Kriminelle Zitierpraktiken deutscher Professoren
Ich möchte hier mal ein ganz anderes – überraschendes – Licht auf die Affäre zu Guttenberg und das wissenschaftliche Zitieren werfen.
Nachdem mich mehrere Leute darauf angesprochen haben, stelle ich gerade eine Liste der Fälle von Zitierproblemen auf, die mir spontan einfallen. Und wenn ich die Liste sowieso aufstelle, kann ich sie für Interessierte auch gleich ins Blog schreiben. (Wenn’s wieder heißt: Der wiederholt sich, die Fälle hatte er schon, ja, das ist jetzt hier so gewollt. Es handelt sich überwiegend um eine Wiederholung, eine Zusammenstellung, einen Remix aus diesem Blog und Adele. Man hat darum gebeten. Also beschwert Euch nicht.)
Notorisch für das Zitiergehabe deutscher Professoren ist, – und daraus ergeben sich auch die oft „vergessenen” Quellenangaben in (moechtegern-)wissenschaftlichen Arbeiten – daß viele Professoren (und die sie nachahmenden Nachwuchswissenschaftler) Zitierungen nicht als Quellenangabe im urheberrechtlich-wissenschaftlichen Sinn verstehen, sondern als Würdigung und Bekenntnis zu gewissen Leuten, und natürlich als wertvolles Tauschobjekt in den Zitierkartellen.
Zitierungen gelten in der Wissenschaft nicht als selbstverständliche Pflichtübung, sondern als Mittel der Selbst- und Fremddarstellung. Zitiert zu werden ist ungemein wichtig, weil aus der Art und Menge der Zitate über die Zitiermetriken der „Wert” eines Wissenschaftlers bestimmt wird. Man muß zitieren um zitiert zu werden, und man vergrätzt Bekannte und Kollegen, wenn man sie nicht zitiert. Zitate dienen nicht der wissenschaftlichen oder urheberrechtlichen Korrektheit und Sorgfalt, sondern sie sind mehr so etwas wie eine Abbildung, der Graph eines sozialen Beziehungsgeflechtes. Das, was heute im Internet in den ach so neuen sozialen Netzwerken wie Facebook, Xing, Twitter usw. die eingetragenen Freundes- und Follower-Beziehungen sind, gibt es in der Wissenschaft als papierbasierende Netzwerke schon lange, weil die Zitate diese Darstellung der Beziehungen belegen. Was dem einen die Webseite bei den sozialen Netzwerken, ist dem anderen der Zitierapparat. Die Zitiermetrik besagt nichts anderes als wer die meisten „Followers” im Zirkus hat. Wie bei Twitter.
Deshalb ist es auch eine ständige Praxis, daß Professoren, die ein Werk, etwa ein Buch oder eine Dissertation, nach ihrem Quellenverzeichnis beurteilen. Es geht gar nicht darum, was in der Dissertation oder dem Buch steht, ob der Inhalt taugt oder nicht. Meist wird der sowieso nie gelesen, interessiert auch niemanden. Es geht darum zu sehen, aus welcher Schule derjenige kommt, welchen Stallgeruch er hat. Ob man ihn „riechen” kann oder nicht. Das sind ganz archaische Mechanismen, so wie die tätowierten Stammeszeichen, die sich heute so viele als Arschgeweih oder auf Beine, Schultern, Oberarme kritzeln lassen. Oder wie die Pin-Up-Girls im Soldatenspind, die gleich jedem unmißverständlich signalisieren sollen, an welchem der Ufer man seine Hütte hat.
Deshalb ist es in manchen Fächern auch so, daß die echten Quellenangaben als Fußnote angegeben werden, damit man beim Lesen sieht, wo etwas herstammt, während die Würdigungszitate in einem Anhang als Quellenverzeichnis aufgelistet werden, damit man beim Aufschlagen sieht, zu welchem Stamm und welcher Sippe der Indianer gehört und ob er die sozialen Huldigungsrituale beherrscht. Ob er also wissenschaftschwiegersohntaugliches Benehmen hat, und nach dem Doktorvater (= Adoptivvater) einen Folgevater (=Schwiegervater) findet.
Das führt zu zwei sehr unschönen und unwissenschaftlichen Effekten:
- Einmal gibt es falsche Zitate oder Quellenangaben. Das heißt, es werden Quellen zitiert, obwohl diese gar nicht genutzt wurden, das zitierte dort nicht steht oder eigentlich von jemand anderem stammt. Gründe dafür gibt es viele. Manchmal geht es nur darum, den Anhang mit den Quellenangaben so aufzublasen, daß es aussieht, als habe man viel und gründlich gearbeitet. Viele Dissertationen enthalten seitenlange Quellenangaben, die für die Dissertation überhaupt keine Rolle spielen oder nie gelesen wurden, aber Eindruck schinden sollen. Interessanterweise werden bei Dissertationen oft nicht nur die Inhalte, sondern noch viel öfter (was keiner untersucht) die Quellenverzeichnisse aus anderen Arbeiten übernommen.
Naja, und dann gibt es eben die Gefälligkeitszitate, die Speichelleckerei, damit der Kollege sich gebauchpinselt fühlt und im Index steigt, das Zitierkartell bedient ist und man auch wieder zitiert wird, um Werbung für ein Buch zu machen, das sonst keiner kennt, um falsche Urheberschaften zu fingieren und suggerieren, und, und, und…
- Und dann gibt es die fehlenden Zitate. Dabei geht es meist gar nicht mal um das (gefühlte) Plagiieren, sondern schlicht um die Unterscheidung zwischen zitierwürdigen und nicht zitierwürdigen Quellen. Deutsche Wissenschaftler haben sich ein Gehabe angeeignet, das an den Adel erinnert, der sich vom gemeinen Pöbel abheben will. Und so unterteilen sie ihre Welt strikt in „wissenschaftlich”, also würdig, und „nicht wissenschaftlich”, also unwürdig und damit unbeachtlich. Ein häufig zu beobachtender Standardeffekt ist, daß wenn jemand Kritik am Wissenschaftsbetrieb oder oder wissenschaftlichen Werken äußert, nicht die Kritik inhaltlich aufgenommen wird, sondern die Person des Kritikers als unwissenschaftlich und damit unbeachtlich eingestuft und damit ausgeblendet wird. Wer als unwissenschaftlich und nicht zitierwürdig oder -fähig gilt, wird nicht zitiert. Dazu gehören beispielsweise automatisch alle Studenten. Auch Mitarbeiter ohne eigenen Doktor, sofern sie nicht mindestens einen würdigen Wissenschaftler als Co-Autor haben, beispielsweise ihren Professor als Ehrenautor.
Das hat außerdem den Zweck, das Quellenverzeichnis quasi „adlig” elitär und sauber zu halten, denn es wäre ja eine Beleidigung für einen zitierten Wissenschaftler, wenn er im Quellenverzeichnis neben einer schnöden Tageszeitung stehen würde, in der irgendein ungebildeter, nichtakademischer Lokaljournalist herumtrötet.
