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Gerichtsurteil zu Entzug des Doktorgrades

Hadmut Danisch
22.11.2010 0:14

In der Streitsache zwischen dem bekannten Wissenschaftsschwindler Jan-Hendrik Schön und der Universität Konstanz ist inzwischen die Begründung des erstinstanzlichen (noch nicht rechtskräftigen) Urteils erschienen, mit dem Schön über die Uni Konstanz obsiegte.

Man findet das Urteil über diese Seite, bei der Suche das Aktenzeichen 1 K 2248/09 (VG Freiburg vom 22.9.2010, Az reicht aber, ich weiß nicht, ob dieser direkte Link da dauerhaft funktioniert) eingeben. Interessant sind da die Entscheidungsgründe (ab Absatz 24).

Das VG führt zunächst aus, daß der Begriff der Unwürdigkeit eng auszulegen ist, und das ein öffentliches Interesse an der Entziehung vorliegen muß, wozu der Ruf der Universität nicht zählt. Die Uni Konstanz bekommt vom Gericht ordentlich eine aufs Dach, weil sie den Begriff der Unwürdigkeit willkürlich und rechtswidrig weit auslegen. Typische Universitätswillkür. (Was mich persönlich sehr interessiert, denn als man damals in Karlsruhe von mir Schmiergeld in Form geldwerter Leistungen forderte und ich fragte, wie sie dazu kommen, drohte mir das Rektorat an, mir die Promotion wegen Unwürdigkeit zu verweigern, wenn ich nicht das Maul halte und zahle, weil der Begriff der Unwürdigkeit damals juristisch noch zu wenig eingegrenzt war.)

Besonders interessant finde ich Absatz 41 ff.:

c) Schließlich trägt die Auslegung der Beklagten den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Normenklarheit und Justitiabilität nicht hinreichend Rechnung.

Eine Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Unwürdigkeit muss sicherstellen, dass das Auslegungsergebnis den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Normenklarheit und Justitiabilität gerecht wird. Für den Normadressat müssen die Folgen der gesetzlichen Regelung voraussehbar und berechenbar sein, damit er sein Handeln kalkulieren kann. Diesen Anforderungen trägt die von der Beklagten vorgenommene Auslegung des Begriffs nicht hinreichend Rechnung, weil durch die Bezugnahme auf wissenschaftliches Fehlverhalten bei der Auslegung des Begriffs der Unwürdigkeit die Anwendung der gesetzlichen Bestimmung mit erheblichen Unsicherheiten belastet wird. Verlässliche Kriterien für die Beantwortung der Frage, wann wissenschaftliches oder gravierendes wissenschaftliches Fehlverhalten vorliegt, lassen sich kaum finden (vgl. zur Unsicherheit der Begriffsstruktur des wissenschaftlichen Fehlverhaltens und zur Unsicherheit der Tatsachengrundlagen Schmidt-Aßmann, NVwZ 1998, 1225). Für den Normunterworfenen bleibt es deshalb in erheblichem Maße unklar, wann ein solches zur nachträglichen Entziehung des Doktorgrades berechtigendes Fehlverhalten vorliegt.

Auch aus der in das Landeshochschulrecht aufgenommenen Bestimmung über wissenschaftliche Redlichkeit lassen sich – entgegen der Auffassung der Beklagten – keine verlässlichen Rückschlüsse für die Auslegung des Begriffs der Unwürdigkeit in § 35 Abs. 7 LHG gewinnen. Zwar hat der Landesgesetzgeber erstmals im Jahr 2000 mit § 56 a UG in Reaktion auf vermehrte Datenfälschungen von Forschern, Vertrauensbruch von Gutachtern und betrügerisches Einwerben von Forschungsmitteln (vgl. LT-Drucksache 12/4404 S. 252) den Begriff der wissenschaftlichen Redlichkeit in das Gesetz aufgenommen und in § 3 Abs. 5 in das neue LHG übernommen. Diese Bestimmungen richten sich aber ausschließlich an die in einer Hochschule wissenschaftlich Tätigen und an die Studierenden. Für diesen Personenkreis hat der Gesetzgeber in § 44 Abs. 5 LHG für Dienstvergehen nach § 3 Abs. 5 LHG teilweise Abweichungen vom Landesdisziplinargesetz normiert und in § 62 Abs. 3 Nr. 4 LHG für Studierende eine Exmatrikulationsmöglichkeit bei vorsätzlichem und grob fahrlässigem Verstoß gegen die Grundsätze des § 3 Abs. 5 LHG geschaffen.

Daraus kann aber nicht geschlossen werden, Verstöße gegen die Pflicht zu wissenschaftlicher Redlichkeit erfüllten auch den Begriff der Unwürdigkeit und berechtigten zum nachträglichen Entzug des Doktorgrades auch gegenüber denjenigen, die nicht (mehr) Mitglieder der Hochschule sind; denn der Gesetzgeber hat es gerade unterlassen, die Pflicht zu wissenschaftlicher Redlichkeit in die Ermächtigung zur nachträglichen Entziehung des Doktorgrades in § 35 Abs. 7 LHG aufzunehmen.

Und das hat Konsequenzen. Denn der Gesetzgeber hat noch weniger als die Unwürdigkeit die Promotion selbst definiert, und für die müssen mindestens so hohe Anforderungen gelten, die ebenfalls nicht erfüllt sind.

Da werd ich mal ansetzen.

Es läuft jedenfalls darauf hinaus, daß man dem Wissenschaftsschwindler in Deutschland mehr Recht gewährt als dem Doktoranden, der sich weigert für die Promotion Schmiergeld zu zahlen. So ist das in Deutschland.