Wissenschaftler quasi als Ich-AG
Kaum ist er Chef der Hochschulrektoren-Konferenz, haut Hippler auch schon gleich auf die Pauke. Der WELT sagt er:
„Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass ein Wissenschaftler quasi als Ich-AG an einer Hochschule tätig ist. Er wirbt sein eigenes Geld ein und finanziert sich dadurch selbst.”
Läuft im Prinzip darauf hinaus, daß der Wissenschaftler völlig unabhängig als Freiberufler tätig ist, und die Uni nur noch eine Art Infrastruktur-Vermieter ist, der sich den ganzen Kram bezahlen und sich mit auf die Autoren-Liste schreiben läßt.
Sowas ist mir kürzlich mal durch den Kopf gegangen, um die Misere mit den Vorlesungen zu lösen, die keiner mehr halten will. Da habe ich über freiberufliche Dozenten nachgedacht, die völlig unabhängig von Uni zu Uni ziehen und ihre Vorlesung da anbieten, wo sie am besten bezahlt werden. Das würde bedeuten, daß die Qualität dann wenigstens von der Geldsumme und nicht mehr nur von der Unlust abhinge, weil es bisher ja gar keine positive Quittung für Lehrtätigkeit gäbe und sich auch keiner Mühe gibt.
Das aber generell für Wissenschaftler einzuführen heißt, daß sich die Uni aus jeder Verantwortung schleicht. Typisch Hippler, der hat schon immer die Verantwortung für alles abgelehnt.
Das Problem daran ist, daß Wissenschaftler – so sie nicht verbeamtete Professoren sind – dann überhaupt keinen Schutz der Universität mehr haben. Da gibt es dann nicht mal mehr begrenzte Arbeitsverträge, kein Krankengeld, keine Sozialversicherung, keinen Kündigungsschutz. Alles, was nicht Professor ist, ist dann nur noch Dreck und Sklave. Wissenschaftler sind eigentlich nur noch dazu da, um ihren Finanzierungsoverhead bei der Uni abzuliefern, und dafür gibt ja beispielsweise die DFG auf jeden Antrag blanko 20% obendrauf, damit die Schutzgeldkassierer von der Uni ihren Obolus bekommen.
Hippler treibt damit die Zuhälterei auf die Spitze. Eigentlich haben Forscher mit der Uni dann gar nichts mehr zu tun, außer daß sie da Geld abliefern müssen um überhaupt forschen zu dürfen. Die Uni reduziert sich da auf ein Abkassieren der Schutzgelder.
9 Kommentare (RSS-Feed)
„unabhängig“ ist hier definitiv falsch. Wenn ein Wissenschaftler sein eigenes Geld einwerben muss, ist er nicht unabhängig. Er wird früher oder später völlig abhängig von der Wirtschaft, die ihm „Studien“ (und andere Formen manipulativer/falscher/unwissenschaftlicher Werbung) finanziert. Sobald sich das durchsetzt, existiert Wissenschaft und Hochschulbildung nicht mehr – höchstens bei ein paar Hobbywissenschaftlern.
Wissenschaftler als ICH-AG? Ah verstehe – eine neue Form der Scheinselbstständigkeit für Akademiker. Bei neuen “Finanzierungsmodellen” sowie dem Unterlaufen von Arbeits-, Tarifrecht sowie Sozialabgaben scheint offenbar der “Kreativität” keine Grenzen gesetzt.
Ich frage mich, welche Existenzberechtigung dann eigentlich noch die Universitäten haben – außer als Verwahranstalten für verbeamtete übergeschnappte Professoren. Wer sich selbständig machen will kann dies schließlich ebenso gut ohne irgendeine Uni machen, die außer gönnerhaften Gehabe, sich im fremden Glanz sonnen, Geld abgreifen und dabei furchtbar wichtig tun offenbar keinerlei nennenswerte Leistungen mehr erbringen will.
Vergleichsweiser Unsinn wurde mir vor 10 Jahren schon bei Fraunhofer angeboten. Ich habe dankend abgelehnt und erklärte, dass ich falls ich mich denn mal selbständig machen wollte, dafür weder die BWL Dummschwätzer aus der FHG Zentrale bräuchte noch ich die Absicht hätte ebendiese durchzufüttern.