Zu den unergründlichen Wundern der Wissenschaft gehört auch der sonderbare Umstand, daß die Qualität wissenschaftlicher Arbeit oder eines Werkes nicht in dessen Inhalt liegt. Naiverweise würde man annehmen, daß sich die Güte eines Werkes beim Schreiben bildet und folglich mit der unveränderlichen Fertigstellung festgelegt ist, daß die Qualität also abschließend feststeht, wenn das Werk erst einmal schwarz auf weiß auf Papier gedruckt ist.
Wissenschaftler glauben das nicht. Sie sind fest davon überzeugt, daß sich die Qualität eines Werkes erst nachträglich herausbildet, quasi auf mystisch-metaphysisch-magische Weise, und das Werk sich nachträglich verbessert, wenn es zitiert wird, obwohl alle mir bekannten Experimente und alle meine eigenen Beobachtungen belegen, daß der Text sich nicht nachträglich verändert, wenn er erst einmal auf Papier gedruckt ist. So erlebe ich es immer wieder (gerade erst vor wenigen Minuten wieder durch einen Blog-Kommentar), daß mir bei Kritik an Wissenschaftlern oder Publikationen entgegengehalten wird, wie oft das zitiert wurde. Es geht gar nicht darum, ob meine Kritik inhaltlich berechtigt ist. Das interessiert keinen. Es geht um die Zahl der „Followers”. Als ob jedes Zitat den Text nachträglich verbessern und irgendwelche Fehler ausbeulen würde. Als ob 3=5 umso richtiger würde, je öfter es zitiert wird. Die Merkwürdigkeiten des Zitierwesens haben sehr viel damit zu tun, daß man wissenschaftliche Qualität längst jeder Objektivität, jeder Argumentation, jeden fachlichen Disputs völlig enthoben hat und die Qualität nur noch als Ergebnis einer Art Abstimmung ansieht. Nicht mehr der Inhalt zählt, sondern wieviele den Finger heben. Wissenschaft verkommt zum Sozialereignis, zum höfischen Gehabe, wo man wie bei einer Festrede die Anwesenden in der protokollarischen Reihenfolge ihrer Wichtigkeit zu grüßen und zu respektieren hat.
Wenn man das verstanden hat, dann sieht man auch, daß es hier eigentlich gar nicht um die Causa zu Guttenberg geht, sondern um die allgemeine Gewohnheit der „Wissenschaft”, das Zitierunwürdige nicht zu zitieren. Nicht zu Guttenberg, sondern der degenerierten Wissenschaft ist der Vorwurf zu machen. Nicht das Symptom, sondern die Krankheit ist zu bekämpfen. Das übersieht die Öffentlichkeit aber leider in ihrer oberflächlichen Treibjagd auf zu Guttenberg, an dem man gerade ein Exempel statuiert. In gewisser Hinsicht kann man ihn deshalb auch durchaus eher als Opfer einer völlig verdreckten und korrupten Wissenschaftsszene als als Täter ansehen.
Und nun viel Spaß bei den Beispielen:
- Aktuell und neu: Auf der neuen zu-Guttenberg-Unterstützungsseite auf Facebook habe ich einen Beitrag gefunden (Authentizität nicht geprüft, Javascript einschalten, dann auf „read more” klicken), der angeblich von dem Informatik-Professor Wilhelm Spruth stammt (ähnliche Kommentare von ihm findet man auch auf anderen Webseiten, beispielsweise hier). Die Auffassung, die er dabei äußert, ist erstaunlich: Er meint, daß es kein Plagiat sei, wenn man bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ohne Quellenangabe abschreibt, das dürfe man und sei üblich. Als Grund gibt er an, daß ein Plagiat nur dann vorliege, wenn man fremde wissenschaftliche Beiträge als eigene wissenschaftliche Leistungen ausgibt. Weil die FAZ aber ein journalistisches und kein wissenschaftliches Werk sei, könne man also durch Abschreiben auch keine wissenschaftliche Leistung vortäuschen, also bräuchte es auch keine Quellenangabe. Zitieren sei reine Höflichkeit, aber nicht notwenig. Urheberrecht interessiert den erst gar nicht.
Diese Auffassung erscheint grotesk, trifft aber genau die Sichtweise, die ich in Gesprächen mit Professoren häufig angetroffen habe.
Nachtrag: Ein Leser hat mir per Kommentar (s.u.) noch den Link auf ein Interview mit diesem Professor geschickt. Haarsträubende Thesen.
- Schon fast ein Klassiker geworden ist und Eingang in die Fachliteratur über Plagiate gefunden hat (wenn auch ironischerweise nicht immer mit Angabe des Ursprungs) das Schreiben der Staatsanwaltschaft Darmstadt auf meine Strafanzeige wegen des Darmstädter Jura-Professors, der erst mit einem Plagiat aufflog, und dann die Schuld auf seinen Mitarbeiter schob, von dem er sich seine Buchartikel schreiben ließ, den man dann auch rauswarf. Die Staatsanwaltschaft schrieb:
“Es ist allgemeiner Usus, dass Professoren Mitarbeiter beauftragen, für sie Forschungen anzustellen, Artikel zu schreiben und selbst Kommentarpassagen zu entwerfen, die dann in ihrem Namen veröffentlicht werden. Das ist auch den Verlagshäusern bekannt und wird hingenommen. Hier war es so, dass laut Presseartikel der wissenschaftliche Mitarbeiter als Co-Autor erwähnt war. [Anm.: Stimmt nicht!] Eine Täuschung liegt demnach nicht vor, zumal der Professor dadurch, dass er seinen Namen dafür hergibt, auch die wissenschaftliche Verantwortung für den Inhalt übernimmt. Stimmt etwas nicht und hat er mehr oder weniger blanko die Verantwortung übernommen, geht dies im wissenschaftlichen Sinn mit ihm heim in dem Sinne, dass aufgrund der Peinlichkeit des Vorkommnisses seine wissenschaftliche Reputation möglicherweise Schaden nimmt. “
- Als ich damals wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Karlsruhe war, gab es einen Mords-Krach zwischen dem Professor (Beth) und einem anderen Doktoranden, weil der Doktorand nicht damit einverstanden war, daß der Professor dessen Forschungsergebnisse auf einer Konferenz als seine eigenen ausgeben wollte. Weil der Doktorand trotz ausdrücklichen Verbots eigenmächtig und auf eigene Kosten zu der Konferenz reiste, trat der Professor seine groß angekündigte und schon bezahlte Reise nicht an und sagte seinen Vortrag kurzfristig ab. Deshalb gab er im Institut die Anweisung, dem Doktoranden die Dissertation und die Forschungsergebnisse wegzunehmen, und dazu dessen PC im Institutstresor einzuschließen. Dabei geriet er außer sich vor Wut, weil er nicht einsehen und akzeptieren wollte, daß das so nicht möglich ist, weil der PC größer als der Tresor war und man höchstens die Festplatte einschließen könnte.
