Die Universitäten produzieren Fachidioten
Interessanter Artikel in der WELT: Deutsche Firmen beklagen die Unfähigkeit deutscher Universitätsabsolventen.
Zitat:
Praxisferne ist nach einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) der Hauptgrund für Unternehmen, sich während der Probezeit wieder von Jobeinsteigern zu trennen. „Viele Studierende, auch fachlich hervorragende, können das Gelernte nur unzureichend im Berufsalltag anwenden“, sagte DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann “Welt Online“. „Hier hat sich in den vergangenen Jahren leider keine Änderung zum Besseren ergeben“, klagte der DIHK-Präsident.
Entspricht meinen Beobachtungen in Informatik. Es gibt bei Absolventen der deutschen Informatik keine einzige Fähigkeit, auf deren Beherrschen man sich verlassen könnte.
In doppelter Hinsicht bemerkenswert finde ich dann auch diese Aussage:
Er appellierte an die Hochschulen, die Anforderungen des Arbeitsmarktes ernst zu nehmen und die Studierenden auf ihre späteren Tätigkeiten in der Wirtschaft besser vorzubereiten. „Nicht jeder Student will schließlich später Professor werden“, so Driftmann weiter. Die Kritik der Wirtschaft an der praxisfernen Ausbildung der Hochschulen ist ein Dauerbrenner.
Das bedeutet zweierlei:
- Die Universitäten haben ihre Aufgabe, eine Berufsausbildung zu leisten, völlig verfehlt.
Das schon öfter festgestellte und von vielen beklagte Problem ist, daß die Universitäten es sich nicht zum Ziel machen, eine Berufsfähigkeit herzustellen, sondern eigentlich nur mit dem Ziel ausbilden, sich aus den „besten” 3% den akademischen Nachwuchs zu rekrutieren und den Rest als Ausschuß oder Sondermüll an die Industrie zu entlassen.
- Die Aussage bedeutet, daß eine völlig realitätsfremde und nicht zur Berufsfähigkeit führende Ausbildung darauf ausgerichtet ist, „später Professor zu werden”. Was bedeutet, daß diese Professoren das eben – wie ich ja immer wieder sage – auch nicht beherrschen. Die sind nicht in der Lage, den Beruf auszuüben, und wollen solche Leute auch nicht als Professor.
Was im nächsten Schritt darauf hinausläuft, daß sie mangels eigenen Wissens und eigener Befähigung nicht in der Lage wären, Studenten dazu auszubilden, selbst wenn sie es wollten.
So sieht’s aus.
16 Kommentare (RSS-Feed)
“Es gibt bei Absolventen der deutschen Informatik keine einzige Fähigkeit, auf deren Beherrschen man sich verlassen könnte.”
Ich wollte hier eigentlich zum Widerspruch ansetzen. Ich wollte was von mathematischen Grundlagen, Algorithmen, Datenstrukturen und Abstraktionsvermögen und einige andere Dinge schreiben, die doch eigentlich alle Informatikstudiengang kennzeichnen würden (so dachte ich) – ich las aber kurz nach diesem Beitrag bei SpOn folgenden Artikel über einen “Frauen-Informatik”-Studiengang. http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,736153,00.html
Der Artikel fing allein schon unglaublich doof an (das ist aber dem Redakteur geschuldet): “Katharina Müller, 30, hat sich schon immer für Technik interessiert. Ihren PC hat sie stets eigenhändig aufgerüstet. Da lag es nahe, Informatik zu studieren.” – Klar, was liegt da näher?
Da habe ich noch nicht gedacht das man den Blödsinn noch steigern könnte, und hab nach dem Studiengang gesucht, um mir mal die Fächer anzusehen und zu schauen was da tatsächlich hintendran steckt. Ich bin vom Glauben abgefallen. Der Studiengang heißt zwar schon Informatik und Wirtschaft, aber der Informatikanteil beträgt, wenn man großzügig ist vielleicht 1/3; und der größte Teil davon stammt aus der angewandten und praktischen Informatik. KEINE einzige Pflichtvorlesung die vermuten lässt das da was über Algorithmen, Datenstrukturen oder gar Berechenbarkeits- oder Komplexitätstheorie gelehrt wird. Und der Matheumfang ist ein Witz, ich kenne Wirtschaftswissenschaftler die mehr Mathe im Studium gemacht habem: Die haben ganze 4 (in Worten vier) SWS Mathematik im Studium. Da frage ich mich doch ernsthaft warum ich mich durch Ana, LA, Numerik und WT geprügelt habe, wenn sich solche Flitzpiepen nachher ebenfalls Informatiker schimpfen dürfen…
http://www.htw-berlin.de/documents/Studienberatung/Studiengaenge/Informatik_Wirtschaft_BA.pdf
Dieser “Dauerbrenner” ist doch offensichtliche Manipulation der oeffentlichen Meinung durch die Industrie.