Ich hoffe nur das die heutigen Absolventen solch miese Scheinangebote durchschauen und sich davon nicht ködern lassen.
@Michael: Ich verstehe nicht, warum du von der Option Industrie sprichst, als ob das der letzte Notnagel, die letzte Hoffnung sei. Zitat “Die können nur noch hoffen, irgendwo in der Industrie unterzukommen”. Warum so resigniert?
Nach meinen bisherigen Erfahrungen als Ex-Wissenschaftler in der freien Wirtschaft (ich spreche explizit nicht von ‘Industrie’), ist das universitäre Umfeld derart klein und beschränkt, und die Möglichkeiten die einem außerhalb des Elfenbeinturms offenstehen sind unglaublich viel größer und vielfältiger. Dem akademischen den Rücken zuzukehren hat nichts mit “letzter Hoffnung” zu tun.
“Die können *nur* noch hoffen” hört sich für mich nach dem uralten Mythos an, der sehr gerne im akademischen Bereich gepflegt wird. Der Mythos, daß nur eine wissenschaftliche Karriere das einzig wahrhaft würdige sei, und daß alles andere minderwertig sei. Der Gang in die Industrie als “Sell-Out”. Daß jemand der eine akademische Karriere abbricht ein “Versager” sei.
Das ist ein ganz gefährlicher Mythos, der dringend aufgebrochen gehört. Aufgrund dieses Mythos machen viel zu viele Leute eine überflüssige Promotion, bleiben auf irgendwelchen Post-Doc Stellen hängen, oder ganz schlimm fristen eine erbärmliche Existenz als Privatdozent, alles Stellen wo man nur nach Strich und Faden ausgebeutet wird.
Und eben weil unsere Professoren ganz genau wissen, daß die rationale Entscheidung eigentlich ist, dahinzugehen wo man sowohl besser bezahlt wird, die Arbeitsbedingungen besser sind und die Aufgaben auch noch interessant(er) sind, pflegen sie gerne den Mythos, daß in der Industrie ja angeblich alles so schrecklich sei, die Leute ganz furchtbar ausgebeutet und unglücklich seien, und die Arbeit dort vielleicht bessere Sekretariatsaufgaben seien. Das mit den ‘Sekretariatsaufgaben’ habe ich von einem Professor direkt gehört, kein Witz. Ich bin jetzt 4 Jahre raus aus dem Wissenschaftsgeschäft, und kann ganz ehrlich sagen, daß ich über das Professorengeschwätz nur noch lachen kann. Was für ein Märchen haben sie uns erzählt.
An deiner Stelle würde ich die akademischen “Karriere” sausen lassen, und mich nach den unzähligen vorhandenen Alternativen umschauen. Ich kann dir versprechen, es lohnt sich. Mensch, mit Auslandserfahrung usw. steht dir doch die ganze Welt offen. Warum willst du unbedingt Professor werden, wenn du doch genau weisst, was für ein (unfair manipuliertes) Glücksspiel das ist?
Ich mach diesen ganzen Wissenschaftssumpf seit etlichen Jahren mit –tingle von einer Forschungsstätte zur nächsten. Immer mit den eigenen Drittmitteln – auch mit sozialer Absicherung durch Fristverträge äußerst ungesund für Geist und Psyche! Denn mindestens nach der Hälfte der Laufzeit der Projekte muss man sich um Anschlussprojekte kümmern. Welches erheblichen Zeitaufwand für Recherche, Lobbyying, Antragschreiben etc. bedarf – so denn man überhaupt darf. Denn gerne wird das nicht gesehen – eigenständige Ideen, Sprit, Kooperationsvermögen und Offenheit für neues ist dem verkorksten deutschen Wissenschaftssystem zuwider und bietet Anlass für Spekulationen und Verdächtigungen. Die Ideen dürfen nur die Herren mit Beamtenstatus haben – als Teil deren sogenannter strukturellen Kompetenz – letztendlich um deren virtuell konstruierten Probleme zu lösen . Wenn man dann, wie in meinem Fall, nur noch Industriegelder einwirbt mit echter Arbeitsteiliger Forschung & Entwicklung wird’s ganz fatal, dann kommen die primitivsten Gefühlslagen der Herren und Damen zum erscheinen die man eher in der Gosse wähnt denn bei annähernd sozialisierten Menschen. In meiner Forschungsstätte (die im Übrigen eine Erhebliche Steuernachzahlung erwartet) ist es gängige Praxis die „guten“ Leute mit vielen Drittmitteln aufzunehmen, sich mit deren Projekten und internationalen Kooperationen zu schmücken aber tatsächlich platt zu machen. Wenn der Kollege dann ausgelaufen oder vergrault worden ist setzt man sich auf dessen Projekte, die dann höchstens noch ein halbes Jahr irgendwie über Wasser gehalten werden bis man sie aus Unfähigkeit aufgibt.
