eine Wertung, die nicht von einem Gericht auf “Richtigkeit” kontrolliert werden kann, sondern nur ihrerseits darauf, ob sie vertretbar ist.
Viele Grüße
Ihr VR
Lieber Herr Rieble,
danke für die Info.
Würde ich aber erstens für formal nicht hinreichend halten, weil die im Gesetz nicht dazusagen, was eine Lehrbefugnis/-befähigung überhaupt sein soll. Es erfüllt die Bestimmtheitsanforderungen an Gesetze meines Erachtens nicht.
Zweitens halte ich es für verfassungswidrig, denn die Freiheit der Lehre steht jedem zu, und sie ist laut BVerfG freizuhalten von jeglicher staatlichen Ingerenz. Insofern dürfte das so wohl nur noch deshalb dastehen, weil man das irgendwoher tradiert und sich noch keiner dagegen gewehrt hat. Aber da bin ich ja schon dran.
Das mit der Grundordnung der Universität usw. halte ich im Gegensatz dazu zwar für robust, aber nicht wegen der Lehrfreiheit, sondern schlichtweg wegen des Hausrechts. Die dürfen halt in weiten Grenzen festlegen, was in ihren Gemäuern läuft und was nicht.
Deshalb halte ich die Frage für äußerst interessant, was passiert, wenn ein Dozent/Mitarbeiter usw. kraft souveräner Frechheit eine Lehrveranstaltung anbietet, diese aber in Räumen abhält, die nicht dem Hausrecht der Universität unterliegen. (Das Institut, an dem ich damals war, befand sich beispielsweise eine Zeitlang in externen angemieteten Räumen.)
Zur Prüfung: Sorry, nein, die Prüfung ist nicht Teil der Lehre. Dazu gibt es auch Rechtsprechung.
Und es mag zwar de facto so sein, daß die Prüfer das festlegen, aber nur kraft souveräner Willkür, nicht kraft Rechtes. Denn im Prüfungsrecht gilt wie auch sonst im öffentlichen Recht, daß der Ausführende nicht derselbe sein darf, der die Normierung durchführt. Es ist im Prüfungsrecht unzulässig, wenn derselbe sagt, was gefordert ist, und entscheidet, ob es erfüllt wurde.
Das Bundesverfassungsgericht hat 1991 klargestellt, daß die Anforderungen und die Bewertungsmaßstäbe in berufsbezogenen Prüfungen der gesetzlichen Grundlage bedürfen.
Der Prüfer kann zwar Themen und Aufgabenstellungen auswählen, anhand derer der Prüfling Kenntnisse und Fähigkeiten nachweisen soll. Welche Kenntnisse und Fähigkeiten er dabei aber nachweisen soll, unterliegt nicht dem Prüfer.
Und ob eine Arbeit methodische Mängel aufweist, ist sehr wohl vom Gericht auf Richtigkeit kontrollierbar, und das muß es wegen Art. 19 IV GG auch sein. Gibt auch genug Rechtsprechung dazu. Denn der Prüfer muß seine Kritik begründen, und der Prüfling kann Einwände dagegen erheben, und das Gericht muß alleine schon deshalb überprüfen, ob der Prüfer diese berücksichtigt hat.
Der Beurteilungsspielraum des Prüfers bezieht sich nicht darauf, ob eine Arbeit methodische Mängel hat. Sondern nur darauf, wie er diese Mängel im Vergleich zu anderen Arbeiten in den Bezugsrahmen einstuft. Oder anders gesagt: Ob ein methodischer Mangel vorliegt, ist justiziabel und dem Sachverständigenbeweis zugänglich. Ob der Mangel dann zur Note 2 oder 3 führt, ist Bewertungsspielraum.