Sicherlich hat die Universitaetsausbildung grosse Probleme, aber die Industrie-Lobby wird die Lage eher verschaerfen als verbessern.
Es ist Aufgabe der Universitaeten, eine allgemeine Grundausbildung zu gewaehrleisten. Die “Anwendung” dieses Wissens in der Industrie muss per Definition viel spezieller ausfallen, damit ist die weitere Ausbildung Aufgabe der Industrie. Oder warum sollte der Staat einzelne Industriezweige Querfinanzieren und wo soll die Spezialisierung aufhoeren?
Es wird doch niemand jemanden als Programmierer einstellen wollen, weil er 2 Semester Java-Programmierung gemacht hat. Die Ziele in einer Vorlesung ueber Programmieren oder Softwaretechnik, mit oder ohne Java und anderen Tools, sind doch grundverschieden von dem, was im Beruf mit Java(oder anderen Tools) erreicht werden muss. Dafuer kann und soll keine Universitaet ausbilden.
Ebenso Manipulation ist die Maer vom Fachkraeftemangel. Ohne Zweifel muesste Deutschland viel staerker in die Bildung investieren. Nicht zuletzt auch, um die gesellschaftliche Spaltung zu verringern. Woran es in der Industrie aber wirklich mangelt ist eine konkurrenzfaehige Bezahlung von Fachkraeften, nicht den Fachkraeften selbst.
Deutschland ist seit ueber 10 Jahren ein Billiglohnland.
Anders waeren wir mit unseren paar Millionen Einwohnern ohne Ressourcen auch nie Weltexportmeister geworden. Diese bekloppte Politik ist daran Schuld dass unser “Reichtum” in Form von Krediten in Laendern wie Griechenland und Portugal liegt, statt in Form von Lohnerhoehung in Deutschland den Lebensstandard zu erhoehen. Sie ist Schuld daran dass “der Aufschwung beim Volk nicht ankommt” und dafuer dass wir in der Waehrungsunion jetzt diese extremen Ungleichgewichte haben. Ein Land kann nicht unilateral Preisdumping machen, jedenfalls nicht langfristig und schon gar nicht innerhalb einer Waehrungsunion.
Also ich treibe mich seit über 12 Jahren in der Industrie herum und habe auch schon mit der Neueinstellung von Informatikern zu tun gehabt. Ich kann die Probleme bestätigen, und bekomme sie aus meinem Bekanntenkreis ebenfalls häufig bestätigt.
Und dabei rede ich gar nicht von Java. Java geht mir auf den Wecker und wird überschätzt.
Richtig ist, daß das mit dem Fachkräftemangel mehr Märchen als Realität ist, und daß die Industrie gerade versucht, die Löhne zu drücken, indem sie ein Überangebot produziert.
Das ändert aber nichts an der mangelhaften Qualität der Ausbildung. Und es wäre mit den Absichten, die Du der Industrie unterstellst, unvereinbar. Denn je mehr man darüber lamentiert, daß die Absolventen nichts können, desto höher treibt man die Preise für die, die was können (oder das zumindest glauben). Denk mal drüber nach.
An Universitäten lernt man was fürs Leben, gerade als Mitarbeiter. Wo sonst kann man ohne größere Folgen ein Projekt den Bach runtergehen sehen? Hinterher weiß man dann aus erster Hand, wie und warum sowas passiert. Man muss nur rechtzeitig den Absprung schaffen, ggf. halt ohne die zwei Buchstaben.
Edsger Wybe Dijkstra
über das Verhältnis von Universitäten und Industrie:
On December 8, 1996 Edsger Dijkstra addressed the graduates of the College of Natural Sciences of the University of Texas at Austin.