- Vor einigen Jahren habe ich einen Studenten bei seinem Streit gegen die Universität Karlsruhe unterstützt. Seine Diplomarbeit war von einem wissenschaftlichen Mitarbeiter schlecht benotet worden (obwohl nach Gesetz Diplomarbeit von zwei Professoren und nicht von einem Mitarbeiter bewertet werden müssen).
Grund für die schlechte Note war nicht etwa, daß die Arbeit nicht gut gewesen wäre, sondern daß der Student sie nicht so gefertigt hatte, daß sie nahtlos für die Dissertation des Mitarbeiters zu verwenden war. Der Doktorand brauchte dringend eine Implementierung, war aber selbst zu blöd um zu programmieren und konnte nur etwas C. Der Student hatte gute, funktionierende Software geschrieben, aber in C++, was der Doktorand nicht verstand und auch nicht umschreiben konnte. Der Student wollte seine Diplomarbeit auch nicht auf C umstricken, weil er der (zutreffenden) Meinung war, daß das in C++ viel schöner und eleganter ist und das eine Verschlechterung darstellen würde.
Man vertrat damals ganz offiziell und ohne jede Scham die Meinung, daß die Universität so eine Art Schneeballsystem ist, und jeder nach oben zuzuarbeiten hat, und sich dafür von unten bedienen lassen kann, natürlich ohne zu zitieren. Der Doktorand ist der Ghostwriter des Professors, dafür ist der Student der Ghostwriter des Doktoranden.
Passiert ist nur dem Studenten was, er blieb nämlich auf der schlechten Note sitzen. Daß dem Doktoranden und dem Professor nichts passierte lag vielleicht auch daran, daß der Professor selbst Mitglied der Untersuchungskommission für wissenschaftliches Fehlverhalten war.
- Auch vor ein paar Jahren habe ich mal einen etwas schüchternen Ex-Studenten so als Sekundant und zum Mitschreiben vor die Untersuchungskommission der Universität Heidelberg begleitet. Der war schon raus aus der Uni, und hat dann irgendwie erfahren, daß sein ehemaliger Diplomarbeitsbetreuer die Ergebnisse aus seiner Diplomarbeit nicht nur ohne Quellenangabe in seine Dissertation übernommen hatte, sondern daß der Arbeitgeber des Doktoranden (bin mir jetzt nicht mehr ganz sicher, aber ich glaube, es war die Max-Planck-Gesellschaft) auch noch ein Patent auf den Namen des Doktoranden beantragt hatte.
Ich kann mich noch erinnern, daß ich mir vorkam wie bei einer Sitzung des Ku-Klux-Klan oder einer Geheimloge, weil die Professoren der Kommission uns nicht einmal sagen wollten, wer sie sind und wie sie heißen. Ich habe mich da erst mal durchsetzen müssen.
Man vertrat dort damals die Auffassung (und darauf berief sich der Doktorand insbesondere immer wieder, der über die Vorwürfe fassungslos war, wie er mir auch persönlich sagte, als ich ihm zufällig auf der Toilette unter vier Augen begegnete), daß das Übernehmen der Arbeiten betreuter Doktoranden in die Dissertationen ein völlig normaler und nicht zu beanstandender Vorgang sei, und daß Diplomarbeiten nicht zu den Werken gehörten, die zitiert werden. Man fand überhaupt nicht, daß der Doktorand da ein Fehlverhalten begangen hätte, sondern sah vielmehr bei dem Ex-Studenten das Fehlverhalten, daß der die Frechheit besaß, sich darüber zu beschweren und eine solche Sitzung anzuzetteln. Warum ausgerechnet er sich aufrege, das wäre doch gängige Praxis, ihm entstünde doch gar kein Schaden oder Unterschied, und er habe die Universität doch sowieso verlassen, also ginge ihn das doch praktisch gar nichts mehr an.
Außerdem sei den Interessen des Studenten doch inzwischen mehr als Genüge getan worden, weil man während des Beschwerdeverfahrens doch kalte Füße bekommen und den Patentantrag zurückgezogen hatte (oder es zumindest behaupteten, belegt wurde es nicht). Dadurch habe man mehr aufgegeben, als ein Student jemals Interesse und Rechte haben könnte, womit die Sache erledigt sei.
Bei der faulen Dissertation ist es geblieben, der hat damit promoviert.
- Ich habe damals als Diplomarbeit einen Parallelrechner aus 13 Transputer-Prozessoren gebaut. Kaum war der fertig und lief, wurde auf der Platine mein Name überklebt und das Ding für die Promotionsprüfung eines Doktoranden als dessen Werk verwendet.
- 1997 hatte sich Professor Beth einen Auftrag der damaligen Internet-Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags zur Erstellung eines Sachverständigengutachtens über Sicherheitsanforderungen im Medizinwesen herangeholt, das Anfang 1998 vorzulegen war. Er hatte aber nicht entfernt das Fachwissen dafür und dachte aufgrund eines Mißverständnisses irrtümlich, daß ich dieses Gutachten bereits schreiben würde, sagte aber zunächst nichts. Ende 1997 ertappte ich zwei Kollegen dabei, wie sie heimlich und in Beths Auftrag Backups von meiner Sun Workstation zogen, weil er sich den Zugriff auf das Gutachten sichern wollte. Da war nur nichts. Als Beth Anfang 1998 in Zeitnot kam, schlug er mir vor, daß ich das Gutachten doch bitte schreiben sollte, auch in meinem eigenen Interesse, weil er für meine so sehr gute Dissertation die Auszeichnung beantragen wolle, aber die Professoren sich untereinander bekriegen würden, und so ein Bundestagsgutachten eine prima Verteidigung wäre, gegen die niemand mehr etwas einwenden könne. Gesagt getan, mein Gutachten wurde damals als einziges der Gutachten auszugsweise im Bericht der Enquete in den Bundestagsdrucksachen wiedergegeben.
Aber nicht unter meinem Namen. Denn kaum war das Gutachten fertig, wurde mein Name als Autor entfernt und durch ein vorgebliches Opponenten- und Proponententeam unter Leitung Beths ersetzt. Verschiedene Leute berichteten mir dann, daß er das Gutachten gegenüber anderen Professoren und dem Bundestag als eigenes Werk ausgegeben hat.
Fast 10 Jahre später habe ich mich auf die Professur Nachfolge Beths beworben. Am Ende kam es zum Streit und zum Showdown zwischen dem Hausberufungskandidaten Müller-Quade und mir. Bei der Prüfung der Bewerbungsunterlagen stellte sich heraus, daß Müller-Quade, ein ehemaliger Kollege von mir aus meiner früheren Zeit am Institut, der damals von Beth als Mitglied dieses fiktiven Autorenteams genannt wurde, in seiner Veröffentlichungsliste mein Bundestagsgutachten als sein Werk auflistete.
