Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Jubelbuch ist futsch

Hadmut Danisch
1.12.2010 21:30

Ich hatt’s ja kürzlich schon angesprochen. Die Berliner Charité wollte sich zum 300. Geburtstag ein Jubelbuch bauen. Selbstbeweihräucherung und Eigenfeiern ist in Deutschland nämlich erste Wissenschaftlerpflicht. Dumm nur, daß eine andere deutsche Wissenschaftlereigenschaft dazwischen kam, das Ding war plagiiert und anderweitig vermurkst. Jetzt hat der SPIEGEL noch einen amüsanten Artikel darüber geschrieben. Immer feste druff. Wissenschaftler brauchen das. 😀

2 Kommentare (RSS-Feed)

Roman
2.12.2010 11:52
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Naja, schonmal gesehen, wie die Selbstbeweihräucherung in anderen Ländern läuft? Da ist Deutschland noch harmlos…


Hadmut Danisch
2.12.2010 13:04
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Also dem würde ich so nicht zustimmen.

Erstens wird in kaum einem anderen Land so ein Brimborium veranstaltet, daß Leute sich mit Titeln wie

Prof. Dr. rer. nat. Dr. Ing. habil. Dr. h.c.mult. …

behängen wie ein Christbaum mit Lametta und Christbaumkugeln, so daß sie ihre Visitenkarten im Panoramaformat drucken lassen und sich wenn sie durch die Tür gehen zur Seite drehen müssen, damit sie mit dem Titel nicht am Türrahmen hängen bleiben.

Es gibt auch nicht viele Länder, in dem der Doktor so aggressiv im Namen getragen wird und so starken Einfluß auf die Karriere auch außerhalb des Wissenschaftsbereiches hat. In den meisten Ländern ist “Doctor” nur eine Bezeichnung für einen Arzt und PhD nicht Teil des Namens oder gar der Anrede. Und es gibt auch nicht viele Ländern, in denen die Promotion so inhalts- und substanzlos und so wenig nachvollziehbar ist wie in Deutschland, und wo man ohne jeden Leistungsnachweis, nur durch Selbstfeiern bis in die Lebenslange Beamtenprofessur kommt. Es gibt auch nicht so viele Länder, in denen man einem „Professur” so hohes a-priori-Ansehen gewährt wie in Deutschland. In den meisten Ländern ist ein Professor lediglich das, was er wirklich ist, nämlich ein ordinärer Lehrer, und damit gesellschaftlich deutlich weiter unten angesiedelt.

Die Frage ist halt immer auch, welche Ansprüche man an sich selbst stellt. Und welche Länder man sich heraussucht, um sich selbst zu vergleichen und gut zustellen. Es ist eine der üblen Eigenschaften der deutschen Wissenschaft (oder der Deutschen schlechthin?), daß man immer alles damit rechtfertigt, indem man auf irgendeinen zeigt, der noch schlechter/schlimmer/krimineller ist. Man wird auf dieser Welt, in der es eben eine Menge verkorkster Gesellschaften gibt, immer viele finden, in denen irgendwas schlimmer ist, und dann auf die zeigen können. Damit kann man auch Korruption, Vergewaltigung, Drogenhandel usw. rechtfertigen. Mit solchen Argumentationen muß man immer sehr aufpassen.

Die Selbstbeweihräucherung wird immer dann nötig, wenn das, was man macht, so irrelevant, belanglos, schlecht oder geklaut ist, daß man außer einem selbst überhaupt niemanden mehr findet, der es zur Kenntnis nehmen und loben will.

Ich kenne keinen anderen Berufszweig – nicht mal die Schauspieler, und bei denen ist es ja so extrem und gehört zur Berufstätigkeit – der sich so krankhaft, zwanghaft, lächerlich oft in irgendwelchen Feierstunden selbst feiert, selbst gratuliert, selbst auf die Schulter klopft, sich selbst und gegenseitig mit irgendwelchen Luft-Ehrungen überhäuft wie die Wissenschaftler.

Das hat freilich auch psychologische Gründe. Auf jedem besseren Managerlehrgang lernt man, daß fast jeder Mitarbeiter einen Vorgesetzten braucht, der ihn auf Fehler hinweist und für gute Leistungen lobt, um dauerhaft gute Leistungen zu bringen. Im Universitätsbereich hat man aber systematisch jeden Vorgesetzten, jede Dienstaufsicht usw. komplett abgeschafft. Professoren sind sich selbst überlassen, im Guten wie im Schlechten. Deshalb holen sich auch so viele von denen im Lauf der Zeit einen Dachschaden und gehen mit ihren eigenen Leuten wie Dreck um.

Diese Selbst- und Gegenseitigkeitsbeweihräucherung ist letztlich auch eine Art Ersatzdroge für die Führung, die sie intern nicht bekommen. Das hat aber den fatalen Effekt, daß sie sich nur noch loben, und zwar leistungsunabhängig. Eine Hand lobt die andere. Und damit wird das völlig unabhängig von der Eigenleistung, für die es schon lange keine Maßstäbe mehr gibt. Und deshalb stürzen die leistungsmäßig auch fast alle so tief ab, und merken es nicht einmal.

Einfach zu sagen, daß es in anderen Ländern noch viel schlimmer ist, heißt die Augen vor den negativen Auswirkungen dieser Selbstfeierei zu verschließen, es zu ignorieren.