Grüße
HD
Sehr geehrter Herr Danisch,
Ihre Kritik an meinen Äußerungen in der FAZ nötigt mich zu einer Antwort. Leider ist der Ton Ihrer Kritik beleidigend und würde einen Strafantrag rechtfertigen, denn Sie zielen mehrfach unter die Gürtellinie. Aber ich bin ein Freund offener Auseinandersetzung. Ich freue mich, dass Sie den Beitrag kommentieren. Ich hoffe zugleich, dass Sie Ihren Ärger ein wenig zurücknehmen und doch noch einmal mit mir schauen, was ich tatsächlich sage. Und ich hoffe sogar, dass Sie mich nicht weiter persönlich angreifen. Denn erstens ist mein Artikel Ausdruck einer Kritik, die der Ihren (obenstehenden) nicht ganz fern ist. Und zweitens gebe ich gern zu, dass es immer auf den Autor und nicht auf den Leser zurückfällt, wenn ein Autor einen öffentlichen Text verfasst, der nicht bei allen verständlich ist. Die Schuld liegt also bei mir.
Ich möchte diesem Schuldeingeständnis allerdings zwei Dinge hinterherschicken. Erster Punkt: viele Personen haben den Artikel durchaus richtig verstanden. Ich habe vielfach positive Rückmeldung erhalten — aber natürlich nicht öffentlich. Mein Artikel ist in der Rubrik „Forschung und Lehre“ erschienen und adressiert damit ohnehin eine spezielle Klientel, die verkürzten Darstellungen durchaus folgen kann; er richtet sich hier an die Beschäftigten der Hochschulen und an die politischen Entscheidungsträger. Es ist eine leichte Kritik an Herrn Laube und eine schwerere Kritik an Herrn Rieble (der uns hier ja begleitet). Aber natürlich muss ich auch damit rechnen, dass andere interessierte Bürger, die sich um die Forschung in Deutschlang sorgen, meinen Artikel zur Kenntnis nehmen. Zweiter Punkt: der Artikel ist von der Redaktion gekürzt worden. Er ist eigentlich ausführlicher gewesen.
Schließlich: bitte lesen Sie auch diesen vorliegenden Brief an Sie mit etwas Wohlwollen. Ich weiß nicht, weshalb Sie so aggressiv reagieren. Nun rechne ich mit einer negativen Voreinstellung gegen mich. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich ein wenig auf mich einlassen könnten.
Die FAZ präsentiert zu dem Thema „Privatdozentur“ eine Reihe von Artikeln, in denen naturgemäß Ungenauigkeiten stehen. Diese finden sich auch im Text von Volker Rieble, und natürlich sind sie ihm in diesem Genre nicht vorzuwerfen. In meinem Text finden sich auch zahlreiche Verkürzungen. So kann man durchaus bei vielen Formulierungen auf Genauigkeit pochen (nur hätten wir dann einen Aufsatz und keinen Zeitungsbeitrag). Namentlich haben Sie völlig recht, wenn Sie sagen, dass man als Prüfer nicht bestimmte Meinungen verlangen darf. Das allein rechtfertigt — übrigens auch im Nachgang zu Humboldt — traditionell die Beamtung der Professoren, die, so begründet man, damit Hoheitsaufgaben wahrnehmen. Humboldt wollte sogar, dass die Universitäten die besten Köpfe für den Staatsdienst ausbilden.
Mir ist natürlich auch das einschlägige Urteil des Bundesverfassungsgerichts bekannt, in dem festgehalten wird, dass das bloße Abweichen von der Meinung des Prüfers diesen nicht dazu berechtigt, eine schlechte Note zu vergeben. Sie werden sich übrigens daran erinnern, dass das Gericht die einschlägige Verfassungsbeschwerde für unbegründet gehalten hat (auf Deutsch: die Beschwerde abgelehnt hat).
