Urteil des VG Freiburg zur Akteneinsicht des Prüflings
Ein interessantes Urteil ist veröffentlicht worden, das das Recht des Prüflings stärkt, Fotokopien aus der Prüfungsakte zu fertigen.
Besten Dank wieder an den Leser, der mir den Link zugesandt hat.
Dabei überrascht weniger das Urteil selbst, denn daß der Prüfling das Recht auf Akteneinsicht hat und daß seine Rechtsverfolgung es notwendig macht, daß er Kopien anfertigt, ist eigentlich nicht neu. Dazu gibt es bereits mehrere Entscheidungen, und ich habe die damals (2000) selbst gegen die Uni Karlsruhe durchsetzen müssen (und können). Es erstaunt eher, daß heutzutage solche rechtsstaatlichen Selbstverständlichkeiten (und längst geklärte Rechtsfragen) überhaupt noch vor Gericht durchgesetzt werden muß.
Zwar steht im Urteil nicht drin, gegen wen das Urteil erging, aber nachdem es um den “Geprüften Industriemeister – Fachrichtung Metall” geht, wird es wohl nicht die Uni gewesen sein. Schade eigentlich, denn schon öfters haben mir Studenten berichtet, daß ausgerechnet die Jura-Professoren der so bekannten und hoch angesehenen juristischen Fakultät den Prüflingen ihre Grundrechte verweigern. Zu gerne stelle ich die Frage, wieso ein Professor, der als Beamter, Staatsgewalt und Grundrechtsverpflichteter in dieser Weise Grundrechte von Prüflingen verletzt, geeignet und befähigt sein soll, Recht zu lehren – besonders wenn es um Staats- und Verfassungsrecht geht. Da es aber um das VG Freiburg geht, hat das jedenfalls auch Auswirkungen auf die Uni Freiburg.
Wie auch immer, es geht um Akteneinsicht. Der Prüfling konnte hier im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine einstweilige Verfügung erwirken, die ihm gestattet Kopien anzufertigen, die er für den Rechtsstreit gegen die Prüfungsbehörde braucht.
Bemerkenswert daran ist, daß sich die Prüfungsbehörde hier offenbar auf § 44a VwGO gestützt hat, wonach solche einzelnen Verfahrenshandlungen nur zusammen mit der Anfechtung des Verwaltungsaktes angegriffen werden können. Eine reichlich fiese Argumentationsweise, die mir aber auch schon öfters begegnet ist. Sie bedeutet, daß der Prüfling ohne Kenntnis bzw. Kopien der Akten Klage erheben soll, was in der Praxis die Sache erheblich erschwert bis vereitelt. Selbst wenn sich der Prüfling bei der Akteneinsicht seitenweise handschriftliche Notizen macht, hätten die kaum Beweiswert. Auch würde der Prüfling damit ein hohes Prozessrisiko eingehen, wenn er erst mit dem Gewinn des Verfahrens (und darauf liefe es hinaus) die Unterlagen bekommt, die er bräuchte, um seine Klage zu begründen oder überhaupt die Aussichtsschancen zu prüfen. Die Prüfungsbehörde mutet den Leuten hier zu, quasi im Blindflug und auf eigenes Risiko ins Blaue hinein zu klagen. Gerade solche Klagen ins Blaue hat der Bundesgerichtshof (in vergleichbarer Situation beim Konkurrentenrechtsschutz) aber als unzumutbar eingestuft. Immer öfter habe ich aber den Eindruck, daß man in Deutschland die Mängel von Prüfungsverfahren dadurch kaschieren will, daß man die Gegenwehr unzumutbar erschwert.
Es ist auch unlogisch, denn vor dem Gerichtsverfahren (und damit bevor der Prüfling die Akteneinsicht im Hauptverfahren durchsetzen kann) soll ja das Verfahren des Überdenkens stattfinden, zu dem der Prüfling wirkungsvolle und sachdienliche Hinweise liefern muß. Wie sollte er das vor einem Gerichtsverfahren tun können, wenn er doch nach Auffassung der Prüfungsbehörde die Akteneinsicht erst im Hauptstreit und damit erst nach bzw. in dem Gerichtsverfahren durchsetzen kann? Das Gericht hat das in Absatz 11 aufgegriffen.
Auch hat die Prüfungsbehörde hier vorgetragen, daß die Unterlagen urheberrechtlich geschütztes Material enthalten würde. (Haben die bei mir damals auch versucht.) Das ist natürlich grober Unfug, dem Grundrechtsträger den Rechtsschutz zu verweigern, weil der Beamte urheberrechtlich geschützt sei. Der erfüllt seine Dienstaufgaben. Es sagt aber viel über die Mentalität, die den Prüfer und nicht den Prüfling im Mittelpunkt steht. Die Prüfung als Selbstverwirklichung des Prüfers.
Ein paar Fehler hat sich hier allerdings auch das VG Freiburg erlaubt, und zwar in Absatz 10. Der Vorschlag, auf dunkelrotes Sicherheitspapier zu kopieren, ist veraltet, denn das funktioniert nur bei den alten analogen Kopierer. Moderne Digitale (Farb-)Kopierer oder Scanner sollten damit überhaupt kein Problem haben. Im Rot-Kanal müßte das prima rauskommen. Auch der Vorschlag, daß die Kopien nur der Anwalt und nicht der Prüfling bekommt, ist rechtsfehlerhaft, denn im Widerspruchsverfahren, Verfahren des Überdenkens und vor dem Verwaltungsgericht gilt keine Anwaltspflicht. Deshalb darf der Prüfling ohne Anwalt nicht gegenüber dem Prüfling mit Anwalt benachteiligt werden, zumal es dem Prüfling wieder ein Kostenrisiko (Anwaltshonorar) zumutet. So würde man also durch die Hintertür eine Anwaltspflicht einführen. Außerdem ist der Anwalt in der Regel auch nur Jurist und nicht Fachmann auf dem Prüfungsgebiet. Würde der Prüfling keine Kopien bekommen, wäre der Rechtsschutz auch dadurch erheblich erschwert. Zumal es ja dem Prüfling freisteht, eigene Sachverständige und alternative Gutachten einzuholen. Der Prüfling muß also das Recht haben, die Akten auch weiterzugeben.
Die Auffassung der Prüfungsbehörde ist damit überaus dubios und wurde zurecht abgewiesen.
Ich bin immer wieder erstaunt darüber, was für Leuten man in Deutschland das Prüfen gestattet.