Die Fakultät, das Wissenschaftsministerum und das Verwaltungsgericht (der Vorsitzende selbst Dozent an einer Hochschule) störte das aber überhaupt nicht. Das sei normal und üblich, daß man Werke auflistet, die man nicht selbst geschrieben hat. Sie fanden das im Gegenteil sogar gut, daß da einer seine Veröffentlichungsliste aufpeppt, denn je länger die ist, desto mehr Drittmittel holt einer rein.
- Anfang 1998 hatte ein damaliger Kollege und Doktorand am Institut so ganz plötzlich, überraschend und erstaunlich leise und unauffällig seine Promotionsprüfung. Weil sie für irgendeine Stelle gerade einen Promovierten brauchten. Ich staunte darüber zweimal. Zuerst, weil er noch kurz vorher gejammert hatte, daß noch nichts hätte und nicht wüßte, worüber er seine Diss schreiben könnte. Und zum zweiten Mal, als ich mir die Dissertation fast zwei Jahre später anschauen wollte und sie noch immer nicht veröffentlicht worden war. Als ich dann an der Fakultät nachbohrte, wie das möglich wäre, hat man plötzlich innerhalb einer Woche eine Dissertation drucken lassen und in die Bibliothek gestellt. Die besteht aber nur aus zusammenhangslosen Wiedergaben fremder Werke, Copy-Shake-and-Paste. Zwar alles sauber zitiert, aber nichts eigenes dazwischen. Man kann auch ohne Dissertation promovieren und die durch reines Abschreiben nachliefern.
- Es war damals am Institut generell so üblich und zwingend, daß Doktoranden in ihrer Dissertation noch ein Kapitel unterbringen mußte, das meist mit dem Thema nichts oder nur am Rande zu tun hat, das der Doktorvater aber als Kapitel für ein Buch oder für Vorträge verwerten konnte. Deshalb finden sich in den Dissertationen des Instituts häufig Kapitel, die inhaltlich nicht zum Rest passen und isoliert stehen.
- Als ich Krach mit der Uni Karlsruhe wegen der Promotion bekam, habe ich an anderen Universitäten nach anderen Betreuern gesucht. Einer sah sich in meiner Dissertation nur (!) das Quellenverzeichnis an, fand darin mehrere Quellen, die er „unwissenschaftlich” fand, störte sich besonders an der Literaturangabe 88, wo ich die Zeitschrift c’t des Heise-Verlags zitiert hatte, und lehnte die Betreuung der Dissertation ab, weil er sich nicht wissenschaftlich blamieren wolle, eine solche Quelle dürfte auf gar keinen Fall in einem Werk mit wissenschaftlichem Anspruch auftauchen. Als ich gegenhielt, daß die nunmal über den Vorgang geschrieben und ich es gelesen und damit verwertet hatte, ich sie also zwangsläufig als Quelle angeben mußte, sagte er mir direkt, daß man sich da natürlich die „Anregungen holen” darf, aber das dürfte man eben nicht als Quelle auflisten. Wie sähe denn das aus, wenn sich da ein anerkannter und geschätzter Wissenschaftler in einer Liste mit so einem Populärblatt wiederfinden müßte. Das wäre ein Affront und entwürdigend. Sowas dürfe niemals in einem Quellenverzeichnis auftauchen.
- Noch ein schönes interkulturelles Mißverständnis: In meinem Promotionsstreit beauftragte die Uni Karlsruhe damals als neuen Zweitgutachter Ueli Maurer von der ETH Zürich. Der lehnte meine Dissertation ungelesen (!) als Plagiat ab, obwohl sie kein Plagiat war. Lediglich vier Seiten Einführung in die Informationstheorie hatte ich – mit expliziter Quellenangabe und klar als bekanntes und altes Lehrmaterial erkennbar – übernommen. Maurer wußte aber nicht, daß ich widersprechen kann und er seine Bewertung (spätestens) dann begründen muß. Er konnte es nicht begründen und zog den Vorhalt dann als nur so dahergesagt zurück.
Der Grund für seine Annahme ist nämlich der: An der ETH Zürich wird in den Dissertationen so unglaublich viel abgekupfert und zitiert, daß die Professoren dort die Dissertationen erst gar nicht mehr komplett lesen. Der Doktorand muß deshalb dort in der Einleitung auflisten, was in der Arbeit überhaupt von ihm selbst stammt, damit der Professor weiß, welche Seiten er lesen und bewerten soll. Weil ich das aber nicht wußte, nicht mit einem Schweizer Prüfer rechnete und meine Dissertation komplett selbst geschrieben habe (bis auf besagte vier Seiten), und damals der naiven Meinung war, daß Doktoranden das selbstverständlich sowieso zu tun haben ohne das nochmal separat für sich in Anspruch zu nehmen, habe ich in meiner Einleitung keine Auflistung dessen, was ich selbst gemacht habe.
Maurer guckte in die Einleitung, fand keinen Was-ich-selbst-gemacht-habe-Anspruch, und folgerte daraus, daß ich – wie halt an der ETH wohl üblich – alles abgeschrieben hätte, von dem ich nicht nochmal extra behauptete, doch was selbst gemacht zu haben.
- Von mehreren Lesern meines Blogs wurden mir Vorgänge berichtet, die sich alle sehr ähneln, und von denen ich selbst einige miterlebt habe, und die immer nach dem gleichen Schema laufen:
Doktorand schreibt Dissertation, bekommt für diese und die mündliche Prüfung eine gute Note, bekommt aber die Bestätigung zur Freigabe der Veröffentlichung nicht, kann deshalb seine Promotion nicht abschließen, sitzt auf heißen Kohlen, läuft auf einen Fristablauf zu und ist erpressbar. Dann fordern die Doktorväter, Zweitgutachter (und manchmal sogar die Dekane), daß das zwar alles gut und schön sei, nunmehr aber die Dissertation komplett umzuschreiben sei und die Meinung und Werke der Prüfer (und sonstiger Freunde) intensiv zu zitieren wären, das wäre man denen einfach schuldig. Da wird also meist was ganz anderes veröffentlicht als geprüft wurde, damit die Professoren sich bestätigt und zitiert sehen.
- Ab hier noch ein paar schöne Beispiele aus dem Erstgutachten zu meiner Diss, im Stil der „Eliteuniversität” Karlsruhe. Der Leser möge sich gegenwärtig halten, daß das zwar hier immer um den Prüfer Beth geht, daß aber das Gutachten wiederholt von der Uni Karlsruhe eingesetzt und von einem Verwaltungsrichter, der selbst Dozent an einer Hochschule ist, und zwei anderen Professoren ausdrücklich als nicht zubeanstanden bewertet wurde, also durchaus die gängige und akzeptierte Zitierpraxis wiederspiegelt:
ohne dass dabei […] auf Publikationen neueren Datums verwiesen wird, wie etwa das Buch von Dieter Gollmann: “Computer Security”, Wiley & Sons, Erscheinungsdatum: Januar 1999 (dieses Buch hätte vom Kandidaten, da die Arbeit erst im Wintersemester 1999 abgegeben wurde, zitiert werden müssen, da es zu diesem Zeitpunkt erschienen und bekannt war) […]
Als ich die Arbeit geschrieben habe, war dieses Buch noch nicht erschienen. Weder habe ich es benutzt, noch steht in dem Buch etwas, was zum Inhalt der Diss gepaßt hätte.