This is the text of his speech.
http://www.cs.utexas.edu/~vl/notes/dijkstra.html
In den letzten zwanzig Jahren ist der Einfluss der Industrie(-p’ltik) auf die Hochschulen immer nur gewachsen. Ausbildung,Praxisnähe, keine Rede kommt ohne die üblichen Schlagworte aus. Und jetzt wird beklagt, dass all die gut gemeinten Ratschläge nicht das gewünschte Ergebnis bringen?
Eher deftige Kommentare, gab ( gibt ) es z.B von Professor Klaus Leeb, ein theoretischer Informatiker der altmodischen Art. Der — wie Dijkstra — die Mathematik hinter der Informatik ernstgenommen hat.
Und die aktuell kanonisierten Lehrbücher der Informatik verreisst.
Und dabei im Institutspoker unter die Räder gekommen ist …
http://home.arcor.de/klausleeb
http://home.arcor.de/klausleeb/aGaudi2.html
Auch immer wieder lesenswert:
EWD1165, There is still a war going on.
Das Elfenbein”Turm”-Problem (es ist in Wahrheit ein Keller, ein Erdloch, ein Elfenbeinerdloch) ist ja länger bekannt.
Aber “mehr Geld in Bildung” ist die dazu passende Phrase, die ich auch nicht mehr ertragen kann. Sie ist falsch, weil viel zu kurz.
Wir haben ein mehr 200 Jahre altes Bildungssystem, das aus sovielen, teilweise total verpfuschten (“reformiert”) Subsystemen besteht deren Funktion nichts als Selektion ist und deren Durcheinander kaum noch überschaut wird und deren Grundkonzept einer sich gerade industrialisierenden Gesellschaft entspricht – inkl. der darin wirkenden Hierarchien, die den Laden in seinen Grundfesten halten und zwar bis heute. Unser Bildungsladen entspricht den Überbleibseln einer Ständegesellschaft, die gerade ihren König geköpft hat. Und darauf seit Jahrzehenten Re-Förmchen auf Re-Förmchen, immer wie gerade der Hahn kräht (das ist nicht erst seit 20 Jahren so; das gab es bereits bspw. in den 50/60igern, vor allem in den metallverarbeitenden Gewerben; oder auch in den 1910er Jahren, als man einhellig auf eugenische und volkshygiensche Re-Förmchen umsattelte…).
Was die Schuppen brauchen ist nicht bloß mehr Geld. Ja mit Einschränkung bräuchte manches Schüppchen mal weniger Geld!
Was dieser Laden braucht ist ordentliche, gnadenlos kritische Analyse (und nicht nur ein “Analys-chen”) der Gesambefindlichkeit bis ins tiefste Herz hinein. Allein die Vielzahl der Selektionsmechanismen, die aber merkwürdig-merkwürdig immer die selben Gruppen rausfeuern (Ausländer, Nicht-Aristokraten, Terroristen der aktuellen Epoche usw.) und das umso gnadenloser und/oder subtiler, je mehr Selektionsmechanismen eingebaut und “reformiert” sind, sind inzwischen so verfilzt und strahlen in ganz andere Bereiche als dem der Bildung! Da kannst du bspw. als schlecht deutsch-sprechende Türkin ein ganzes Soziologie-Studium absolvieren (und bestehen), nur um am Ende dazu stehen und zu sehen, daß dich niemand will, weil dir das mit der Sprache abgeht und du eine Frau bist, gleichwohl man dich im Bildungsladen in dem Glauben ließ, das wäre kein Problem. Das nennt man verzögerte Selektion (die weit desaströser ist als die direkte Selektion). Und alles, was du als türkische Frau davon hast ist ein Berg Schulden und rausgeschmißene Zeit plus eine gewaltige Desillusionierung, mit der du dann auch alleine bist. Aber es braucht dich als verschuldete, ungewollte türkische Frau, weil sonst die Selektionsketten nicht arbeiten können, denn irgendwer muß rausfliegen, wenn die Sache auf Konkurrenz und Hierarchie baut. Genau diese Selektionsketten sind der einzige Grund, wieso nach “mehr Leute an die Unis! Mehr Leute ins Abitur!” geschrien wird: reines “Qualitäts”-Managment, mit einem Haken: je mehr Abschlüße, umso weniger ist der einzelne Abschluß wert, und: umso mehr “profane” Stellen werden mit Trägern “höherer” (entwerteter) Abschlüße besetzt, d.h. die mit noch wertloseren Abschlüßen landen in der Arbeitslosigkeit und in der Perspetkivlosigkeit, einer