Billige Arbeitssklaven
Interessanter Artikel auf SPIEGEL Online über die Probleme von Doktoranden.
10 Kommentare (RSS-Feed)
Aha.
Dieses Blog handelt seit Jahren von diesem Thema, und die Situation von Doktoranden wurde hier hinreichend und ausgiebig erläutert. Zumal ich es ja in meinem eigenen Fall auch ausgiebigst beschrieben habe.
Es ist tatsächlich so, daß das in Deutschland für die überwiegende Mehrheit der Doktoranden gilt, ich halbe viele solche Fälle erlebt und viele Zuschriften über solche Fälle bekommen.
Wie aber sollte man einen Artikel denn schreiben, daß er akzeptabel wäre? In einem SPIEGEL-Artikel 5.000 Fälle beschreiben?
Mir kommt diese Kommentar wirklich wie der Universitäts-Einheits-Reflex vor, alles, was einem im Ergebnis nicht gefällt, mit den Standard-Einwänden niederzumachen. Hat etwas keine Beispiele, sagt man, es ist nicht belegt. Hat etwas Beispiele, sagt man, das sind Einzelfälle, die kann man nicht verallgemeinern. Und differenzieren muß man – typisches Uni-Blabla, nach dem man immer alle Seiten so darstellen muß, daß am Schluß eine Nullaussage herauskommt, die Doktoranden selbst dran schuld sind und alle ruhig schlafen können. Die typische Taktik, unerwünschte Ansichten zu zerreden und im Grauschleier aufzulösen.
Es ist in Deutschland nun einmal so, daß das genau nach diesem Erpressungsschema läuft. Die Promotion in Deutschland ist nichts anderes als die Beschaffung von Billiglöhnern für die Unis. Das wird schon seit Jahren beschrieben, etwa in
http://www.zeit.de/1998/24/199824.billig.xml/seite-5 von 1998!
Ich habe Leute erlebt, die als Chemiker auf einer Drittel-Stelle (!) 60-80 Stunden die Woche, meist 7 Tage pro Woche arbeiten mußten, keinen Urlaub bekamen, bis zum bitteren Vertragsende, und wenn der Prof dann gnädig war, durften sie dann auf Sozialhilfebezug promovieren.
Ich bin Akademischer Rat seit einigen Monaten. Darüber bin ich sehr dankbar. Vor meiner erfolgreichen Promotion gab’s auch für mich lediglich eine halbe Stelle, bei Vollzeit arbeiten versteht sich von selbst. Die oben beschriebene Situation ist mehr als real, wenngleich es Tendenzen gibt, dass zumindest eine 2/3-Stelle anvisiert wird. So oder so, es bleibt in erster Linie Ausbeutung. Lediglich meine Leidenschaft zur Forschung hat mich die Jahre durchhalten lassen, weil das ganze “Spiel” schon sehr irrational und perfide ist. In meinem wissenschaftlichen Umfeld haben 4 von 5 Personen eine befristete Halbtagsstelle, deren Laufdauer meistens 3 bis 6 Monate umfasst. Gleichzeitig parken die Unis auf Millionen von Studiengebühren und lassen lieber sechs bereits vorhandene Halbtagsstellen wegfallen bzw. nicht mehr verlängern, um die Finanzierung einer neuen Professur zu gewährleisten.
Tja, aber auch das sind nur Beispiele. Wie gesagt, kenne ich diese auch und würde nicht behaupten, dass alles Friede-Freude-Eierkuchen ist. Dennoch ist eine einseitige Betrachtung anhand von Beispielen nicht zielführend. Nehmen wir doch das umgekehrte Beispiel: Ich arbeite bereits am zweiten (Informatik-)Lehrstuhl im deutschsprachigen Raum, ohne dass ich oder irgendeiner meiner Kollegen jemals erpresst worden wäre; selbiges gilt auch für Kollegen von anderen Lehrstühlen, mit denen ich zusammengearbeitet habe. Die Aussagekraft meines Beispiels ist weder höher noch geringer als das anderer Beispiele.
Jetzt stellt sich vielleicht die Frage, ob das Erpressungspotential in der Informatik höher oder geringer ist als in anderen Fachrichtungen – ich würde eher auf letzteres tippen. Denn in der Informatik haben wir seit 10 Jahren eher Probleme damit, die Stellen zu besetzen; wenn man als angehender Doktorand ein wenig aufpasst, ist es auch möglich, schon in der Bewerbungsphase gute von schlechten Doktorvätern zu unterscheiden. Ich kenne genügend Beispiele dafür, wo von vornherein der falsche Doktorvater gewählt wurde – trotz Warnungen meinerseits oder von anderer Stelle. Es liegt nicht immer nur am System, wenn Dinge nicht so funktionieren, wie Doktorand/Doktorandin sich das anfangs vorgestellt hat.
Noch einmal: Das heißt nicht, dass alles gut ist an den deutschen Universitäten. Schwarz-Weiß-Vergleiche sind dennoch nicht angebracht.
@heinz567: Was soll denn jetzt der Unfug: Es wurden hier nun wirklich über Jahre hinweg sehr viele Beispiele und – was wissenschaftlich wichtig ist – auch der kausale Zusammenhang beleuchtet.
Und dann soll als „Gegenbeispiel” ein „Ich arbeite bereits am zweiten Lehrstuhl” reichen? Im deutschsprachigen Raum?