Doch Sie unterstellen mir in Ihrem wirklich erstaunlich unfreundlichen und böswilligen Text, ich hätte behauptet, nur zur Lehre berechtigte Personen dürften eine eigene Meinung haben. Ich bin nicht nur Literaturwissenschaftler, sondern auch Diplom-Mathematiker und darf Sie als Diplom-Informatiker daher an die Bedeutung des logischen Operators „und“ erinnern, der in dem Satz steht. Ich habe gesagt: Nur zur Lehre befugte Personen dürfen Meinungen vertreten _und_ diese Meinungen zum Gegenstand von Prüfungen erheben. Dieser Satz gibt ein „falsch“ zurück, sofern nicht auch der zweite Teil des Ausdrucks als „wahr“ ausgewertet wird. Kurzum: ich habe nie behauptet, nur Professoren hätten ein Recht auf eigene Meinung.
Auch die Behauptung, die ich äußere (die mit dem „und“), ist natürlich eine sehr überspitzte Formulierung. In der Tat steht das _so_ natürlich nicht in Hochschulgesetzen. Den einschlägigen Gerichtsurteilen können Sie das aber durchaus dem Geist nach entnehmen. Gleichermaßen entnehmen Sie es der Realität. Deswegen sind Sie ja so erbost. Schließlich haben Sie persönlich eine einschlägige Erfahrung gemacht. Ein Professor kann zumindest die Kenntnis seiner Position verlangen; es geht dabei nicht um Zustimmung. Aber die Kenntnis einer Position und die Wiedergabe ihre Begründung zu verlangen reicht bereits dazu aus. Denn wenn man die Begründung nicht in einer Form wiedergibt, die den Prüfer tatsächlich überzeugt, erhält die Begründung eine schlechte Bewertung.
Wenn Sie meine Beitrag etwas wohlwollender gelesen hätten, hätten Sie auch bemerkt, dass ich dabei diese Praxis nicht für sonderlich gut halte (sie ist übrigens zum Glück ohnehin sehr selten). Ich schreibe ausdrücklich: „Dass Professoren das Recht haben, für Widerspruch gegen ihre vielleicht im Einzelfall absurden Auffassungen schlechte Noten zu geben, ist nicht wirklich bewahrenswert.“ Sie können mich also schlecht dafür verurteilen, dass ich einer solchen Praxis das Wort rede. Auch ist das natürlich nicht meine eigene Praxis. Hier werden Ihre Unterstellungen wirklich verletzend. Und noch einmal zu meiner Formulierung selbst: Von „Widerspruch“ und „absurden Auffassungen“ zu sprechen ist eine überspitzte Formulierung. Kein Prüfer darf fragen: „Habe ich recht?“ Und eine schlechte Note geben, wenn der Prüfling „Nee“ antwortet und das Nein gut begründet. Aber welcher Prüfer, der es darauf anlegt, macht das so plump?
Wenn sich Herr Rieble auch schon an dieser Diskussion auf dieser Webseite beteiligt, will ich mich nicht selbst um die Auslegung des Artikel 3 GG mit Ihnen streiten. Im Kern gebe ich Ihnen ohnehin recht: jeder darf zu Hause Wissenschaft treiben, und der Staat darf ihm dieses Treiben nur verbieten, wenn das private wissenschaftliche Arbeiten ihn mit anderen Grundrechten in Konflikt bringt. Was nun die Auslegung des Artikel 3 angeht, so stellt das Verfassungsgericht zwar einerseits fest, dass jede wissenschaftliche Betätigung unter den Schutz des Grundgesetzes fällt (das ist wichtig für die Industrie), Professoren aber einen besonderen Schutz genießen. Dies ist im Urteil zur Gruppenuniversität zu finden. Die Grundgesetzkommentare tendieren mal stärker, mal schwächer dazu, die Professoren zu privilegieren. Dies liegt letztlich daran, dass die Universität als ganze einen besonderen Schutz genießt, und bislang wird aus Sicht des Verfassungsgerichts die Universität insbesondere von den Hochschullehrern, den 10% der wissenschaftlich Beschäftigten, getragen.
