Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Plagiatsfall Theodor zu Guttenberg

Hadmut Danisch
16.2.2011 12:01

Es wäre fast müßig, noch etwas darüber zu schreiben, denn heute morgen posaunen es alle Printmedien und Radiosender heraus: Gegen Karl Theodor „The Pomade” zu Guttenberg wird der Vorwurf des Plagiats seiner Doktorarbeit erhoben. Trotzdem noch so ein paar Anmerkungen dazu – und Informationen, die nicht unbedingt in jeder Zeitung standen.

Zunächst möchte ich vorausschicken, daß ich den Fall noch nicht selbst einschätzen kann. Ich habe weder die Dissertation, noch die Vergleichsstücke gesichtet.

  • Interessanterweise geht es aber schon gleich am Anfang der ersten Seite der Dissertation mit einer frappierenden Textübereinstimmung los, wie Raphael Wimmer in seinem Blog aufzeigt. Geht ja gut los. Gleich Lesen!
  • zu Guttenberg hat den Fehler gemacht, es wie wissenschaftlich aussehen zu lassen. Seine Amtskollegin Kristina Schröder hat sich da – man könnte sagen schlauer – aber zumindest frecher und mit mehr Chuzpe verhalten, indem sie gleich in der Einleitung schreibt, dass sie in ihrer Dissertation erst gar keinen wissenschaftlichen Teil bringt, weil sie Anhängerin des Postulats Max Webers sei, und es Wissenschaft deshalb gar nicht geben könne. Es erspart einem nicht nur das Abschreiben, sondern macht das Promovieren generell viel einfacher, wenn man sich auf den Standpunkt stellt, daß man wissenschaftliches Arbeiten nicht braucht, weil es das nicht geben kann. Während sich über Plagiate heute alle aufregen, akzeptieren es heute wohl alle, daß jemand einfach erklärt, daß er gar keine Lust habe, die Prüfungsleistung zu erbringen.
  • In der Presse wird erwähnt, daß man das jetzt dem Ombudsman(n) der zuständigen Uni Bayreuth zur Prüfung übergeben habe.

    Ich habe im Rahmen meiner Arbeit schon mehrfach, mindestens sechsmal, Eingaben an die Ombudsleute bzw. die Kommissionen zur Untersuchung von Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens verschiedener Universitäten gemacht. Noch nie, noch nicht ein einziges Mal haben die seriös etwas untersucht. Bestenfalls machen die gar nichts. Manchmal stellte sich heraus, daß man ein Verfahren schon deshalb nicht eröffnen kann, weil die Kommission gar nicht existiert und vom Rektorat nur vorgetäuscht wird, weil die DFG sonst keine Mittel vergibt. Und generell machen diese Kommissionen immer alles nur schlimmer, weil sie sich immer auf die Seite des verdächtig(t)en Professors schlagen und ihm bestätigen, daß da nichts zu bemängeln und zu beanstanden ist (und notfalls sogar bewußt falsche Berichte erstellen). Spätestens dann, wenn eine solche Kommission bestätigt, daß es keine Beanstandungen gibt, ist der Vorwurf tot (und der, der den Vorwurf erhoben hat, gleich mit). Denn diese Kommissionen haben auch kein Interesse an der Untersuchung. Man hat den Bock zum Gärtner gemacht. Insofern wird da wahrscheinlich nichts Brauchbares herauskommen. Eine geringe Chance gibt es, weil hier ja ein enormes Medieninteresse hochkocht.

  • Seltsam ist jedenfalls, was mir ein Leser schreibt, daß zu Guttenberg zwar in Rechtswissenschaften promoviert habe, aber kein Volljurist sei. Laut Wikipedia fehlt ihm das zweite Staatsexamen. Das erstaunt mich. Denn nach meinem Streit mit der Uni Karlsruhe und meiner Bloggerei haben mir ziemlich viele Leute – sogar Juristen – nahegelegt, doch in Rechtswissenschaften zu promovieren. An allen Unis, an denen ich mich dazu umgeschaut habe, wäre ich chancenlos gewesen, weil man für die Promotion dort beide Staatsexamen braucht (oder ersatzweise Prüfungen ablegen muß, die den Staatsexamen entsprechen, womit man lieber gleich die Staatsexamen ablegt).

    Daß man auch ohne zweites Staatsexamen als Dr. jur. herumlaufen kann, muß ich mir merken.

  • Auffällig ist auch, daß er – wie Kristina Köhler/Schröder – in der Aufstiegsphase einer politischen Karriere promoviert hat. Wie man aber weiß, braucht beides soviel Zeit, daß man das nicht beides tun kann. Schließlich war er in dieser Zeit ziemlich beschäftigt.