grauen ewig-gleichen Gegenwart ohne Zukunft. Und selbst wenn diese Menschen mit den total wertlosen Abschlüßen ihre Nackommen auf ein Gymnasium oder die Uni schicken, kommt zum Tragen, daß (aufgrund der Entwertung, aber nicht nur deswegen) der Abschluß als “Einstiegsticket” gar nicht mehr ausreicht: denn man muß ja auch noch die Verhaltensweisen derer annehmen, mit denen man vorher gar nichts zu tun hatte (die höheren Bildungs”stände”) und allein das wird nirgends wirklich vermittelt außer in der direkten Sozialisation innerhalb dieser “Stände” (das Kind reicher Eltern mit Freunden in der Politik…)- soll es aber auch gar nicht, denn in der Exklusivität liegt die Macht (und nicht in der Profanität ala “mehr Abschlüße für alle!”). Recht eigentlich sind also nicht die Abschlüße das zentrale Problem, sondern der Habitus. Die Abschlüße dienen dazu die Gleichheit vorzugaukeln, daß alle in den höheren Sphären verkehren dürften, wenn sie nur fleißig-fleißig sind – und umgekehrt nur deswegen dort nicht hinkommen, weil sie nicht fleißig geung waren. Niemand erzählt da was von Verhaltensweisen, von (akademischen, höher-“ständischem” Habitus, um den es eigentlich geht).
Wenn man in dieses Bildungsgepfusche, so wie es jetzt ist, noch mehr Kohle reinsteckt, dann hat das die selben Auswirkungen wie Entwicklungshilfe in Afirka: die Korrupten, die das Geld abzwacken, bekommen noch mehr Macht und Kohle und Prestige und gaukeln dabei allen vor, das wäre gut für die Allgemeinheit, indes sich alle wundern, wieso denn trotz der Kohle so wenig sich verbessert…”Wir brauchen noch mehr Geld!” – Achso!
Man müßte diese Läden wirklich bis in die Mitte des Knochenmarks analysieren. Sonst bringt alles nichts. Das Dilemma: im “Normalfall” (der Illusion) würde man diese Aufgabe eben gerade Akademikern zuweisen, namentlich diversen geistes/human-wissenschaftlichen Disziplinen (insbesondere einer kritischen Soziologie). Aber gerade die beschäftigen sich auch nicht mit solchen Dingen, sondern eher damit, wie ein Webinterface pädagogisch noch hübscher aussehen könnte oder warum denn das einzelne Individuum an seinem Schicksal vollkommen selbst schuld ist und nicht etwa irgendwelche institutionell-gesellschaftlichen Verflechtungen irgend eine Bedeutung haben würden (“Die Türkin hat eine Sprachbarriere und deswegen…dann Vererbung an ihre Kinder…ADHS…nicht genug Bildung”) – und das ist auch kein Wunder, denn diese Verflechtungen werden auch kaum beachtet (ist auch schon länger als 20 Jahre so).
Kritiken, die aus den Institutionen kommen und die gegen sie sprechen behandelt man schlicht mit Ignoranz oder mit irgend einer Form von Verfolgung (d.h. auch Ausgrenzung), gleichwohl heute einer “sanften” und subtilen (keiner muß mehr wie Martin Luther fliehen, aber man ist immer noch so beliebt wie er es für seine Sache war, dafür aber auch weit un-öffentlicher).
Mehr Geld reicht überhaupt nicht aus, weil man sich heute nicht mehr sicher sein kann, daß es nicht in genau die falschen Hälse fällt, ja weil man fast davon ausgehen muß, daß es in die falschen Hälse fallen wird. Vor allem aber ist nicht (mangelndes) Geld das größte (und gefährlichste!) Problem dieser Bildungsläden, sondern ihre (mangelnde) Geschichte ist die größte Gefahr – wie wir wissen nicht nur für sie selbst.
Wie Adorno sagte: Wir haben die Vergangenheit den Institutionen geopfert statt umgekehrt. Das war eine der grötßten Dummheiten überhaupt.
Eine weitere Blendgranate in dieser Sache ist im Übrigen die Tatsache, daß man heute gerne Akademiker will, die mit 24 schon 5 Jahre Berufserfahrung haben und ein Summa Cum Laude. Und haben sie das nicht, müßen sie eben 5 Jahre Praktikum machen, natürlich ohne Lohn. Und wer allein kann sich das leisten? Eine Maria Müller aus der Vorstadt? Nein. Ein von und zu mit 12 Vornamen? Geeeenau.