Es wird aber verlangt es zu zitieren, einfach weil es da ist. Außerdem war Beth nicht nur mit Gollmann befreundet, sondern Gollmann auch ursprünglich als Zweitgutachter vorgesehen. Also hat man ihn gefälligst zu würdigen und zu zitieren, egal ob man das Buch verwendet hat oder ob es schon erschienen war. Es geht um die Huldigung, nicht um die Angabe der Arbeitsmittel.
-
[…] oder auf die dem Kandidaten durchaus bekannte BAN- Sicherheits-Logik mit der Erweiterung von BKY (siehe: Th.Beth, B. Klein, R. Yahalom: “Trust Relationships in Secure Systems – A Distributed Authentication Perspective “Proceedings 1993 IEEE Computer Society Symposium on Research in Security and Privacy, Oakland, CA, USA, 1993, IEEE
Computer Society Press, 1993, S. 150-164)Hier erzwingt der Prüfer Beth, selbst für etwas zitiert zu werden, was er nicht gemacht hat.
Klein und Yahalom hatten das am Institut entwickelt (ich saß daneben). Beth war daran nicht beteiligt, drängte sich aber als Institutsleiter zunächst in die Rolle des drittgenannte „Ehrenautors”. Auf dem Paper wird er unrichtig als dritter Autor genannt. Als Klein und Yahalom beide weg waren (und nicht mehr im Wissenschaftsbereich arbeiten), setzte sich Beth dann sogar einfach selbst an die Stelle des ersten Autors. Er kann noch nicht einmal den Inhalt richtig angeben, denn es geht um eine Authentifikations-Logik, nicht um eine Sicherheitslogik, hat auch nicht verstanden, worum es geht, beansprucht aber die Erstautorenschaft und sorgt dafür, überall als Erstautor genannt zu werden, bis es jeder glaubt.
-
jedoch wird dem im Gebiet erfahrenen Leser sofort klar, dass der Begriff der Partei nicht nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten getroffen wurde, denn sonst hätte der Kandidat auf das schon vor nahezu zwei Jahrzehnten von Roger Needham eingeführte und seither bewährte Konzept des “principal” zurückgegriffen und nicht wieder versucht, mit einer eigenen Definition zusätzliche nomenklatorische Neuentwicklungen zu beginnen.
Man beachte (mit Kontext zu Guttenberg), daß man als Doktorand also eigentlich gar nichts eigenes bringen darf, sondern gefälligst das zu rezitieren hat, was schon da ist.
Der Haken daran: Weder hat Roger Needham das Konzept des „principal” eingeführt, noch ist es überhaupt ein Konzept oder hätte hier gepaßt. Das ist frei erlogen.
Beth war aber mit Needham befreundet, und Needham war Zweitgutachter bei einer anderen Promotion unter Beth, die Beth zum Institutsjubiläum ganz dringend brauchte und die durchgewinkt wurde. Weil Needham also zum Freundeskreis des Doktorvaters gehört, hat man ihn für etwas zu zitieren, was er nicht gemacht hat, was aber keiner merkt und nachprüft, bis es schließlich alle glauben (und hier noch obendrein glauben, der Doktorand hätte nicht mal Grundwissen, weil er etwas so wichtiges nicht kennt und zitiert, obwohl es das in Wirklichkeit gar nicht gab).
- Ein herrliches Prachtbeispiel dafür, wie Professoren durch ihre Zitierpraxis täuschen und betrügen, und wie die Autorenschaft durch falsches Zitieren verschoben wird:
unterläuft dem Kandidaten der nicht verzeihbare Lapsus, zu Ende des vorletzten Absatzes das Beispiel medizinischer Patientendaten, die im Notfall nicht verfügbar seien, zu erwähnen, ohne dieses auszuführen, und vor allen Dingen, ohne dabei darauf hinzuweisen, dass dieses Beispiel der vom EISS für den Deutschen Bundestag angefertigten
Studie [44] entlehnt wurde.Es geht um mein oben schon erwähntes Bundestagsgutachten, das Beth dann als seines ausgab. Verfolgen wir also mal den Weg, den dieses »Beispiel medizinischer Patientendaten« nahm:
- Zuerst habe ich es mir im Rahmen meiner Arbeit im SFB 414 (Informatik in der Medizin) ausgedacht und in die Notizen für meine Diss aufgenommen.
- Dann habe ich es im SFB 414 in einem internen Paper unter meinem Namen veröffentlicht. Es war also nachweislich von mir.
- Bei einem zufälligen Zusammentreffen habe ich mit dem Abgeordneten Jörg Tauss über das Thema gesprochen, woraus sich der Auftrag für das Bundestagsgutachten (s.o.) ergab.
- Weil Beth selbst nicht konnte, habe ich das Gutachten geschrieben (s.o.) und darin auch das Beispiel verwendet – denn das Gutachten sollte ja auch zur Verteidigung der Dissertation dienen.
- Dann hat Beth mich als Autor des Gutachtens entfernt, sich selbst eingesetzt und in alle Richtungen behauptet, es selbst geschrieben zu haben.
- Und mir wird dann schließlich vorgeworfen, ihn nicht dafür zitiert zu haben (also quasi zu bestätigen, daß ich nicht Autor des Gutachtens bin)
- Und obendrein stehe ich noch als Plagiator da, was jeder Leser der Bewertung ja glauben muß.
Und obwohl mir sogar der Kanzler der Universität nach Aufklärung der Sache ausdrücklich, schriftlich und mit Dienststempel der Universität bestätigte, daß ich der Autor des Gutachtens bin, heißt es weiter unten
Kapitel 6 schließt mit der Bemerkung, daß die Ergebnisse dieser Arbeit die Grundlage eines Gutachtens für den Deutschen Bundestag darstellen,
auf das der Kandidat in seiner Literaturliste mit [44] verweist . Dieses Zitat ist unvollständig und inkorrekt, da der Kandidat mitnichten der alleinige Autor ist. Dieses Gutachten wurde
durch die intensive-Arbeit eines Teams von Proponenten und Opponenten erstellt, die die diversen Szenarien für ein solch wichtiges Gutachtens nach den Regeln der Systemsicherheit bearbeitet haben.Im Entwurf vom 30.04.1998 waren diese Zitate noch korrekt vorhanden und sind erst in der eingereichten Version verändert worden, […]
Noch „korrekt” vorhanden? In der Entwurfsversion war auf Beths Anweisung noch er selbst (und nicht das Team) als Autor angegeben. Das habe ich dann geändert, als ich die Bestätigung vom Kanzler hatte, und prompt wird es als Grund für die Ablehnung der Dissertation herangezogen.
So läuft das in der Realität.
