Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Die Vergeltung des Bundesverfassungsgerichts

Hadmut Danisch
30.6.2010 21:31

Am Sonntag, 27.6.2010, hatte ich einen kritischen Artikel über das Bundesverfassungsgericht geschrieben. Postwendend habe ich heute die Reaktion des Bundesverfassungsgerichts erhalten, die man durchaus als Strafaktion verstehen kann. [Update unten]

Am Sonntag abend hatte ich in einen Fall beschrieben, in dem sich eine Patientin gegen Vorgänge am Universitätsklinikum Freiburg wehrte. Wegen Verfahrensfehlern am Landgericht Freiburg hatte sie Verfassungsbeschwerde erhoben und dabei den Verfassungsrichter Voßkuhle wegen Befangenheit abgelehnt, weil er erstens Professor in Freiburg ist, zweitens dort Rektor und damit Verfahrensbeteiligter war und drittens mit der Vizepräsidentin des Landgerichts verheiratet ist. Voßkuhle selbst hatte die Ablehnung als unzulässig hingestellt und – unter Mitwirkung der Richter Mellinghoff und Lübbe-Wolff – die Verfassungsbeschwerde verworfen.

Heute bekam ich nun selbst einen Beschluß des Bundesverfassungsgerichts. Von denselben Richtern, Voßkuhle, Mellinghoff und Lübbe-Wolff. Ausgefertigt am 29.6.2010.

Zwar datiert der Beschluß schon auf den 21.6.2010, also 5 Werktage vor meinem Blog-Artikel. Daran habe ich aber gewisse Zweifel. Denn die Ausfertigung erfolgte am Dienstag, also etwa 35-40 Stunden nach meinem Artikel. Das wäre ein sehr kurioser Zufall. Und ich habe zu oft miterlebt und beobachtet, wie an deutschen Gerichten an Daten, Protokollen usw. gedeichselt und geschoben wird. Solange der Beschluß nicht ausgefertigt ist, liegt er in der Regel nur als kurze handschriftliche Notiz in den Akten des berichterstattenden Richters vor. Und was der als Datum draufschreibt ist nicht nachprüfbar. Ausgefertigt wurde der Beschluß aber erst am Dienstag nach meinem Blog-Artikel und damit erst 9 Tage nach dem angeblichen Beschlußdatum.

Außerdem, und das läßt bei mir die meisten Zweifel aufkommen, ist das nicht das erste Mal. Ich hatte vor etwa 12 Jahren schon einmal in einer gänzlich anderen Angelegenheit eine Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil des Bundesgerichtshofs erhoben, die jahrelang beim Verfassungsgericht herumlag. Einige Jahre später habe ich die erste Verfassungsbeschwerde in meinem Uni-Streit erhoben. Irgendwann habe ich durch einen kuriosen Zufall bei einer Akteneinsicht völlig unerwartet – es ging um etwas ganz anderes, ich hätte nie mit einem Zusammenhang gerechnet – eine bemerkenswerte Verbindung zwischen einer Verfassungsrichterin und der Verfahrensgegnerin entdeckt. Und daraufhin habe ich die Richterin wegen Befangenheit abgelehnt. Aus ganz sachlichen und objektiven Gründen. Auch das hat man mir übel genommen:

An einem einzigen Tag, dem 1.8.2003, habe ich vier verschiedene negative Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts erhalten, obwohl die Verfahren sachlich und rechtlich überhaupt nichts miteinander zu tun hatten und zwischen der Einlegung der Beschwerden Jahre und die Beschwerden bei verschiedenen Senaten lagen. Schon das wäre ein so großer Zufall, daß es kein Zufall mehr sein kann. Eine der Entscheidungen war die ablehnende Entscheidung bezüglich der Befangenheit der Richterin, die dann noch am selben Tag in der Sache die Verfassungsbeschwerde verworfen hat. Also eine ostentative Demonstration, wie man auf Ablehnungen wegen Befangenheit reagiert. Dabei gründete sich die Ablehnung nicht einmal auf ein richterliches Fehlverhalten im Dienst, sondern auf außerdienstliche persönliche Verhältnisse, also keinen unmittelbaren Vorwurf.