Das hier: “Er appellierte an die Hochschulen, die Anforderungen des Arbeitsmarktes ernst zu nehmen und die Studierenden auf ihre späteren Tätigkeiten in der Wirtschaft besser vorzubereiten. „Nicht jeder Student will schließlich später Professor werden“, so Driftmann weiter. Die Kritik der Wirtschaft an der praxisfernen Ausbildung der Hochschulen ist ein Dauerbrenner.”
bedeutet nämlich auch, daß die Hochschulen (die man eigentlich Flach-Schulen nennen müßte) bitte nach der Peitsche der Wirtschaftsfunktionäre tanzen sollen (DIE sind ja für vorausschauendes Denken bekannt!), die natürlich – natürlich! – nichts mit den Problemen zu tun haben, um die es geht. Nein, nein, niemals.
Keine Inschutznahme für die Uni, aber: es ist kein Wunder, daß dort nicht die geforderte Ausbildung stattfinden kann, wenn man alle 3-5 Jahre fordert, daß das Programm komplett geändert werden muß, sofort, ganz alternativlos. Es ist auch kein Wunder, daß die Leute dann nicht auf die Praxis vorbereitet sind, wobei man hinzufügen sollte, daß das auch heißt, daß die Praxis nicht auf diese Leute vorbereitet ist (dann nehmt nicht Akademiker, wenn sie euch nicht passen!!!). Womit wir (im Idealfall) wieder bei den unbeliebten Kritiken aus, an und von den Institutionen wären.
Große Unternehmen (und das sind die, die sich hier lautstark zu Wort melden) sind ja genauso schlimm wie oder schlimmer als die öffentliche Verwaltung …
Das Problem ist, dass unsere lieben Politiker aber auch und vor allem die Vertreter der Industrie eine universitäre Ausbildung nicht verstanden haben. Die Universität ist dafür da “Fachidioten” ausbzubilden. Und zwar diese Form von Fachidioten die ein Gebiet überblicken, komplexe Theorien nachvollzogen und Neue, vielleicht noch viel komplexere, entwickeln können.
Nein, eine Universität ist nicht dazu geeignet fertige Arbeiter für die Industrie auszubilden. Eine Universität sollte den Freiraum bieten sich mit den “großen Menschheitsfragen” (Humboldtsches Bildungsideal) auseinanderzusetzen. Jeder auf seine Art und Weise und mit dem Fach und Fachwissen was ihn interessiert.
Das haben anscheinend auch die Väter unseres Bildungssystems gewusst und haben die Fachhochschulen eingerichtet. Dort wird praxisnah und fachbezogener ausgebildet. Das ist der Ort an dem die Industrie ihre fertigen Fachkräfte suchen sollte. Absolventen einer Fachhochschule brauchen nicht zwingend theoretische Grundlagen herleiten können, sondern es ist viel wichtiger die daraus resultierenden Konzepte zu verstehen und anwenden zu können.
Genau das was die Industrie braucht. Niemand in der Industrie fragt wirklich nach dem “warum” wenn etwas im Labor nicht funkioniert hat. Es macht marktwirtschaftlich nämlich keinen Sinn Jahre lang zu forschen um dann den Grund zu wissen warum es nicht funktioniert. Nur leider sollte genau das einen Akademiker interessieren und das bekommt oder besser bekam er in den alten Diplomstudiengängen beigebracht.
Mein Fazit:
Die Industrie will mit wenig Aufwand billige Arbeitskräfte und scheut nicht davor zurück ihren gesamten Einfluß geltend zu machen. Dies kann langfristig nur nach hinten losgehen, aber langfristiges und nachhaltiges Handeln ist leider heutzutage weder in der Industrie noch in der Politik zu finden.
Das mit Humboldt und Freiraum liest sich immer so gut und schön, wohlfeile Phrasen.
Die Sache hat nur einen Schönheitsfehler: Unsere Universitäten vergeben Berufsabschlüsse und führen Berufszulassungs- und berufsrelevante Prüfungen durch. Und die müssen den Anforderungen aus Art. 12 I GG (Berufsfreiheit) genügen. Und das geht nur über die konkrete Berufsausbildung, nicht über den Wissenschaftskram.
Das paßt also vorne und hinten nicht zusammen.