- Ein schönes Beispiel, wie durch eindrucksvolles aber falsches Zitieren der Leser, der das sowieso nicht nachprüfen kann, getäuscht wird:
Es ist falsch, dass beim Telefonieren die Telefonnummern übertragen werden müssen. Der Kandidat scheint dabei ausschließlich an die im Moment praktizierten ISDN-Protokolle zu denken und hat dabei übersehen, dass z.B. insb. bei Packet Switched Networking mit Public-Key Adressierung, wie sie von dem vor wenigen Tagen verstorbenen Donald Davies F.R.S. als ursprüngliche Grundlage für die Einführung von PSN betrachtet wurde, genau diese Problem umgangen werden sollte (siehe dazu auch: The Times, London, Mittwoch, 31.05.2000).
Liest sich wie ein Argument, ist aber keines. Der Artikel in der Times war ein Nachruf auf den verstorbenen Davies, ohne jeden technischen oder wissenschaftlichen Inhalt. Eine Packet Switched Networking mit Public-Key Adressierung hat es nie gegeben, kann es auch historisch nicht. Das ist frei erfunden, und wird durch ein Pseudozitat scheinbar begründet.
-
Der Begriff der Unizitäts-Länge, […] wird hier wieder ohne Definition benutzt, wobei der Kandidat auf die ihm bekannten Stellen bei G.J.Simmons hätte verweisen müssen.
Wieder das gleiche Schwindelschema für falsches Zitieren: Beth kannte Gus Simmons persönlich, hat ihn angehimmelt und hielt ihn für den Erfinder der Kryptographie schlechthin, weshalb er ihn stets für alles und jedes zitierte, damit immer der Eindruck entstünde, daß sein Idol Simmons so etwas wie die Gottheit der Kryptographie wäre. Beth erhoffte sich über Simmons auch Beziehungen, weshalb er ihm ständig den Bauch pinselte.
Simmons mußte in Beths Augen immer zitiert werden, egal wofür. Deshalb wirft er mir auch vor, Simmons nicht für die Unizitäts-Länge zitiert zu haben.
Nur: Die Unizitätslänge stammt nicht von Simmons, sondern von Claude Shannon. Es wird also systematisch verlangt und erzwungen, daß man in Dissertationen – und anderen wissenschaftlichen Werken – lügt und falsch zitiert, damit die Zitierkartelle bedient werden. Auch das ist wissenschaftliche Fälschung.
- Oder das hier:
Das in Beispiel 4.3 beschriebene Unterlaufen der Schichtenstruktur im Bell-LaPadula-Modell mittels sogenannter verdeckter Kanäle (siehe dazu meine Bemerkung oben zu Seite 86) ist ein altes Beispiel (“covered channel”, siehe dazu Butler Lampson: A Note on the Confinement Problem, CACM,16(10),pp.613-615,October 1973), das, wie die anderen Schwächen, die der Kandidat in seiner Fußnote auf Seite 106 erwähnt, nicht durch Literaturzitate belegt wird, wieweil er offensichtlich über diesen Kenntnisstand verfügt.
Und wieder wird falsches Zitieren erzwungen. Beth verwechselt covert, covert und hidden mehrfach miteinander, außerdem kann man Lampson 1973 nicht für eine Bell-LaPadula-Schwäche zitieren, weil Bell-LaPadula erst 1976 veröffentlicht wurde. Aber zu Lampson hatte Beth wieder irgendwelche Beziehungen, also kommen wieder mal die Zitierkartelle zum Zug. Da gibt es einen Katalog von heiligen Publikationen, und die hat man zu zitieren, egal wofür, egal ob es stimmt, und egal ob man es in der Arbeit verwendet hat oder nicht.
Man hat den Heiligen der Zunft seinen Kotau zu erweisen.
- Und noch so ein Anbetungszitat zum Idol Gus Simmons:
Der letzte Abschnitt 5.7.3 schließlich beschäftigt sich mit der Simmons’schen Theorie des subliminal channels, wobei, wie oben angemerkt, nicht alle Zitate angegeben werden sind, obwohl diese dem Kandidaten bekannt sind: Der Kandidat hätte den Artikel aus dem IEEE Journal on Selected Areas in Communications (Mai 1998) zitieren
müssen, in dem die Artikel von Gustavus Simmons auf den Seiten 452 und 463 ihm einige Einsicht in die von ihm untersuchten Fragestellung vermittelt hätten, […]Von den fachlichen Fehlern, auf die ich hier nicht weiter eingehen will, mal ganz abgesehen: Ich hatte in diesem Abschnitt 5.7.3 (von der Anbetung Beths für Gus Simmons wissend) vorsorglich 5 Quellen (!) von Gus Simmons angegeben. (An sich war das ganze Thema Gus Simmons für die Dissertation irrelevant, ich habe es überhaupt nur reingenommen, weil Beth darauf bestand, daß Simmons immer und überall zitiert werden muß, und dachte, daß 5 Quellen reichen, obwohl ich damit eigentlich gar nichts gemacht habe).
Nöh. 5 Quellen reichen nicht. Man hat das gesamte Lebenswerk vollständig zu zitieren, auch wenn es mit der eigenen Arbeit überhaupt nichts zu tun hat. Geht nämlich gleich weiter:
die den Simmons’schen Entdeckungen zu entnehmen sind, wie sie etwa im Handbook of Applied Cryptography, CRC Press, 1997 auf Seite 485 in kurzer, aber exakter Weise beschrieben werden.
Promovieren hat überhaupt nichts mit Forschen oder selbständigem Arbeiten zu tun. Es ist eine Pflichtübung, die richtigen Leute anzubeten (oder umgangssprachlich gesagt, ein Vorturnen darin, den richtigen Leuten möglichst schön, tief und ausgiebig in den A… zu kriechen).
- Alle bisherigen Beispiele der Bewertung laufen darauf hinaus, daß das Fehlen von Zitaten gerügt wird, obwohl diese tatsächlich falsch wären und nicht benutzt wurden. Es werden also Gefälligkeitszitate gefordert (in dem Stil, in dem Professoren auch Gefälligkeitsgutachten ausstellen).
Aber auch die Angabe eines Zitats wird einem zum Vorwurf gemacht:
[…]wie dies etwa bei dem von ihm weiter oben erwähnten Jefferson Wheel Cipher (siehe Seite 128) der Fall ist. Leider ist das von ihm gegebene Zitat der populären Literatur entnommen, so dass weitere Untersuchungen entsprechend der o.g. Aufgabenstellung über den informationstheoretischen
Hintergrund dieses Verfahrens, das möglicherweise eine der bedeutendsten Erfindungen eines der größten Köpfe der Menschheit darstellt, nicht erwähnt wurden.Ich hatte als Quelle zum Jefferson Wheel den Klassiker, The Codebreakers von David Kahn, angegeben. Ein eigentlich international anerkanntes Werk über die historische Entstehung.
Das Buch ist prima, spannend und informativ. David Kahn ist kein Universitätswissenschaftler, sondern Journalist. Und gilt damit bei solchen Professoren als nicht zitierwürdig. Abschreiben kann man bei dem schon, aber man darf ihn keinesfalls als Quelle angeben (wie etwa auch die c’t, siehe oben).