Deshalb glaube ich hier nicht, daß das Datum des Beschlusses stimmt. Das Datum der Ausfertigung dürfte vielmehr das zutreffende Datum und der Beschluß eine Reaktion auf meinen Blog-Artikel sein.

Worum geht es?

Die Universität Karlsruhe hat von SAP-Milliardär Hans-Werner Hector eine Stiftung über 200 Millionen Euro erhalten, die sogenannte Hector-Stiftung. Daraus wird ein jährlicher Erlös von etwa 5 Millionen Euro ausgeschüttet und dazu verwendet, die – ohnehin schon üppigen und zur lebenslangen Beamtenstellung hinzukommenden – Professorengehälter nochmal gewaltig aufzupeppen.

Das ist hochgefährlich. Deutschland ist laut seiner Verfassung und ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Grundsätzen des Beamtenwesens verpflichtet. Und diese setzen zwingend voraus, daß der Beamte vom Staat versorgt und unabhängig ist. Deshalb bekommen Beamte deutlich höhere Pensionen als Normalbürger mit gleichem Einkommen. Und deshalb sind private Zuwendungen an Beamte verboten und werden – je nachdem ob mit einem Verstoß gegen Dienstpflichten verbunden oder nicht – als Bestechung und Bestechlichkeit oder Vorteilsgewährung und -annahme mit Gefängnis bestraft. Das macht der Staat nicht freiwillig, sondern folgt aus der Pflicht, Beamte unabhängig zu halten.

Nun hat der Hochschulbereich eine Sonderstellung in Deutschland. Man enthebt Professoren jeder Rechts- und Disziplinaraufsicht und überschüttet sie ohne jede nähere Kontrolle mit Steuergeldern. Die deutschen Professoren liegen bei ihren Einkommen hinter Schweiz und USA weltweit auf Platz 3, und wie mir kürzlich ein Professor verriet, können deutsche Professoren mit allen Zulagen usw. auf bis zu 180.000 Euro Jahresgehalt kommen. Dazu kommen Beamtenvergünstigungen, Unkündbarkeit, Pension, Befreiung von Sozialabgaben, Rentenversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung usw., Steuervorteile, manchmal vergünstigte Dienstwohnungen, fette Nebenverdienste, freie Zeiteinteilung, praktisch fast keine Dienstpflichten, Spesen, Drittmittel, üppige Reisen und die Möglichkeit, Universitätsinfrastruktur und -einrichtungen zu nutzen.

Das hat noch nicht gereicht. Man wollte noch mehr Geld, nochmal dick obendrauf. Katalysator war die CDU. Die dann auch vorschlug (BT-Drucksache 15/4144), Professoren von den Korruptionsstraftaten auszunehmen, damit die so richtig Geld ranschaffen können. Der Vorschlag kam – natürlich – aus Baden-Württemberg, wo man Korruption für eine Tugend hält.

Woher aber nehmen? Der Staat ist pleite.

So kam dann – wieder in Baden-Württemberg – die Hector-Stiftung zustande. Hans-Werner Hector, der vorher schon spendabel war, schenkte der Universität mal eben 200 Millionen Euro, mit der man den Professoren dicke Zulagen zahlen konnte.

Das Problem daran: Das ist illegal. Oder war es.

Mit dem damaligen Vorschlag ist die CDU gewaltig gegen die damalige Regierung rot/grün gerannt. Der Grünen-Politiker und Strafrechtsjurist Jerzy Montag hatte das damals abgelehnt. Als dann die CDU dran war, hat man so ganz heimlich still und leise, so ganz unaufällig, ohne daß irgendwer das mitbekommen hat, ganz geringfügige Änderungen an Gesetzen vorgenommen, dem Bundesbesoldungsgesetz und dem Landesbesoldungsgesetz von Baden-Württemberg. Würde man das so lesen, würde einem kaum auffallen, was da passiert ist. Nur weil ich beim Regierungspräsidium Karlsruhe wegen der Rechtsgrundlage dieser Zahlungen nachgebohrt habe, kam das heraus. Man hat private Zahlungen an Professoren legalisert. Und damit die Forschungs- und Wissenschaftskorruption. Natürlich nur bei Professoren. Ein Polizist käme dafür in den Knast, wenn er sich privat bezahlen läßt.