Zumidnest für die Vorlesungen externe Dozenten zu nehmen, wäre gar nicht mal so verkehrt, solange diese die Gelder, um sich bezahlen zu lassen nicht selbst einwerben müssen. An den ehemaligen Berufskademien und jetzigen Dualen Hochschulen wird das ja auch gemacht, damit man Leute aus der Praxis hat. Allerdings müßte dann die Vergütung dann deutlich besser werden.
@Steffen: Weil da die Denkweise erstmal ist, das die Leute Post-Docs machen (wie freiwillig, lasse ich mal offen). Mit häufig nicht viel besseren Bedingungen (finanziell), meistens aber immerhin sozial abgesichert. Das führt dann zur vielbeschworenen tollen beruflichen Mobilität. Und dazu, das sich Frauen die jenseits Mitte 30 sind und gerne Kinder haben wollen, nicht trauen, weil sie nicht wissen, ob und wie das funktioniert. Nicht toll.
Schlimm finde ich das insofern, weil Forschung nicht unwichtig ist – und durchaus Spass machen kann. Sofern die Bedingungen stimmen. Ich hätte nichts gegen eine Stelle im Mittelbau einer Universität (Professor will ich definitiv nicht werden) wo ich neben Forschung auch vernünftig Studenten ausbilden kann. Aber diese Stellen gibt es praktisch nicht mehr, aufgefüllt wurde da mit (billigen) Doktoranden. So werde ich meine Promotion noch abschliessen (das zusammenschreiben werde ich jetzt sicherlich nicht mehr sein lassen) und mir dann eine Stelle ausserhalb der Wissenschaft suchen. Was das wird, weiss ich nicht, mal schauen, was es so an Stellen und Möglichkeiten gibt.
ist dort wirklich dass konzept der ich-AGs gemeint, was so toll funktioniert hat, dass es in der normalen arbeitsvermittlung mittlerweile wieder abgeschafft wurde?
“So werde ich meine Promotion noch abschliessen (das zusammenschreiben werde ich jetzt sicherlich nicht mehr sein lassen) und mir dann eine Stelle ausserhalb der Wissenschaft suchen.” – Guter Plan. Mach ich genauso, allerdings hab ich die Stelle in der Wirtschaft schon fest. 🙂
Von solchen Situationen (selbstständige Forscher) sind wir nicht sehr weit entfernt. Ich komme aus den Biowissenschaften, eine Reihe von Kommilitonen haben für die Promotion Stipendien erhalten. Damit sind sie aus dem Katalog der normalen Sozialleistungen (Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung etc.) weitgehend raus, einige von denen haben nicht direkt nach auslaufen der Stipendien einen Anschlußvertrag bekommen, die konnten erstmal HarzIV beantragen. Ebenso toll ist das für Wissenschaftler die länger als 2-3 Jahr im Ausland waren, die fallen auch weitgehend durch das System. Die können nur noch hoffen, irgendwo in der Industrie unterzukommen, wenn sie es nicht anstreben das Glückspiel um eine Professur mitzumachen. Ich stehe vor einer Rückkehr (weil es in meinem Gastland mit Stellen noch schlechter aussieht) und ich weiss noch nicht, wie ich das mache.