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Hasso-Plattner-Institut gegen die Meinungsfreiheit

Hadmut Danisch
7.6.2012 10:09

Heute stands in vielen Medien und sogar im Radio wurde es erwähnt: Die Schufa plant in großem Umfang, Daten aus Facebook, Xing, Twitter und anderen Netzwerken zur Bewertung der Bürger heranzuziehen und lässt die Ideen und Methoden beim Hasso-Plattner-Institut (HPI) entwickeln.

Quellen: z. B. Heise oder WELT.

Man will unter anderem Facebook-Kontakte und veröffentlichte Texte analysieren, um auf die Kreditwürdigkeit, Qualität des Arbeitsplatzes, Qualität der Wohnung von Leuten zu schließen, neue oder unbekannte Adressdaten herauszufinden, sie mit anderen Daten zu verknüpfen und so weiter.

Die Folgen dessen sind gesellschaftlich fatal: Man wird natürlich künftig alles, was man schreibt, wen man als seine Freunde angibt, danach ausrichten, ob es die eigene Kreditwürdigkeit heben oder senken könnte. Ein armer Schlucker in der Bekanntschaft? Wird nicht mehr erwähnt. Ärger mit dem Vermieter? Wird nicht mehr erwähnt, könnte ja auf Finanzprobleme schließen lassen. Die Meinungsäußerung degeneriert zum Self-Marketing. Hab ich Euch übrigens schon erzählt, daß ich letztes Wochenende mit 5 Millionären golfen war? So nach dem Motto.

Die Konsequenzen sind klar. Es werden die gleichen dubiosen Methoden aufkommen, die auch bei der Suchmaschinenoptimierung entstehen. Künstliche Verlinkungen, Vollstopfen der Seiten mit Buzzwords usw. Derzeit fragen bei mir 1-3 Leute pro Woche an, ob man nicht irgendwelche Linktauschorgien machen könnte oder ob ich nicht für Geld irgendwelche Werbung einblenden oder fremdgeschriebene Artikel in mein Blog packen will. In den Kommentaren tauchen immer häufiger faule Einträge auf, die von Bots erzeugt werden. Forscht man nach, kommt man auf dubiose Anbieter, die über eBay Suchmaschinenoptimierung anbieten, indem sie auf x-tausend Webseiten per automatisiertem Kommentar Links auf die Seite des Auftraggebers hinterlassen.

Es wird nicht lange dauern, dann wird es Anbieter geben, die einem die Schufa-Optimierung der Webseite anbieten, was auch immer dabei passieren wird. Man wird in Foren jede Menge fragwürdiger Hinweise und Empfehlungen finden. So etwa wie der Hinweis auf irgendeine Gerichtsentscheidung, wonach man für Links haftet wenn man nicht einen Disclaimer reinpackt, wonach man sich von seinen Links distanziert. Juristischer Quatsch, aber Internet-Folklore. Daran sieht man, wie solche Gerüchte die Darstellung von Webseiten und Meinungen beeinflussen können. Es reicht also schon, wenn das Gerücht umgeht, irgendein Inhalt würde den Schufa-Score beeinträchtigen oder verbessern. Ganz übel.

Eine andere Folge ist, daß die Leute, wenn sie kritische politische Meinungen äußern, künftig verstärkt Pseudonyme verwenden oder anonym posten werden. Das aber wäre ein drastischer Qualitäts- und Wirkungsverlust. Ich halte eigentlich nicht viel von anonym oder pseudonym geäußerter Kritik, und vielen anderen geht es ebenso. Mit dem Schufa-Druck geht also ein Wertverlust der Meinungsäußerung einher. Die namentlich geäußerte Meinung wird nach dem Kriterium der Kreditwürdigkeit ausgerichtet, und die ehrliche Meinung durch Pseudonym entwertet.

Man könnte natürlich auch zynisch denken und vermuten, daß gerade das der Zweck ist. Daß es gar nicht so sehr um den Schufa-Score geht, sondern daß da einfach die politische Absicht steht, kritische und abweichende Meinungsäußerungen im Internet zu reduzieren, zu zügeln. Schlichte Angstmacherei.