Und was noch schlimmer ist, daß die Zahlungen nicht veröffentlicht werden müssen. Man hat überhaupt keine Möglichkeit mehr herauszufinden, wer auf wessen Zahlungsliste steht. Und weil beispielsweise im Medizinbereich das ganze System aus Studien und Gutachten schon von Korruption durchseucht ist, die bisher illegal war, wird das jetzt richtig böse. Die Professoren werden dann als objektive Wissenschaftler hingestellt werden aber auf der Gehaltsliste von Konzernen stehen. Und da wundern wir uns, daß die Gesundheitskosten explodieren. Korruption als Staatsprinzip.

Dagegen habe ich Verfassungsbeschwerde erhoben. Und meine Betroffenheit – Voraussetzung einer Beschwerde – mit meinem Universitätsstreit um Schmiergelder usw. und der Tatsache begründet, daß mir einer eine Professor vor der Nase weggeschnappt hat, der aus privater Hand 100.000 Euro zugeworfen bekam, was bei der Universität entsprechende Gier auslöste. Wenn bei Berufungen nicht nach Art. 33 II GG der beste ausgewählt wird, sondern es nur noch nach dem Schmiergeldprinzip geht, ist eigentlich alles verloren.

Und wenn einer bei der Universität einen Sack Geld abliefert, dann kann er sich sowieso wünschen, was er will. So nimmt der Titelhandel massiv zu, und es wird inzwischen ganz offiziell die Auffassung vertreten, daß eine Geldzahlung eine einer wissenschaftlichen Leistung gleichstehende promotionswürde Leistung sei. Packt man das mit dem jetzt legalisierten Geldfluß zusammen, dann sind wir bei der totalen Gefälligkeitswissenschaft angekommen.

Wissenschaftlich wahr ist, wofür man zahlt. Je mehr Geld, desto mehr wahr (siehe medizinische Studien).

Wissenschaftlich unwahr wird, wofür man nicht genug zahlt (siehe mein Promotionsverfahren). Gelesen und bewertet wird nicht mehr das Paper oder die Dissertation, sondern der Kontoauszug. Die Bewertung hängt vom Betrag ab.

Korruption extrem.

Einer so weitgehenden Diskussion hätte es nicht einmal bedurft. Solche Zahlungen sind nach der bestehenden (und selbst bindenden) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verboten. Aus genau diesem Grund hat das BVerfG beispielsweise die Verbeamtung auf Zeit verboten. Weil das Versorgungsprinzip gilt. Der Beamte muß von Dritten vollständig unabhängig gehalten und deshalb bis ins Grab alimentiert werden. Das war strikte und ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

Jetzt aber wollen sie das nicht zur Entscheidung annehmen(Beschluss).

Und wieder stellt sich die Frage, ob Voßkuhle daran hätte teilnehmen dürfen. Denn er ist Professor und war Rektor der Uni Freiburg, und die sind auch eine Baden-Württembergische Universität, und die wollen auch Geld haben. Die sind auch auf solche Stiftungen scharf, und wer weiß, vielleicht haben sie sie schon. Wer weiß schon, wieviele Professoren in Freiburg, in Voßkuhles Freundes- und Kollegenkreis da schon Geld bekommen? Wird ja nicht öffentlich. Vielleicht am Ende sogar Voßkuhle selbst?

Die Hochschulrektoren haben jedenfalls die Privatfinanzierung vorangetrieben, und gerade in der Zeit, in der das gebastelt und vorbereit wurde, war Voßkuhle selbst Rektor in Freiburg. Und es würde mich gar nicht wundern, wenn er – gerade als Jurist – sich für diese Zahlungen eingesetzt hat, oder vielleicht sogar mit Rechtsgutachten unterfüttert hat. Vielleicht hätte er sich selbst für verfassungswidrig erklären müssen um die Beschwerde anzunehmen.