Auf Ihre Bemerkungen zu Artikel 33 GG gehe ich lieber nicht ein. Dass die Berufungsverfahren — mit all ihren komplizierten Zwischenstufen, externen Gutachtern etc. — grundsätzlich dazu nicht die passenden Instrumente sind, geeignete Bewerber zu finden, ist doch eine sehr krude Behauptung. Ich bin neugierig und frage zurück: Wie begründen Sie das denn bitte? Und was wäre ein besseres Verfahren? Verlangen Sie Volksabstimmungen über jede Professur?
Doch Sie fragen, worum es in meinem Text geht. Und in der Tat: für Außenstehende ist das vielleicht schwer nachzuvollziehen. Es geht darum, dass im Namen von „Qualifizierung“ Personen, die einen guten Job machen, auf befristeten Stellen gehalten werden. Vermutlich wissen Sie, dass rund 89 % der wissenschaftlichen Beschäftigten in befristeten Arbeits- und Beamtenverhältnissen stehen — übrigens auch einige Universitätsprofessoren, Juniorprofessoren sowieso, mithin auch ich. Die Privatdozenten, um die es geht, arbeiten mit extrem geringer Bezahlung, weil sie wissen, die Qualifizierung zu benötigen, um überhaupt eine Chance auf Weiterbeschäftigung zu haben. Das Problem ist, dass eine solche Personalstruktur dazu führt, dass Menschen an den Universitäten nicht für ihre gute Arbeit Anerkennung finden. Denn ob eine weitere Beschäftigung möglich ist, hängt von Zufällen ab. Wer gut ist und wessen Leistungen allseits anerkannt sind, kann und wird häufig weggeschickt, weil der Gesetzgeber das so vorgesehen hat. Wer an der Universität arbeitet, kann nur auf eine Lebenszeitprofessur hoffen; andere Positionen ohne Befristung gibt es nicht (mit ganz wenigen Ausnahmen). Mein Artikel ist also vor allem eine Kritik an dieser Logik, die sich beschönigend und irreführend „Qualifizierung“ nennt.
Sie werden vielleicht jetzt noch fragen: Was hat das mit dem Vertreten von Meinungen zu tun? Meine Antwort ist: nichts. Deswegen plädiere ich ja auch dafür, die ganze Idee der Lehrbefugnis zu verabschieden. Die aktuelle Karrierelogik an Universitäten sieht aber vor, dass man im Regelfall erst einmal die Lehrbefugnis durch die Habilitation erlangt und dies ein Teil der Qualifikation ist. Dass man noch vor Erreichen dieser Qualifikationsstufe eventuell sogar sehr erfolgreich forscht und lehrt, mithin für den Job faktisch qualifiziert ist, wird dabei übergangen. Dass umgekehrt mancher Lebenszeitprofessor sehr erfolglos forscht oder miserabel lehrt, wird genauso übergangen.
Mit freundlichen Grüßen
Remigius Bunia
Sehr geehrter Herr Bunia,
vielen Dank für Ihren Beitrag, ich freue mich immer, wenn sich die, von denen das Thema ausging, zu Wort melden. Allerdings muß ich Ihnen sagen, daß ich Ihrem Kommentar genausowenig entnehmen kann, worauf Sie eigentlich hinauswollen, wie Ihrem FAZ-Artikel. Meine Meinung über Geisteswissenschaftler ist schlecht, weil ich den Eindruck habe, daß das Schreiben bei denen oft Selbstzweck hat und vor Inhalt geht. Sie scheinen mir diesen Eindruck zu bestätigen.
Zu einzelnen Punkten:
Was den Vorwurf der Beleidigung angeht, weise ich den zurück. Ich habe mich schon vor Jahren ausgiebig mit der Rechtsprechung des BVerfG und des BGH zu dieser Frage, zum Themenkreis der Schmähkritik und wie weit man gehen darf, beschäftigt, und orientiere mich daran. Strafanzeigen und Unterlassungsklagen angedroht haben mir schon viele. Versucht haben es manche. Geschafft hat es noch keiner. Von den meisten Rechtsanwälten, die mir was wollten, habe ich nach einer ersten Erwiderung nie wieder was gehört. Es ist aber eine Unsitte in den Hochschulen, jede unerwünschte Kritik gleich als beleidigend, unsachlich usw. abzutun, um sich damit nicht auseinandersetzen zu müssen. Daß diese Form der „Verteidigung” selbst unsachlich, persönlich und unter der Gürtellinie ist, merken die wenigsten. Und so halte ich auch Ihre unterschwelligen Vorwürfe mir gegenüber für die typische Hochschul-Rabulistik.
