Steuerprüfer decken Forschungsgroßbetrug auf
Wow. Jetzt kommt’s hammerhart. Betrug in der Größenordnung von 300 Millionen Euro und Potential für noch viel mehr.
Die Financial Times Deutschland berichtet heute (!) in zwei Artikeln (erster und zweiter) darüber, daß Steuerprüfer (gibt wohl doch noch ein paar, die wider den politischen Wind genau hingucken) aufgedeckt haben, daß Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft massiv bei der Umsatzsteuer betrogen haben.
Genüßlich beschreiben sie, was ich hier im Blog schon öfters in anderem Zusammenhang als Schwindel angeprangert habe, nämlich daß Forschungsinstitute
- sich als Verein organisieren,
- sich wie eine Behörde finanzieren und
- sich steuerrechtlich als Unternehmen gebärden.
Obwohl sie nur einen kleinen Teil des Umsatzes tatsächlich unternehmerisch erwirtschaften, haben sie da wohl für ihre ganzen Umsätze die Vorsteuer abgezogen und endlich – nach Jahren – kamen da mal ein paar Steuerprüfer dahinter. Und nun sollen sie um die 300 Millionen zurückzahlen. (Und ich wette, wenn man andere Institute prüft, kommt da noch mehr zusammen.)
Forschungsministerin Annette Schavan (treue Leser meines Blogs wissen, daß ich die wegen ihrer Wissenschafts-Geld-Mauscheleien und Tricksereien so ganz besonders ins Herz geschlossen habe) ist alarmiert – kein Wunder. Schließlich hat das Ministerium da überall und bei der Auswahl der verantwortlichen Vorstände die Finger drin, und letztlich sind die für den Schwindel mitverantwortlich – wenn sie ihn nicht sogar bewußt inszeniert haben, was zur sonstigen Vergabepraxis prima passen würde.
Fragwürdig ist natürlich auch, warum man das fiskalisch so lange mitgemacht hat. Jedem kleinen Freiberufler gehen sie wegen 30 Euro hinterher und lassen jeden Gegenstand einzeln nachweisen, während sie bei 300 Millionen jahrelang weggeguckt haben.
Also, liebe Leser, wer noch weiß, daß irgendwelche Universitäten oder Forschungsinstitute wie ein Unternehmer Vorsteuer abrechnen, obwohl sie das nicht dürften – immer her damit. Ich würde da liebend gerne noch ein paar anzeigen.
Und besten Dank an den Leser für den Link.
6 Kommentare (RSS-Feed)
In diesem speziellen Fall leider nicht – obwohl das genau mein Strickmuster gewesen wäre.
Helmholtz-Gemeinschaft
Ach, wieder verwechselt. Danke!
Ich frage mich, auf welcher Ebene da manipuliert wurde. Die einzelnen Institute, oder wie auch immer sich die Einheiten da nennen, haben ja sicher eine gewisse Autonomie, wie sie ihre Mittel verwenden. Und die müssen ihre Ausgaben ja vermutlich in der Regel auf einzelne Projekte buchen. Ich gehe also davon aus, dass das irgendwo in der zentralen Buchhaltung verbockt wurde.
Die FTD-Artikel finde ich aber sehr tendentiös. Ich bezweifle, dass die Vorschriften da viel Interpretationsspielraum lassen. Es gibt da sicher im Detail unterschiedliche Möglichkeiten, ob man das prozentual macht oder auf Kostenstellen runterrechnet. Aber dass es nicht erlaubt ist, einfach die komplette Vorsteuer abzuziehen, dürfte jedem Steuerrechtler klar gewesen sein.
Es gibt jedenfalls keinen Grund, deswegen jetzt irgendetwas aufzustocken.
Fun fact: In EU-Projekten ist die Vorsteuer von Sachkosten nicht erstattungsfähig, sie muss aus dem Overhead-Anteil bezahlt werden.
§ 22 Abs. 3 S. 2-4 UStG: “Ist der Unternehmer nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt, so müssen aus den Aufzeichnungen die Vorsteuerbeträge eindeutig und leicht nachprüfbar zu ersehen sein, die den zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätzen ganz oder teilweise zuzurechnen sind. Außerdem hat der Unternehmer in diesen Fällen die Bemessungsgrundlagen für die Umsätze, die nach § 15 Abs. 2 und 3 den Vorsteuerabzug ausschließen, getrennt von den Bemessungsgrundlagen der übrigen Umsätze, ausgenommen die Einfuhren und die innergemeinschaftlichen Erwerbe, aufzuzeichnen. Die Verpflichtung zur Trennung der Bemessungsgrundlagen nach Absatz 2 Nr. 1 Satz 2, Nr. 2 Satz 2 und Nr. 3 Satz 2 bleibt unberührt.”
Hast du die Initiative durch die Steuerfahnder los getreten?