Ich gebe Dir vollkommen recht. Das dumme ist nur, dass der “Wissenschaftskram” wie Du ihn nennst nun mal ein Berufszweig ist. Wissenschaft ist aber ungleich Industrie und deshalb sollte man sich eher fragen ob es Sinn macht so viele Wissenschaftler auszubilden obwohl eher sehr gut ausgebildete Fachkräfte für die Industrie gebraucht werden.
Fachkräfte, zugeschnitten auf die Industrie, wurden aber noch nie an der Universität ausgebildet. Zumindest in meinem Fach (Chemie) ist deshalb die Promotion obligatorisch damit wir “Fachidioten” wenigstens etwas selbstständig werden. Dummerweise scheint selbst das der Industrie nicht mehr zu reichen und deshalb werden mittlerweile noch PostDocs, Praktika im Ausland etc. gefordert.
Die konkrete Ausbildung für die Industrie wird (oder wurde?) an den Fachhochschulen gemacht. Nur weil die Amerikaner (sinnbildlich für das übernommene Bildungssystem) keine Fachhochschulen kennen und diese somit auch nicht in internationalen Rankings auftauchen wird den Universitäten doch dieses “es muss für die Industrie ausgebildet werden”-Profil aufgezwängt.
Für Humboldt und dessen Bildungsideal will ich mal anmerken, daß seine gesamten Bildungsgedanken auf die Errichtung eines recht elitären Beamtenstaates hin gedacht wurden und gerade alles andere als Massenbildung meinten und schon gar nicht “Bildung für alle” oder was man ihm sonst gerne in den Mund legt.
Das Geplärre hört man von der Industire schon Jahrzehnte, eine Folge davon war das Bachelor/Master-System. Und jetzt ist es wieder nicht recht.
Warum bildet die Industrie nicht einfach selber aus, gründet Hochschulen mit dem Fokus wirtschtlich verwertbarer Studiengänge, sowas gibts ja eigentlich schon (BAs, Akademien,…) wie sie es in den Ausbildungsberufen schon lange macht? Weil es ne Menge Geld kostet, lieber betreibt man Lobbyarbeit in der Politik um das allgemeine Ausbildungssystem wirtschaftsnah umzukrempeln (Bachelor-Master war ein solcher Schritt, ausgeheckt vom CHE das im Prinzip zum Bertelsmankonzern gehört un dieser hat das ganze massiv medial gepusht).
Die Kommentare oben gehen deshalb fast alle am eigentlichen Problem vorbei.
@HF:
Gerade bei Klaus Leeb sollte man sich aber auch mal alle anderen Meinungen über ihn anhören, um sich ein Bild zu machen – und natürlich den Mann auch persönlich kennen, was ich an dieser Stelle nicht weiß, ob das der Fall ist.
Klar, natürlich ist es so daß die Universitäten da ganz egoistisch vorgehen.
Allerdings habe ich so meine Zweifel, ob das ganze tatsächlich ein typisch deutsches Problem ist. Erstmal aus meinen persönlichen Erfahrungen her. Was ich in Kanada und den USA in diversen biophysikalischen Arbeitsgruppen an Arbeitsbedingungen gesehen habe war nicht sonderlich verschieden zum deutschen Elend. Die Doktoranden und Post-Docs werden da drüben ganz genauso verheizt, und die Universitätsausbildung dort ist genauso akademisch-weltfremd.
Aber des weiteren: Im Economist war letztens ein längerer, kontroverser Artikel mit dem Titel “Doctoral degrees: The disposable academic. Why doing a PhD is often a waste of time”:
http://www.economist.com/node/17723223?story_id=17723223
Das ganze hat im angelsächsischen akademischen Milieu offensichtlich eine hitzige Debatte angestoßen:
http://chronicle.com/blogs/onhiring/ph-d-admissions-the-debate-continues/27878
Ein Professor hatte tatsächlich die Chuzpe (oder Ehrlichkeit), ganz offen zuzugeben, daß das akademische System ähnlich wie Profisport funktioniert. Man braucht Scharen an potenziellen jungen Talenten, wo dann gnadenlos ausgesiebt wird. Falls diese Scharen nicht mehr kommen, würde das System nicht mehr so funktionieren wie vorher.
Das ganze System scheint also auch im angelsächsischen darauf zu basieren, daß nur eine ganz kleine Minderheit durchkommt, für den verheizten Rest heisst es enttäuschte Erwartungen, und “wo ihr jetzt bleibt ist euer Problem”