Sie sagen, Sie wissen nicht, warum ich so aggressiv bin. Das ist wohl wahr, woher sollten Sie das auch wissen, wenn Sie mich nicht kennen. Ich beschäftige mich seit etwa 15 Jahren mit der Problematik. Die kurze Zusammenfassung finden Sie unter https://www.danisch.de/Adele.pdf . Und es geht mir nun einmal gegen den Strich, wie unglaublich viele der Professoren sich einerseits für das Zentrum von Wissenschaft und Lehre halten, einen Amtseid als Beamter ablegen, sich wie Fürsten aufführen, aber nicht mal ansatzweise wissen, was sie da eigentlich tun und was ihre Pflichten sind. Ich habe da schon so viele Dialoge mit Professoren gehabt, die sich für genial, Weltspitze usw. hielten, aber weder ihr Fach beherrschten, noch ansatzweise wußten, was eine Prüfung ist.
Für geradezu dreist und eine ziemlich an den Haaren herbeigezogene faule Ausrede halte ich es, daß Sie hier nun plötzlich „und” als logischen Operator ausgeben wollen. Irgendwie halten Sie Ihre Leser für blöd. Ein aussagenlogischer Operator verbindet prädikatenlogische Aussagen und nicht natürlichsprachliche Satzteile. Und das „und” ist in natürlichsprachlichem Kontext, in diesem Sinnzusammenhang und in dieser Grammatikkonstruktion ein Aufzählungs-Und und kein logischer Operator. In einem solchen Prosa-Text, der überhaupt keinen inhaltlichen Bezug zu Mathematik oder Informatik hat, ein einzelnes „und” plötzlich nicht als sprachliches, sondern als aussagenlogisches „und” hinzustellen, ist eine der faulsten Ausreden, die mir je untergekommen sind. Als Informatiker erlaube ich mir zudem den Hinweis, daß man das logische und nicht als „und” sondern mit dem Operatorsymbol schreibt.
Humboldt muß – ähnlich wie Jesus – für jede beliebige Aussage herhalten, ohne sich dagegen noch wehren zu können. Ein Berufen auf Humboldt ist reine Rhetorik, aber völlig aussagelos, weil man nicht weiß, was er dazu gesagt hätte, und selbst wenn man es wüßte, wäre es irrelevant. Wissenschaft ist nicht Humboldt, und er ist nicht ihr Erfinder, nicht ihr Prophet und nicht ihr Heiliger. Und Humboldt kannte auch nicht unsere Grundrechte, noch war er ihnen verpflichtet. Deshalb legen Professoren in Deutschland ihren Amtseid auf die Verfassung und nicht auf Humboldt ab. Zudem ist die Berufung auf Humboldt in der Wissenschaft heute ein untrügliches Merkmal dafür, daß Gefasel kommt. Ich kann mich nicht erinnern, daß jemals jemand nach einem Hinweis auf Humboldt danach noch etwas vernünftiges gesagt hat – und deshalb zieht man die vermeintliche Trumpfkarte Humboldt so gerne, um sich den Anschein zu geben, etwas wissenschaftlich-schlaues-unabstreitbares gesagt zu haben. Funktioniert fast überall. Bei mir nicht. Zumal ich den Personenkult, der in der (spezielle der deutschen) „Wissenschaft” eingerissen ist, zutiefst verabscheue.