Man sollte sich dringend abgewöhnen, von den Zuständen in Österreich auf die in Deutschland zu schließen. Das läuft in Deutschland ganz anders. Deutschland ist Korruptionsland.
Und nach meiner Erfahrung ist das Erpressunspotential in (deutscher) Informatik ganz extrem hoch. In Deutschland läuft da gar nichts mehr wie es soll. Ich beschäftige mich immerhin seit 14 Jahren mit dem Problem.
Lieber Hadmut, ich war lang genug in Deutschland beschäftigt, um mir selber ein Bild zu machen; inkl. meiner Erfahrungen als Student habe ich die Situation für Doktoranden auch nicht nur an einer deutschen Universität aus der Nähe betrachten “dürfen” (es gab z. B. gute Gründe dafür, warum ich nicht an der Universität promoviert habe, an der ich studiert habe). Wenn du allerdings keine zweite Meinung neben deiner eigenen hören willst, ändern meine Aussagen auch nichts.
Zweite Meinung?
Ich blogge seit inzwischen 6 Jahren darüber, wieviele andere Leute noch die diese Meinung haben. Und das sind ziemlich viele, inzwischen viele hundert, sicherlich über tausend, all die Zuschriften zusammengenommen. Und da kommst Du mit einer „zweiten” Meinung daher.
Bisher hast Du gar nichts begründet oder belegt, nicht mal richtig irgendwas behauptet, sondern einfach nur rumgemeckert, daß Dir die Meinung nicht paßt. Und jetzt kommst Du mit dem Argument daher, daß eine Meinung schon deshalb richtig sein und akzeptiert werden muß weil sie eine „zweite” (sprich: eine andere) ist. Das tönte auch vorhin schon aus deiner Forderung nach Differenzierung.
Du bist anscheinend so ein typischer Durchschnittsbrei-Wissenschaftler, der einfach alle bestehenden Meinungen zusammenrührt, bis der diplomatisch akzeptable Null-Durchschnitt rauskommt. Solche Leute gehen mir extrem auf den Wecker.
Als man vor zwanzig Jahren begann, Wissen als Rohstoff des 21. Jahrhunderts zu bezeichnen, war doch klar, in welche Richtung die Reise gehen würde. Wie erobert man die Gebiete, in denen diese Rohstoffe lagern? Wie presst man es aus den Eingeborenen heraus?
@Heinz: Nein, das ist leider nicht mehr nötig. In dem Beitrag sind zugegebenermassen die ganz krassen Fälle beschrieben die so grassieren, seit dieses Stipendienunwesen um sich greift. Doktoranden mit einem regulären Arbeitsvertrag sind dann zwar immerhin sozialversichert (eigentlich eine Selbstverständlichkeit und nichts, was man besonders hervorheben muss, finde ich)m ansonsten stehen sie aber auch nicht viel besser da. Sie haben genauso halbe Stellen wie die anderen, leisten dabei mindestens volle Arbeitzeit und betreuen nebenbei auch noch Kurse. Finanziell stehen sie meistens schlechter da als Stipendiaten, da sie Sozialabgaben zahlen, was insgesamt vorteilhaft ist, aber noch weniger Geld übriglässt.
Das Problem ist leider, das sich genügend Leute finden, die dieses Spiel mitmachen. Halbe Stellen sind an sich schon grenzwertig, aber 1/3 oder 1/4 Stellen sollten gar nicht mehr besetzt werden. Anscheinend funktioniert das aber doch.
Und das Problem mit den Doktoranden endet ja nicht mit der Promotion, danach geht das mit Postdocstellen auf einem ähnlichen Niveau weiter. Da werden zwar häufig noch volle Stellen gezahlt, ich halte es aber nur für eine Frage der Zeit, bis da auch nur noch halbe Stellen angeboten werden. Und nach Postdoc ist häufig Schluß, die Mittelbauebene unterhalb der Profs fehlt an den Unis mittlerweile mehr oder weniger völlig.
@Hollister: Herzlichen Glückwunsch. Du hast eine der wenigen Stellen bekommen, die es so gibt.
Exakt aus den Gründen, die im Artikel und von Hadmut Danisch mehrfach dargestellt werden, habe ich mich nach dem Abschluss (Informatik) trotz Angebot einer (halben, befristeten) Stelle gegen die Promotion entschieden – die Risiken, die Unprofessionalität und das Gemauschel samt dem Zwang, nach 3-4 Jahren dem Doktorvater/der Doktormutter nicht mehr klar sagen zu können, was Sache ist, wenn in absehbarer Zeit die Promotion erfolgreich beendet sein soll (für die ja immerhin eine nicht geringe Zeitspanne draufgegangen ist), waren mir gegenüber einer (unbefristeten) Industrie-Stelle mit mehr als doppeltem Gehalt (!) in einer sogar eher für diese Verhältnisse schwächeren Region ausschlaggebend.
Ich will ja nicht behaupten, dass für Doktoranden in Deutschland alles ideal ist. Aber dieser Artikel ist doch derbe einseitig geschrieben. Da nimmt man sich 6 unschöne Beispiele und suggeriert durch die Nennung der HIS-Studie, dass dies für alle/einen Großteil/die Mehrzahl der Doktoranden gilt. Eine etwas differenziertere Betrachtung (vielleicht auch mal unter Berücksichtigung der verschiedenen Fachrichtungen) wäre hier wirklich mal wünschenswert.