Wenig überraschend ist, daß sich das Hasso-Plattner-Institut dafür hergibt. Wer mein Blog verfolgt weiß, daß ich das HPI für einen ziemlichen Saftladen halte, eine Schande der Informatik. Und ausgerechnet die mischen federführend bei der IPv6-Einführung mit und beraten die Politik. Da kann man ja sehr deutlich sehen, in welche Richtung das geht. Gerade weil IPv6 hochgradig datenschutzrelevant ist, dürfte da ein deutlicher Interessenkonflikt entstehen. Widerlich. Einfach widerlich.

Und es zeigt mal wieder, daß Qualität nicht entsteht, indem irgendein selbstherrlicher Milliardär Geld über einer Universität auskippt. Mit Geld fängt man Wissenschaftler. Mit viel Geld fängt man … [verkneif ich mir jetzt, sonst bekomm ich am Ende kein Handy oder keine Kreditkarte mehr].

13 Kommentare (RSS-Feed)

der andere Andreas
7.6.2012 11:16
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eigentlich nur konsequent, es wird ja auch seit geraumer zeit gewarnt nicht allzu freizügig mit seinen öffentlichen posts umzugehen, weil der derzeitige oder zukünftige arbeitgeber dies evtl. nicht mögen könnte.

wenn mans positiv sehen möchte tut sich damit für die sozialennetzwerke natürlich ein neues geschäftsfeld auf. außerdem bieten sie dann auch allen bisherigen verweigeren einen echten mehrwert…

ob die eingeschlagene richtung im sinne des ursprünglich gepriesenen effektes liegt hat auch schon bei den angesprochenen suchmaschienen die masse irgendwann nicht mehr interessiert und alle arrangieren sich mit dem jeweiligen status quo.


Hadmut Danisch
7.6.2012 11:20
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Konsequent ja. Aber eben mit der Nebenwirkung, daß alles, was man irgendwo äußert, das Risiko einer unmittelbaren negativen Auswirkung hat.

Das hat man zwar im wahren Leben auch. Wenn ich mich in der Firma hinstelle und Quatsch daherrede, ist meine Reputation auch im Eimer. Aber da bin ich in der Lage, die Wirkung vorher abzuschätzen und mir zu überlegen, was ich wie wo sage. Bei dem, was die da vorhaben, kann man das nicht mehr abschätzen.


georgi
7.6.2012 12:05
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Noch fataler: Wenn man in Zukunft immer noch nichts über mich findet, bei Twitter, Facebook oder sonstwo, weil ich mich weigere, einen account anzulegen, weil ich den einfach nicht haben will, dann handele ich mir Nachteile ein, weil man mich dann nicht einschätzen kann, und “geheimnisvolle Fremde” generell als wenig vertrauenswürdig gelten. Bei email-Absendern ist das ja schon so. Von Leuten, die man nicht kennt, erwartet man ja auch schon längst, daß deren emails böse Dinge den IT-Systemen antun.


anonym
7.6.2012 13:02
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HF
7.6.2012 15:22
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Ist es wirklich sicher, dass dieses Mehr an Daten zu höheren Gewinnen bei den Kreditgebern führt? Zur Zeit findet man Korrelationen zwischen Facebook-Merkmalen und Kreditausfallwahrscheinlichkeit. So what? Diese Daten beziehen sich ausschliesslich auf die Vergangenheit, die Möglichkeit, dass sich Menschen verändern oder nach viel Blödsinn doch noch eine gute Idee haben kommt in diesen Daten nicht vor. Ausserdem gibt es diese Daten noch nicht lange, wie will man vermeiden, einer zufälligen Fluktuation aufzusitzen? Ich gehe mal davon aus. dass die ML-Experten all diesen Schwierigkeiten gewachsen sind.


Hanz Moser
7.6.2012 17:54
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@ Hadmut
“So etwa wie der Hinweis auf irgendeine Gerichtsentscheidung, wonach man für Links haftet wenn man nicht einen Disclaimer reinpackt, wonach man sich von seinen Links distanziert. Juristischer Quatsch, aber Internet-Folklore.”

Google mal nach Kompa und Klehr. Du haftest als intellektueller Verbreiter in Hamburg sogar, wenn du auf eine Reportage eines ÖR Senders verlinkst. (Lies den Urteilstext, auf den Embedd kam es nicht an.)
Natürlich hält das nicht bis zum BGH und wir können über die Probleme des Rechtswegs diskutieren etc etc

Was die Geschichte mit Facebook und Co angeht:
D’accord.
Ich sehe zwar in Anonymität und Pseudonymen kein so großes Problem, aber natürlich ist es ein Problem, wenn man nur noch so Kritik äußern kann ohne direkte persönliche Nachteile zu befürchten.