So geht’s an deutschen Universitäten zu. Wissenschaftliches Zitieren heißt hier vor allem kriminelles kollektives Lügen und Betrügen durch falsche Zitate und durch Unterlassen. Und wer da als Mitarbeiter und Doktorand nicht gehorsam mitmacht, dem wird die Dissertation abgelehnt. Die meisten Beispiele hier stammten von der „Exzellenzuniversität” Karlsruhe.
Und nun vergleicht mal das letzte Beispiel (David Kahn) mit dem oben als erstes Beispiel gebrachten Kommentar des Informatik-Professors Wilhelm Spruth. Deutsche Professoren betrachten kanze Kategorien von Quellen, vor allem die von außerhalb der Universitäten, als nicht zitierwürdig, als unwissenschaftlich, als populär, und damit als Freiwild. Da darf man sich nach Belieben bedienen, was nicht mal als verwerflich oder schädlich angesehen wird, weil es ja als unwissenschaftlich angesehen wird, und man deshalb durch Plagiieren keinen wissenschaftlichen Betrug begehen kann.
Und nun wendet das mal auf den Fall zu Guttenberg an.
Das Ausmaß seiner Abschreiberei war sicherlich enorm.
Aber qualitativ hat er nichts anderes getan als das, was deutsche Professoren sowieso tun und erzwingen. Aus der FAZ abzuschreiben ohne zu zitieren ist ein völlig normaler Vorgang, denn die ist journalistisch. Also damit unwissenschaftlich und nicht zitierwürdig, also darf man die nicht zitieren, will man seine Arbeit aus wissenschaftlicher Sicht nicht entwerten. Und gleichzeitig ist das Abschreiben unschädlich, weil man durch Abschreiben von populären Billigkram ja keine wissenschaftliche Täuschung begehen kann.
Alle schlagen sie auf zu Guttenberg ein. Letztlich hat er aber nur das getan (und etwas übertrieben), was an deutschen Universitäten der Normalfall ist. Nämlich Klauen, Lügen, Betrügen, Täuschen und Fälschen. Und zwar so sehr, daß der Ehrliche nicht mehr durchkommt.
Schon mal von der Seite gesehen?
(Ich bin trotzdem der Meinung, daß er den Doktor verlieren und zurücktreten sollte, sonst wird dieser kriminelle Mist auch noch offiziell bestätigt und – im doppelten Sinne – geadelt, und hört nie auf. )
Nachtrag 1: Weil die Leute meinen, daß das hier so düster, negativ, deprimierend rüberkommt, vielleicht zum Abschluß noch was zum Lachen: Die unteren Beispiele waren aus dem Erstgutachten der Karlsruher Fakultät für Informatik über meine Dissertation entnommen. Der verantwortliche Dekan war dabei Walter F. Tichy, der dafür berüchtigt ist, daß er Studenten drakonisch und unerbittlich verfolgt, wenn sie ein Übungsblatt mal abschreiben. Ich habe bei ihm damals Informatik IV gehört, und er hat damals gedröhnt, daß man abschreibende Studenten härter bestrafen müsse, als ihnen 0 Punkte zu geben, weil das so wäre, als wäre das schlimmste, was einem Bankräuber passieren könnte, daß er das Geld zurückgeben muß. Er hat sogar extra einen Plagiatsfinder entwickeln lassen. Vergleicht das mal mit dem aktuellen Verhalten zu Guttenbergs und der Zitierpraxis, die er mit Anwendung des Gutachtens von mir verlangt hat. Die typische Doppelmoral.
45 Kommentare (RSS-Feed)
[…] Auch die Mafia befasst sich nun mit dem Fall Guttenberg – welch Glück, dass wir früh gegengesteuert haben! tp://dfedv.wordpress.com/2011/02/19/zitate-und-literaturverzeichnis-mit-word-2010 […]
Ich weiß nicht, ob das Deine Intention war, aber mir ist gerade die Lust am Abschluss eines universitären Studiengangs vergangen.
@ck: Naja, meine Intention war, mal aufzuzeigen, wie unseriös das ist und wie verlogen dieser Nimbus ist, den die da aufbauen. Die Schlußfolgerungen und Konsequenzen, die man daraus zieht, liegen eigentlich außerhalb meiner Intention. Aber zugegeben, viel Auswahl bleibt da nicht mehr…
Bei den Juristen gelten “unveröffentlichte” Urteile (also Urteile, die nicht jemand wichtiges an eine Fachzeitschrift geschickt hat, wo dann “mitgeteilt von” drübersteht) als nicht zitierfähig. Man hat mir mal erklärt, man müsse da zwischen juristischen und rechtswissenschaftlichen Quellen unterscheiden …
@Hadmut: Eine hervorragende und sehr genaue Lagebeschreibung dieser Misere.
Man kann nur bestätigen, dass es die Ausnahme ist, an den meisten unserer (“süddeutschen”?) Universitäten sehr schwer ist mit Intelligenz und ehrlicher Arbeit ans Ziel zu kommen. Ethik sowieso Fehlanzeige!
In den 50er, 60er, 70er Jahren gab es doch noch einige angesehene Institutionen in der alten BRD. Zu denen gehörte damals wohl auch die Fridericiana.
Seit den Jahren der Drittmittelanwerbung hat sich das Gesamtbild dieser Institutionen – vor allem durch den Einfluss der Geldgeber und der damit verbundenen “Persilwerbung” – gravierend geändert. Immer mehr Professoren wurden so zu Handlangern der Polit- und Finanzelite und zum verlängerten Arm der Wirtschaftselite.
Die Karlsruher Universität hat es besonders hart getroffen.
Schaut Euch doch mal den Hippler an: Sieht aus wie ein Obdachloser, scheint aber die Marionette einflussreicher, milliardenschwerer Drahtzieher zu sein. Leichtes Spiel für diese Leute, deshalb wird der auch nicht so schnell ersetzt.
Sieht aus wie ein Obdachloser
Ach so? Mich hat er immer an Onkel Vernon aus Harry Potter erinnert…
@Hadmut: Eine hervorragende und sehr genaue Lagebeschreibung dieser Misere.
Man kann nur bestätigen, dass es die Ausnahme ist, an den meisten unserer (“süddeutschen”?) Universitäten mit Intelligenz und ehrlicher Arbeit ans Ziel zu kommen. Ethik sowieso Fehlanzeige!
In den 50er, 60er, 70er Jahren gab es doch noch einige angesehene Institutionen in der alten BRD. Zu denen gehörte damals wohl auch die Fridericiana.
Seit den Jahren der Drittmittelanwerbung hat sich das Gesamtbild dieser Institutionen – vor allem durch den Einfluss der Geldgeber und der damit verbundenen “Persilwerbung” – gravierend geändert. Immer mehr Professoren wurden so zu Handlangern der Polit- und Finanzelite und zum verlängerten Arm der Wirtschaftselite.
Die Karlsruher Universität hat es besonders hart getroffen.
