Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Dubiose Stellenanzeigen an der Uni Karlsruhe – und die Uni Zürich steckt dahinter

Hadmut Danisch
26.7.2010 20:03

Was treiben die da jetzt schon wieder?

Ein Leser (Danke!) hat mir interessante Hinweise aus einer Mailingliste geschickt. An der Uni Karlsruhe („KIT”) hängen seltsame Stellenanzeigen herum, mit Logo und Briefkopf des KIT. Jemand hat sie fotografiert (siehe hier und hier). Ein seltsamer Hiwi-Job wird Studenten angeboten, man soll in einer einmaligen Anstellung für einen halben Tag Bücher erfassen, Stundenlohn voraussichtlich 12 Euro. Dahinter steckt angeblich ein „Institut für Wissenschaftstheorie und Statistik” des KIT. Man möge sich bei Interesse auf die Webseite www.wior-job.de begeben.

Die Seite stinkt schon gegen den Wind. Keine Uni-Karlsruhe-Domain, kein Impressum, KIT-Logo und lausiges Design (OK, das ist dort normal…). Und eine Kontakt-Adresse mit gmx-Adresse. Anmeldung nur mit Javascript möglich. Und da fällt schon der erste Schwindel auf (wenn man die richtigen Browser-Erweiterungen hat): Das Formular funktioniert nur nach dem Nachladen von Javascript-Code von uzh.ch. Das ist die Universität Zürich. Und über die faulen Verbindungen der Uni Karlsruhe nach Zürich habe ich schon öfters berichtet.

Guckt man sich die Webseite von www.wior-job.de mal genauer an, dann merkt man, daß das sowieso eine Attrappe ist. Denn die Seite enthält nur einen iframe, der in Wirklichkeit die Seite http://www.iew.uzh.ch/static/census5/ einblendet. Dort liegen also die echten Seiten, in der Schweiz. Und jetzt wird es interessant, denn wenn man einfach mal die 5 durch anderen Ziffern ersetzt, findet man immer mehr von diesen Seiten:

URL Uni-Branding
http://www.iew.uzh.ch/static/census/ LMU München
http://www.iew.uzh.ch/static/census2/ Universität Karlsruhe
http://www.iew.uzh.ch/static/census3/ LMU München
http://www.iew.uzh.ch/static/census4/ LMU München
http://www.iew.uzh.ch/static/census5/ KIT

Was zum Geier treiben die da? Die bringen die Leute dazu, in deren Formular man Name, E-Mail, Mobilfunknummer, Studienrichtung, Geburtsdatum eingeben soll und noch dazu einen Tipptest veranstalten. Und das wegen eines halben Arbeitstages. Spinnen die? Ist das irgendeine möchtegern-wissenschaftliche Untersuchung? Haben die schon mal was von Datenschutz und Impressumspflicht gehört? Und davon, daß man sich hier nicht einfach als eine Universität ausgeben darf, daß das strafbare Amtsanmaßung ist?

Wozu brauchen die diese Daten? Adresshandel?

Hinter dem ganzen Versteckspiel steckt offenbar das Institut für Empirische Wirtschaftsforschung der Uni Zürich. Und die Schlauesten sind die ganz sicher nicht. Man werfe nur mal einen Blick auf deren Webseite zur IT-Sicherheit: Da empfehlen sie, Passwörter mit ihrem Passwortgenerator auf der Webseite ganz unten zu erzeugen. Es ist eine ganz dumme Idee, sich seine Passworte von einem anderen geben zu lassen. Und noch dümmer ist es, sie sich dann unverschlüsselt per HTTP übertragen zu lassen. Und dafür haben die vierzehn Professoren in ihrem Institut versammelt. Die scheinen irgendwie alle vierzehn zusammen nicht das nötige Grundwissen aufzubringen um ein seriöses Institut zu führen.

Es gibt so Institute, da merkt man gleich bei der ersten Berührung, daß die dubios und unseriös sind. Wenn man andererseits bedenkt, wie arrogant und überheblich sich die Schweizer Hochschulen oft gerieren…

5 Kommentare (RSS-Feed)

Chris
26.7.2010 22:27
Kommentarlink

Meine Vermutung ist sowas in der Art:
http://xkcd.com/749/

Ernsthaft, folgende Erklärung scheint mir plausibel: Uni Zürich macht eine Studie, um herauszufinden, wie leichtgläubig/verzweifelt Studenten sind (oder so ähnlich), und bittet dafür Kollegen von anderen Unis um Hilfe. Die haben nichts damit zu tun, stellen aber ihren Namen zur Verfügung.


Hadmut Danisch
26.7.2010 22:41
Kommentarlink

Naja, dann haben sie eben herausgefunden, daß es Studenten gibt (ich hab’s ja auch nicht selbst entdeckt, sondern es waren wohl Studenten), die nicht ganz so blöd sind, wie die Institute glauben.


nullplan
27.7.2010 9:26
Kommentarlink

Ich hab mal whois auf die Domain (wior-job.de) losgelassen: Zone-C ist die united-domains AG Starnberg. Mehr oder weniger ein Proxy vor DENIC. Nun gut, das war nicht wirklich befriedigend, aber whois verweist auf http://www.denic.de/en/background/whois-service/webwhois.html und das wiederum nennt den eigentlichen Eigentümer:

Domain holder: Michael Hohl
Organisation: IEW Universitaet Zuerich

Toll, der Name ist mitsamt Organisation bei DENIC eingetragen, ist das nicht toll? Sonderlich viel Ahnung scheinen die nicht zu haben.


Hadmut Danisch
27.7.2010 9:55
Kommentarlink

@nullplan: Wieso, was ist daran falsch? Wenn die Organisation die Domain betreibt soll sie auch drin stehen.


nullplan
27.7.2010 20:24
Kommentarlink

Bei “Sonerlich viel Ahnung scheinen die nicht zu haben.” meinte ich nicht DENIC, sondern die UZH, weil sie sich nicht viel Mühe gegeben haben, ihren Scam zu verbergen. Sie hätten die Domain ja auch ohne Organisation registrieren lassen können.