    Aber wie bei Kristina Köhler/Schröder, die ja auch eigentlich keine Zeit für sowas hatte, wird wohl das hervorragende Zeitmanagement, daß einem bis zu 36 Stunden am Tag verschafft, das ermöglicht haben. (Wobei Köhler/Schröder ja auch schreiben ließ, was man bei Politikerinnen ja heute nicht mehr als Promotionsschwindel, sondern als clever ansieht, vor allem wenn sie blond sieht. Zwar hatte SWR3 heute morgen auch schon geulkt, daß zu Guttenberg auch nicht abgeschrieben hätten sodern abschreiben ließ, aber er darf das nicht, denn er ist weder weiblich noch blond – wirklich nicht.)

  • Sicher nur ein ganz dummer Zufall ist, was mir ein Leser schrieb, nämlich daß der Doktorvater zu Guttenbergs (CSU), ein Professor Häberle, genau im Jahr von zu Guttenbergs Promotion, nämlich 2007, von CSU-Chef Stoiber den Bayrischen Verdienstorden umgehängt bekam, der in Bayern – wie praktisch – ohne Begründung vergeben wird.

    Haben die ein Glück, daß das nur reiner Zufall und kein CSU-Amigo-Titel-Handel war, sonst würde das jetzt aber blöd aussehen.

  • Nur so am Rande: Häberle ist Jahrgang 1934. War also zum Zeitpunkt der Promotion 2007 so um die 73 Jahre alt. Erfahrungsgemäß gucken Emeriti in diesem Alter nicht mehr so genau hin.

Wißt Ihr was? Ich glaub, das wird noch heiter.

Nachtrag 1: Carsten wies unten auf dieses Video hin:

Das ist hier natürlich völlig irrelevant und fehl am Platz, denn im Video geht es um zu Guttenbergs Wirtschaftskompetenz, hier geht es um die Wissenschaftskompetenz. Das ist in Deutschland immer noch … äh, Moment mal, also es gab zumindest irgendwann mal einen Unterschied. (*grübel*)

Nachtrag 2: Laut SZ ist der untersuchende Ombudsmann aus Bayreuth Professor Diethelm Klippel, der bei zu Guttenberg selbst Mitglied der Prüfungskommission war und – sich damit selbst – bestätigt, daß das Promotionsverfahren korrekt abgelaufen sei. Dabei kann ja nur Bockmist herauskommen, wenn die sich schon selbst überprüfen.

Nachtrag 3: Die ursprüngliche Rezension, die den Wirbel ausgelöst hat, sollte man lesen. Zitat:

Der wissenschaftliche Ertrag der Arbeit ist bescheiden. Das liegt vor allem daran, dass der
Autor seinen Verfassungsbegriff nicht hinreichend entfaltet und damit weit hinter der wissenschaftlichen Diskussion zurückbleibt. Zu Guttenbergs Argumentation mäandert vor sich hin und zermürbt die Leser_innen durch seitenlanges Politsprech und die Nacherzählung rechtspolitischer Diskussionen im Konvent. Der Autor macht auch nicht ansatzweise deutlich, worin der aktuelle Erkenntniswert der seitenlangen Dokumentation zu den Gottesbezügen in Verfassungstexten liegt. Das Gesamturteil „summa cum laude“ erscheint darum mehr als schmeichelhaft.

Widersteht man dem Impuls, die Arbeit mangels Substanz nach einer ersten Durchsicht
gelangweilt aus der Hand zu legen und liest man etwas genauer hinein, dann zeigen sich einige formelle Auffälligkeiten. Zu Guttenberg bedient sich bei einer ganzen Reihe von Texten und Autor_innen, ohne die Fremdzitate lege artis kenntlich zu machen.

Nachtrag 4: Schade, die mußten die Rezension auf Druck des Verlages vom Server nehmen. Glücklicherweise hatte ich das noch im Browser-Cache hängen. In der Rezension wird zu Guttenbergs Dissertation ziemlich zerrissen. Es wird außerdem auf § 7 Abs. 3 der Promotionsordnung verwiesen, worin es heißt:

[…]Die benutzte Literatur und sonstige Hilfsquellen sind vollständig anzugeben; wörtlich oder nahezu wörtlich dem Schrifttum entnommene Stellen sind kenntlich zu machen.

Und dafür bekommt der ein Summa-cum-laude. Politiker hätte ich werden sollen.

53 Kommentare (RSS-Feed)

Hadmut Danisch
3.3.2011 20:16
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Im Prinzip ja. Aber trotzdem mehrere Fehler:

Es ist ja richtig, daß der Wissenschaftler sich bei Werturteilen zurückhalten soll. Aber nicht bei wissenschaftlichen Erklärungen, denn sonst wäre er ja kein Wissenschaftler.

