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Korruption aufdecken

Hadmut Danisch
31.10.2009 0:34

Fachwissen, Rechere-Techniken und Analysen für Journalisten – Konferenzbericht

Daß ich gerade etwas wortkarg bin liegt daran, daß ich auf Reisen und beschäftigt bin. Ich bin auf der Fachkonferenz des netzwerk recherche Korruption aufdecken in der Evangelischen journalistenschule in Berlin, um neue Ermittlungsmethoden zu erlernen und mal zu hören, was Fachanwälte, Staatsanwälte, Großkonzerne, Journalisten so über ihre Aufklärungstechniken und Erkenntnisse zur Korruption zu berichten haben. Tag 1 war schon mal sehr interessant.

Beispielsweise gab es ein Infoblatt der TAZ über Auskunftsrechte und wie man sie durchsetzt.

In den Vorträgen wurde soviel wertvolle Information rübergegeben, daß ich mich kaum zwischen Zuhören und mitnotieren entscheiden konnte.

Es gab wohl mal in den USA den berüchtigten Marshmallow-Test. Man setzte Kinder in ein Zimmer und legte ihnen ein Marshmallow hin. Dann erklärte man ihnen, daß sie ein zweites Marshmallow dazubekämen, wenn das erste in 20 Minuten immer noch unberührt dalänge und ließ sie 20 Minuten damit allein. Nach 20 Minuten notierte man, ob die Kinder das Marshmallow gegessen oder der Versuchung widerstanden hatten. Dann wartete man 30 Jahre und überprüfte die Karrieren. Alle die, die das Marshmallow unberührt gelassen hatten bis sie das zweite bekamen, hatten deutlich bessere Karrieren hingelegt.

Als Motivation für Journalisten wurde auch die Mitverantwortung der Mutlosen angesprochen: „Wer schweigt, stimmt zu.“ (Falls mal wieder jemand fragt, warum ich das hier eigentlich mache…)

Übrigens scheint Korruption ein überwiegend männliches Phänomen zu sein. (Ich würde wetten, daß die Frauen sich da auch noch durchsetzen. Es ist ja bekannt, daß Frauen inzwischen auch genauso schlecht und rücksichtslos Auto fahren wie Männer.)

Beängstigend ist die Situation in der Strafverfolgung. 75% der Strafanzeigen im Wirtschaftsstrafrecht werden eingestellt. Gründe sind auch die unzureichende personelle und technische Ausstattung. So wurde beklagt, daß viel zu wenige Fahnder und viel zu wenig technische Austattung besteht, und der Staat dort offenbar falsche Schwerpunkte setzt.

Wenn beispielsweise irgendwo irgendwelche Leute randalieren, dann hat die Polizei genug Geld und Technik, um drei Hubschrauber darüber schweben zu lassen. Die Korruptionsfahnder hingegen hatten bis vor kurzem nicht mal Computer und mußten Zahlenlisten zum Aufaddieren zur Polizei versenden. Irgendwo haben sie tatsächlich noch Büromöbel aus der Kaiserzeit im Einsatz. Es wurde auch so ausgedrückt, daß die Fahnder mit der Postkutsche dem Porsche hinterherzufahren versuchen. Man kann sich für wenig Geld einen „vierstöckigen Konzern“ kaufen, den die Fahnder nicht mehr durchdrüngen können. Vierstöckig heißt, daß das über vier verschiedene Holdings und Mutterkonzerne in verschiedenen Inselstaaten so verschränkt und verteilt wird, daß man die Schmiergeldgeschäfte mit den Mitteln deutscher Fahnder nicht mehr durchdringen kann. Es gibt Dienstleister, die einem das gegen kleines Geld und einen Stapel Unterschriften innerhalb weniger Tage einrichten und beschaffen.

Eine Einschätzung (die meine eigenen Beobachtungen exakt entspricht) eines Staatsanwaltes war, daß das Strafrecht nur noch für dumme und einfache Bevölkerungsschichten gemacht ist und die oberen Bevölkerungsschichten außen vor läßt. Die Straftaten der unteren Bevölkerungsschichten verfolgt man mit äußerster Schärfe, während den obersten Bevölkerungsschichten meist gar nichts passiert und in den wenigen Ausnahmefällen jedenfalls nichts, was weh tut. (Was meine Einschätzung bestätigt, daß das komplette deutsche Strafverfolgungssystem von korruptem politischem Einfluß blockiert wird – Deutschland als Korruptionsspielplatz der oberen Bevölkerungsschicht.)

Ein Kommentar (RSS-Feed)

Stefan W.
31.10.2009 2:42
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Tja – der Marshmallowtest wurde auf Video aufgenommen und zu Vimeo hochgladen – ja, die kompletten 30 Jahre: http://www.stefan-niggemeier.de/blog/wolkig/

Irgendwie schwer zu glauben, daß die Forscher im Alter von 25 Jahren ein Experiment starten, und dann nicht 20 Minuten, sondern 30 Jahre warten, um mit 55 Jahren die Früchte zu ernten.
Das Experiment hat übrigens auch gezeigt, daß 50% der Forscher dann doch noch Zahnarzt geworden ist – die sadistischen Tendenzen ließen sich da besser ausleben.

🙂