Ich glaube unabhängig davon wird es noch zwei weitere Probleme geben.
Einmal den schon angesprochenen inoffiziellen Zwang zu Social Media. Wenn bisher fehlendes in Erscheinung treten nicht so schlimm war, weil man ja nur (Finanz)geschäfte betrachtet hat, dürfte das in Zukunft eher negativ sein.
Zudem glaube ich, dass sowas soziale Netzwerke erheblich entwerten könnte. Ein Freund von mir ist Hauptschüler, kifft viel und sieht auch so aus. Trotzdem ist er nicht dumm und ich schätze ihn sehr. Wenn ich einen Facebookaccount hätte, würde ich ihn noch hinzufügen, oder damit warten bis zu künstlich erscheinende Profile abgewertet werden?
Überhaupt dürfte das den Aspekt auf dem Wege neue Kontakte zu Leuten zu knüpfen, die man noch nicht kennt und vielleicht anders nie kennen gelernt hätte, stark einschränken. Ich will ja nicht meine Kreditwürdigkeit gefährden und woher weiß ich denn, ob irgend so ein Kerl nicht sogar in der Klasse Kreditbetrüger bei der Schufa geführt wird…

Ich bin mal gespannt wie die Netzwerke selbst darauf reagieren. Für die dürfte das eine Abwägung zwischen Geld und Geschäftsgefährdung sein. Die wollen für die Erlaubnis des Crawlens sicher ihren Obulus haben, dürften aber andererseits auch sehen, dass das auch seine Schattenseiten hat.


Hadmut Danisch
7.6.2012 18:03
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@Hanz: Natürlich haftest Du. Das meinte ich auch nicht. Ich meinte, dass einem der Disclaimer dabei nichts hilft (sondern im Einzelfall sogar noch schaden kann), das Anbringen des Disclaimers als Folklore.


dasuxullebt
8.6.2012 2:29
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Die Schufa ist sowieso eine Gesellschaft, die bisweilen doch recht dubios rüberkommt. Dass das was die machen überhaupt erlaubt ist, ist finde ich schon bedenklich. Ich kann ja verstehen, dass Banken und Geschäfte sich vernetzen, um zu verhindern, über den Tisch gezogen zu werden, aber dass wirklich solche Sachen zentral gespeichert werden, sehe ich sehr kritisch. Sobald man dann aber wirklich massives data mining betreibt, hört bei mir der spaß aber auf, das sollte ihnen wirklich verboten werden.

Aber solange die Juristen weiter in der von ihnen konstruierten Parallelwelt leben, wird sich da wenig tun.


hck
8.6.2012 14:46
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Hadmut Danisch
8.6.2012 14:47
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Ja, gerade beim Heise Newsticker gelesen.

Ich grüble aber noch, was ich darüber meinen soll.


Von wegen
8.6.2012 15:56
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Da ist noch gar nichts vorbei. Oder glaubt irgend jemand ernsthaft, dass eine Organisation wie die Schufa so schnell klein beigibt? Die lernen aus ihrer Unvorsichtigkeit – und machen im Verborgenen einfach weiter (per Verträgen mit Verschwiegenheitsklausel; mit anderen Instituten, die weniger mitteilsam sind; etc.).

Das einzige, was mich als Nicht-Facebook-Mitglied beunruhigt: Irgendwann (recht bald wohl) wird man sich verdächtig machen (und damit ganz konkrete Nachteile erfahren, etwa die Nicht-Gewährung eines Baukredits oder einer Krankenversicherung), wenn man mit seinen privaten Daten in der Öffentlichkeit sparsam umgeht.


Hadmut Danisch
8.6.2012 16:02
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Jeder ist verdächtig.

Nur die Gründe variieren.


anonym
15.6.2012 14:06
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Ich nehme mal an, dass HPI hat hier tatsächlich schon Tests durchgeführt — und damit gegen die AGB von Facebook verstoßen.

Da wären sie auch nicht die ersten, die meisten verheimlichen das in ihren Papers dann nicht einmal …