Seltsam finde ich, daß Sie sich einerseits von meiner Kritik in ungerechter und unberechtigter Weise getroffen fühlen – sie aber durch Ihre Äußerungen, die ich für unrichtig halte, nicht nur bestätigen, sondern eigentlich noch viel stärkere Kritik herausfordern. Denn jetzt ist es klar, daß es nicht ein Mißverständnis ist oder der Kürzung durch die Redaktion geschuldet ist, sondern daß Sie es wirklich so – und noch schlimmer – meinen, wie ich es kritisiert habe.
Auch Ihre Darstellung zu den Gerichtsurteilen vermag ich nicht nachzuvollziehen. Ich habe mich bis vor einigen Jahren intensiv mit Prüfungsrecht befaßt und dazu alle in der Verwaltungsrechtsliteratur beschriebenen Gerichtsentscheidungen gelesen und alle damals verfügbaren Fachbücher über Prüfungsrecht gekauft und gelesen, mit zweien der Autoren sogar gesprochen. Und ich versichere Ihnen, ich haben den „Geist”, von dem Sie da zu phantasieren belieben, nirgends gesehen. Zudem liegt es außerhalb meiner Natur, in Gerichtsentscheidungen „Geister” zu sehen um daraus etwas herauslesen zu können, was da nicht geschrieben steht. Zutreffend ist allerdings, daß in der Prüfungsrechtsprechung bis 1991 bisweilen die Willkür des Prüfers und das Fehlen des Rechtsweges vertreten wurde. Die Situation war so unhaltbar, daß das Bundesverfassungsgericht sie 1991 massiv kritisiert hat – und das, obwohl es die Verfassungsbeschwerde damals – aus anderen Gründen – ablehnte. Wenn das BVerfG aber sogar eine Ablehnung nutzt, um so grundlegend ein Rechtsgebiet umzuwerfen, erkennt man, wie dringend das damals nötig war.
Sie schreiben, daß es nicht „bewahrenswert” sei, daß Professoren das Recht … hätten. Nett. Dieses Recht haben Professoren aber gar nicht. Und ich erwarte als Steuerzahler und Prüfling – wie auch von jedem anderen Beamten – daß Professoren das wissen und nicht einfach nur für „nicht bewahrenswert” halten. Die Aussage belegt zwar, daß sie gefühlsmäßig in die richtige Richtung wollen, aber daß Sie de facto keine Ahnung von Prüfungen haben. Denn sonst hätten Sie ja nicht geschrieben, daß Professoren dieses Recht hätten. Ich verurteile Sie nicht dafür, daß sie einer solchen Praxis das Wort reden oder nicht. Ich verurteile Sie dafür, daß Sie sich aus öffentlichen Geldern als Professor bezahlen lassen und in Prüfungen über anderer Leute Lebensweg entscheiden, und es offenbar nicht mal für nötig halten, sich über Ihre grundlegenden Dienstpflichten zu informieren. Jeden kleinen Polizisten würde man zerreißen, wenn er so an seine Arbeit ginge.
Zu Artikel 3: Es ist völliger Quatsch, daß die Forschungsfreiheit für andere als die Professoren für die Industrie gedacht wäre, und daß das für „zu Hause” gelte. Allein für diesen Unsinn gebührt Ihnen ein Tritt in den Hintern – mit viel Anlauf. Denn darin liegt ja gerade diese Überheblichkeit und Arroganz, mit der mich Ihr FAZ-Artikel so verärgert hat, nämlich der Irrglaube, daß Professoren so eine Art Vorrecht oder Monopol für höhere Wissenschaft zustünde, und alle anderen dann nur so in der zweiten Liga oder Kreisklasse spielen dürften – „zu Hause” oder in der „Industrie”. Wenn ich so etwas lese, frage ich mich, ob Sie noch alle Tassen im Schrank haben. Die Forschungsfreiheit umfaßt nach BVerfG auch den Zugang zu den Universitäten. Und das Grundrecht der Forschungsfreiheit macht keinen Bogen um die Universitäten. Da gibt es keine Bannmeile für Grundrechte, und exterritoriales Gelände sind die auch nicht (vom CERN mal abgesehen).