Das mag vielleicht in gewisser Hinsicht spekulativ sein. Nicht spekulativ ist jedenfalls, daß nach dem Hochschulgesetz von Baden-Württemberg der Universitätsrat der Universität Karlsruhe einer solchen Stiftung und solchen Zahlungen zustimmen muß. Und in diesem Rat sitzt die Verfassungsrichterin Hohmann-Dennhardt. Die muß also an dieser Genehmigung beteiligt gewesen sein.

Hätte das Bundesverfassungsgericht meine Beschwerde zur Entscheidung angenommen, hätte es die Entscheidung begründen müssen und hätte – vor dem Hintergrund der bestehenden Rechtsprechung – kaum eine Rechtfertigung der Zahlungen liefern können. Damit aber hätte man einer Verfassungsrichterin bescheinigt, daß sie sich außerdienstlich an verfassungswidrigen Umtrieben beteiligt.

Und das durfte natürlich nicht passieren.

Das Ergebnis ist, daß jetzt private Zahlungen an Beamte legalisiert wurden. Und damit einer der von der Verfassung vorgesehenen Grundbausteine unseres Staates, das unabhängige Beamtentum, massiv durchlöchert wird. Die Wissenschaft wird damit erst richtig und tiefgreifend einer ebenso gewaltigen wie unsichtbaren Korruption preisgegeben.

Glaubwürdig sind beide nicht mehr, weder Bundesverfassungsgericht noch Wissenschaft.

(Bitte an die Leser: Wer Hinweise darauf hat, ob die Uni Freiburg ebenfalls solche Zahlungen erhält oder sich für solche Privatzahlungen eingesetzt hat, bitte an mich.)

[Update:] Per Google gefunden: Voßkuhle sitzt im Kuratorium der Neuen Universitätsstiftung Freiburg. Zwar steht in deren Satzung (noch?) nichts von solchen Gehaltszulagen, aber zumindest haben sie Stiftungsprofessuren und Professorenstipendien unmittelbar in ihrem Stiftungszweck.

Meine Verfassungsbeschwerde war aber gegen solche Stiftungen – konkret zwar gegen die etwas anders gelagerte Hector-Stiftung in Karlsruhe, aber die Freiburger Stiftung wäre auch erfaßt worden – gerichtet.

Das heißt, daß Voßkuhle hier – erneut – in einem Interessenkonflikt gestanden hat und als Richter nicht hätte tätig werden dürfen, aber seine Befangenheit ignoriert hat. Wieder Richter in eigener Sache, der unliebsame Verfassungsbeschwerden abwürgt. Ich halte das für grob machtmißbräuchlich.

4 Kommentare (RSS-Feed)

Das Wichtigste bei einer Dressur ist, daß die Bestrafung oder Belohnung sofort erfolgt.

Carsten

“Ich fürchte die Danaer, selbst wenn sie Geschenke bringen”


Jens
1.7.2010 12:10
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Ist Deine VB, die jetzt nzEa wurde, irgendwo zu finden? Gab es vorher eine “Belehrung” durch den Präsidialrat?


FMH
23.8.2010 9:41
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politische Rechtsbeugung dem Volk gegenüber,
Täterschutz in der Politik und politischen Gesellschaftsschicht,
.
ist das nicht im Grundgesetz verankert ?


arbeiter1950
5.10.2010 13:54
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Der obige Bericht schildert genau den Zustand der deutschen Justiz. Mit fast den gleichen Problemen ( Befangenheit der Richter ) habe auch wir zu kämpfen. Egal ob es um Amts- und oderLandesgerichte geht oder auch an den Sozial / landessozialgericht in München, immer das Gleiche. Die Richter können leider tun und lassen was sie wollen. Ja selbst Rechtsbeugung wird von niemanden geahndet. Sie , die Richterschaft , ist weder unabhängig noch haben sie ein soziales Gewissen.