Will sagen: Wenn einer Straftaten begeht, soll sich der Soziologe bei der Wertung der Verwerflichkeit zurückhalten. Erklären, warum er das tut, soll er schon. Weil eine Erklärung etwas anderes als eine Rechtfertigung ist usw.

Köhler/Schröder mißbraucht das aber als faule Ausrede, um sich in einer Dissertation um den wissenschaftlichen Teil zu drücken – und der ist doch gerade das, was in der Promotion gefordert wird. Die Promotion ist der Nachweis der Befähigung zu selbständigem wissenschaftlichen Arbeiten. Das geht nicht, wenn man den wissenschaftlichen Teil wegläßt.

Ob die Thesen Webers richtig oder falsch sind und ob Schröder sie richtig oder falsch zitiert hat, ist aber letztlich völlig irrelevant und braucht eigentlich nicht tiefer diskutiert werden. Denn es geht ja nicht um die Frage, ob das, was sie schreibt, schön oder nicht schön ist, sondern ob es die Prüfungsanforderungen erfüllt. Und die Leistungsanforderungen und Bewertungsmaßstäbe in berufsbezogenen Prüfungen hat nun einmal der Gesetzgeber und nicht Max Weber festzulegen. Und wenn das hundertmal richtig und toll ist, was Max Weber sagt – man hat zum Bestehen einer Prüfung die Prüfungsanforderungen und nicht die Ansichten Max Webers zu erfüllen.

Daß die wissenschaftliche Begründung in ihrer Arbeit fehlt, liegt nicht an Weber, sondern – da stimme ich mit Ihnen völlig überein – an ihrer Inkompetenz. Das Fehlen dann aber im Vorwort auf Weber zu schieben, halte ich für eine Frechheit und Dreistigkeit Schröders, und damit auch durchaus kritisierenswert.

Zumal ich den großen Vorteil habe, hier Blogger und nicht Prüfer zu sein. Ich kann mehr oder weniger schreiben, was ich denke.

Richtig wäre es also gewesen zu sagen, daß sie die empirische Verteilung ermitteln und darstellen will. Das wäre dann auch seriös(er) gewesen. Es hätte aber einen Haken gehabt: Reines empirisches Messen ohne neue Methoden ist nur die Anwendung wissenschaftlicher Methoden, aber kein selbständiges wissenschaftliches Arbeiten. Sowas kann man deshalb höchstens als Diplomarbeit oder Paper verwenden, aber es ist keine Dissertation (was ja auch das eigentliche Problem hier ist).

Gruß
HD


KL
4.3.2011 7:49
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Daß das eigentlich bedeutende Problem bei dieser Scheinarbeit ganz woanders liegt, sehe ich durchaus. Es ging mir auch nur um Klärung der Nebensache: Ich sehe wirklich nicht, daß sie sich mit der Berufung auf Weber selbst von wissenschaftlicher Arbeit dispensiert.
Wo Sie zitieren: “In dieser Arbeit soll empirisch die Verbreitung dieser normativen Positionen untersucht werden. Dabei geht es um die empirische Geltung von Werturteilen über Gerechtigkeit, nicht um ihre wie auch immer geartetete wissenschaftliche Begründung”, sehe ich eben die – leicht überflüssige – Betonung von K/S, sie wolle nur die Verbreitung der Werthaltungen darstellen, ohne nach der wissenschaftlichen Begründbarkeit dieser Werthaltungen zu fragen, weil ja schon Max Weber usw. usf. Darum scheint mir Ihr Schluß – “Die hat gar nicht vor, wissenschaftlich zu arbeiten” – nicht ganz treffend, wenigstens nicht aus dieser Stelle ableitbar.
Daß die Arbeit an allen Ecken und Enden eben den Eindruck hinterläßt, ist eine andere Sache. Das haben Sie überzeugend dargelegt, vor allem an der lächerlichen Aufbereitung des Materials, das ist Proseminar-Niveau, richtig.

Grüße,
KL


Da kommt mal einer mit ein wenig Charisma daher und schon wird er rausgemobbt. Ich denke weiterhin das Karl-Theodor zu Guttenberg einer der leistungsfähigsten und vertrauensvollsten Abgeordneten im Bundestag ist. Naja, noch ist es nicht zu spät, ich denke das er in eins bis zwei Jahren geläutert zurückkommt und immer noch Bundeskanzler werden kann. Habe mir bei naehmaschinen-hv.de vor einer Weile eine Nähmaschine bestellt und werde auf mein Hemd für Karl sticken:”Theo, wir sind für dich da, lass dich nicht überwältigen und komme zurück”.