Ich möchte an dieser Stelle wiederholen, daß ich Ihre Form der Rabulistik für eine Frechheit und Provokation halte: Sie behaupten, Sie würden mir Recht geben, sagen gleichzeitig aber, daß die Forschungsfreiheit für Nicht-Professoren „zu Hause” – also so quasi für kleine Hobby-Forscher mit dem Jugend-Experimentierkasten – gälte. Und indem Sie da eine Zustimmung und damit Gleichartigkeit vorausschicken, suggerieren Sie dem Leser, daß ich das auch so meinen würde wie Sie. Das sind so die kleinen dreckigen Methoden, die ich an der Uni so oft erlebt habe – und die ich überhaupt nicht leiden kann.
Ihr Hinweis auf das Gruppenuniversitätsurteil des BVerfG? Wenn Sie damit 1 BvR 1504/03 meinen, darin habe ich sowas nicht gefunden.
Vermutlich meinen Sie aber eher das bekanntere 1 BvR 424/71 und 325/72 von 1973, in dem es aber ausdrücklich heißt (Absatz 128 ff. ) daß die Forschungsfreiheit vorbehaltlos jedem zusteht, der tätig werden will. In Absatz 157 steht sogar ausdrücklich, daß den Mitarbeitern die Wissenschaftsfreiheit genauso zusteht wie den Hochschullehrern. Und auch den Studenten werden dort Rechte eingeräumt.
Das, was Sie meinen, steht so ab Absatz 160 ff. Aber nicht so, wie Sie das glauben. Da steht nicht, daß die Professoren mehr Rechte hätten. Da steht, daß die Professoren im Gegensatz zu Studenten nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten haben und sie mit der Lehre beauftragt sind und ein Amt haben, das sie erfüllen müssen. Außerdem steht da, daß sich Entscheidungen auf sie stärker auswirken, weil sie länger an der Universität sind als ein Student, und deshalb stärker betroffen sind. Und deshalb räumt das Gericht ihnen etwas höheren Einfluß in der Organisation der Universität und Wissenschaftsverwaltung ein. Da geht es um Verwaltung und am Rande darum, die Wissenschaftsfreiheit so wenig wie möglich zu beeinträchtigen. Daß Professoren da eine höhere Qualität oder mehr Wissenschaftsfreiheit hätten, steht da nicht. Im Gegenteil steht da an mehreren Stellen, daß auch die Mitarbeiter und Studenten vergleichbare Rechte haben, was die Wissenschaftsfreiheit angeht.
Ich vermag Ihren Hinweis also nicht nachzuvollziehen und halte ihn deshalb solange für falsch, bis Sie eine genauere Quelle angeben. Ich erlaube mir aber den warnenden Hinweis, daß die angeblichen Rechtsgrundlagen, die man sich an den Universitäten meist so nach dem Prinzip „stille Post” so zuraunt, einer Nachprüfung erfahrungsgemäß so gut wie nie standhalten. Auf Gerüchte sollte man nicht viel geben, und auf die an Universitäten noch weniger.
Die Ausführungen zu Artikel 33 Abs. 2 GG wären hier zu umfangreich. Ich verweise dazu auf die entsprechenden Kapitel in meiner Zusammenfassung https://www.danisch.de/Adele.pdf . Um es vorweg zu nehmen: Ich begründe es gar nicht. Das haben nämlich ganz viele Gerichte schon getan, weshalb es einer zusätzlichen Begründung von mir gar nicht mehr bedarf. Ich habe schon einige Berufungs- und Rektorwahlverfahren untersucht, und keines davon entsprach den Anforderungen – weder was die Ausschreibung, noch die Auswahl oder die Dokumentation betraf. Rechtsfehlerhaft von vorne bis hinten. (Siehe auch in meiner Doku nach VGH Kassel)
Man braucht dazu übrigens weder eine Volksabstimmung, noch Ihre Polemik dazu. Man braucht dazu eine fehlerfreie Ausschreibung, ein korrektes Auswahlverfahren durch den Dienstherrn, eine den Anforderungen aus Art. 19 Abs. 4 genügende Dokumentation des ganzen – und eben ein paar Professoren, die wenigstens ungefähr wissen, was ihre Dienstaufgaben sind. An allen vier Punkten fehlt es an Universitäten so gut wie immer. Bei allen anderen Beamten bekommt man es selbstsamerweise hin, nur die Universitäten sind zu doof oder zu korrupt dazu. Und aus Ihrer Fragestellung mir gegenüber leuchtet auch nicht gerade verwaltungs- und verfassungsrechtliches Talent.
Bezüglich Ihrer sonstigen Ausführungen zum prekären Beschäftigungsverhältnis gab es schon viele Presseberichte, vorhin gerade in Frontal21, wozu ich einen Blog-Eintrag mit Link erstellt habe.
Was bleibt ist die Erkenntnis, daß Sie zwar so nach Gefühl in die richtige Richtung drängen, aber von Ihren Dienstaufgaben keinen allzu großen Schimmer haben. Das Tragische daran ist, daß Sie sich zwar für einen Teil der Lösung halten und stolz darauf sind, damit aber ohne es zu merken eher dem Problem als dessen Lösung zuzurechnen sind.
Und das war schon die wohlmeinende Variante.
MfG
Hadmut Danisch
Noch eine Nachbemerkung: Ich habe extra darauf geachtet, meine Replik – ebenso wie auch den Artikel selbst – von zu Hause aus zu schreiben. Damit müsste er auch Ihrer Aufassung von Wissenschaftsfreiheit entsprechen.
Sehr geehrter Herr Danisch,
Ihre derbe Sprache (Tritt in den Hintern) disqualifiziert sie als ernst
zu nehmenden Diskussionspartner. Frage: Haben sie persoenlich irgendetwas gegen Herrn Bunia?
Eine andere Erklaerung finde ich nicht fuer ihr Verhalten.
Edeltraud Schmerbeck
> Ihre derbe Sprache (Tritt in den Hintern) disqualifiziert sie als ernst zu nehmenden Diskussionspartner.
Ach, schon wieder mal das übliche Geschwätz, völlig an der Aussage und Argumentation vorbei jemanden, der eine unliebsame Meinung hat, ad personam als irrelevant zu erklären. Hab ich hier schon so oft in der Ewigen-Liste der übelsten Hochschul-Rabulistik aufgezählt. So schlecht und billig.
> Frage: Haben sie persoenlich irgendetwas gegen Herrn Bunia?
Nein. Ich kenne ihn ja nicht mal.
Auch das wieder so eine Rabulistik-Methode, Kritik auf persönliche Animositäten reduzieren zu wollen.
> Eine andere Erklaerung finde ich nicht fuer ihr Verhalten
Tja, nur weil Sie keine finden heißt es ja nicht, dass es keine gibt. Vielleicht lesen sie den Text oder überhaupt mein Blog noch einige Male.
Einzel-Coaching in Wissenschaftskritik biete ich nur gegen Honorar an.
Wer sind Sie überhaupt, dass sie glauben, ich müsste meinen Blog-Artikel Ihnen gegenüber rechtfertigen?
Sehr geehrter Herr Danisch,
ihre letzte Frage zeigt, dass sie die Aussage meines Kommentars (drei Saetze) nicht verstanden haben. Wie sollten sie dann Hern Bunia verstehen? Eine Antwort eruebrigt sich.
Edeltraud Schmerbeck
Wenn Sie sich unverstanden fühlen, kann das immer auch an der Aussage liegen.
Viele Leute, die sich unverstanden fühlen, bilden sich immer ein, es läge an den Zuhörern.
Greifbare Argumente bringen Sie ja nicht, sondern laden hier nur Schmähungen ab. Sie sagen ja gar nichts, was man verstehen könnte.
> … hätte er Professor werden dürfen, weil es ihm an Eignung und Befähigung fehlt.
Da fehlt wohl ein „nicht“!