Schaut Euch doch mal den Hippler an: Sieht aus wie ein Obdachloser, scheint aber die Marionette einflussreicher, milliardenschwerer Drahtzieher zu sein. Leichtes Spiel für diese Leute, deshalb wird der auch nicht so schnell ersetzt.
Allerdings gibt es auch in Freiburg und Heidelberg so einige Missstände: Dort sind bekanntermaßen die juristischen Fakultäten besonders verfilzt. Wahrscheinlich haben dort sehr mächtige Leute die Hände im Spiel.
Dass Zitieren als ein “social network” für Akademiker benutzt wird ist sicher richtig. Das ist hier auch inklusive negativer Auswirkungen gut dargestellt. Allerdings greift es ein wenig kurz das auf die “korrupten” Aspekte zu reduzieren.
Beliebiges Beispiel:
Codd wurde nicht deshalb 5900 mal mit seinem Paper zum relationalen Datenmodell zitiert weil er 5900 Speichellecker um sich versammelt hat sondern vielleicht doch weil das eine eher einflussreiche Idee war.
Im Wust der unzähligen irrelevanten Veröffentlichungen ist es doch durchaus sinnvoll auf diese Weise den “Gefällt mir”-Button drücken zu können. Natürlich gibt es Cliquen die das mitbrauchen aber das macht nicht gleich das ganze System böse. Außerdem sind diese Cliquen nicht 5900 Mann stark.
Und zur Anekdotensammlung:
Obwohl ich neulich ca. 3 Stunden in “Adele” gelesen habe freue ich mich über diese Zusammenfassung der unglaublichsten Frechheiten daraus.
Auch deshalb weil Adele ehrlich gesagt in manchen Passagen etwas ins pedantische bzw. schon-fast-paranoide abrutscht und damit die wirklichen Hämmer in der Geschichte leider ein wenig an Gewicht verlieren.
Oh, es sind ja gar nicht die unglaublichsten Frechheiten. Da gibt’s viel härtere in Adele. Ich habe nur die zum Thema „Zitieren” rausgepickt.
Das Pedantischen an Adele liegt daran, daß es ursprünglich nicht als Buch angelegt war, sondern aus Notizen entstanden ist, die ich mir selbst gemacht habe, und in erster Linie immer noch die Funktion erfüllt, für mich selbst als Gedächtnisstütze (-prothese?) zu dienen, damit ich all die fiesen kleinen Zusammenhänge, die mir wichtig erscheinen, nicht vergesse. Das könnte ich mir gar nicht alles so merken, daß ich es auf Abruf reproduzieren könnte. Deshalb ist mir die Vollständigkeit wichtiger als die Lesbarkeit.
Wenn ich mich recht erinnere, ist Codd ca. 30-40 Jahre her, da war Wissenschaft noch etwas ganz anderes. Deutscher war er auch nicht. Eine Taube macht noch keinen Frühling.
Und ich bin mir ziemlich sicher, daß bei den 5900 Zitierungen eine ganze Menge Speichellecker und Trittbrettfahrer dabei waren. Ich würde wetten, daß bei den 5900 zitierenden Werken eine ziemliche Menge Mist und Pseudo-Veröffentlichungen war. Wenn mal was gut ist, wollen da nämlich immer auch gleich jede Menge im Fahrwasser mitfahren. Ist sogar mir schon so gegangen, bei RMX gab’s damals gleich jede Menge MeToo-Papers, und die hatten keine lauteren Absichten.
@Hadmut
Also das Härteste fand ich ja das Angebot die Promotion anzunehmen wenn die im Gutachen falsch beanstandeten Fehler eingebaut werden – also ich glaub das mal … aber ist schon fast unglaublich.
Und es ist schon klar beim Lesen dass es sich dabei um eine erschöpfende Materialsammlung inklusive aller relevanter Dokumente handelt und es auch teilweise eher eine persönliche Abrechnung ist als etwas das publiziert werden soll. Es macht trotzdem keinen Spaß den Teil über Beths Tod auf S.474 zu lesen.
Vielmehr lese ich jetzt mal “Entwurfskriterien und Methoden zur Erlangung von Kommunikationssicherheit”. Das interessiert mich nun doch …
Also, was die Verwertung von Studi-Material angeht…
da gab es dem Hörensagen nach (Komilitonen von mir)
in Berlin an einer Technischen FH im Norden Berlins Profs, die die Diplomarbeiten entsprechend ihren Verwertungs-Interessen in ihren neben dem Uni-Prof-Dasein privat betriebenen Messtechnik-Firmen vergaben.
Wenn die also was in ihren Elektronik-Firmen etwas entwickeln wollten
und zu geizig waren, fertig studierte Ingenieure einzustellen (welche zu finden sollte da ja kein Problem sein, man ist da ja an der Quelle), gab’s das als Diplomthema und die Profs machten dann mit den Entwicklungen der Studenten, neben der Uni noch Kohle.
Ob diese Studis wenigstens in den Firmen dafür auch bezahlt wurden, oder ob das mit der Diplomarbeit komplett ohne Gegenwert nur in der Uni ablief, weiss ich nicht. Insgesamt kam mir das alles sehr schräg vor.
Ist auch schon eine Weile her… war Mitte der 90er.
Nicht an der Uni, aber auf einer Mailingliste hatte ich mal
einige Ideen/Überlegungen angestellt. Ca. 1 1/2 Jahre später fand ich das in einem Paper, was einige Leute einer amerikanischen Uni (oder mehrerer Unis) dann in einem Paper veröfentlichten, das unter derem Namen lief. Genannt wurden in dem Paper die Leute, die bei dem Treffen, von dem dieses Paper berichtete, anwesend waren.
(Na, also ich nicht).
In dem Paper, was ich erst sehr begrüssenwert fand, da das Thema aufgegriffen wurde (was ich mehrfach auf jener Mailingliste anregte), musste ich dann aber feststellen, daß die Themen genau das wiedergaben, was ich auf der Mailingliste von mir gab (also es war nicht nur Anregung, sondern Abkuperfung), und in einem Absatz waren da mehrere Sätze fast wörtlich das, was ich auf der Mailingliste damals schrieb. Also nicht Diskussionsanregung, sondern Copy&Paste.
Ich wurde nicht erwähnt, und auch die Mailingliste nicht (also nicht mal sowas wie “angeregt durch die Diskussionen auf der -Mailingliste).
Auch hier wohl: nicht zitierwürdig, weil nur eine Mailingliste und kein Paper oder Buch eines Profs.
Ich fand’s ziemlich scheisse und habe das dann dort auf der Mailingliste mehrfach kund getan.
Feedback der Leute, die sich dazu hätten äußern müssen: Null.
Damals war das Archiv leider noch nicht aktiviert, das haben die erst später gemacht (auch auf meine Anregung hin).
Ich kann also allenfalls in Backups meiner Mailfolder schauen, ob ich das noch finden könnte. Aber das war mir dann auch zu viel Aufwand, hatte bei mir geringere Prioroität. Aber ich erwähne es gelegentlich mal wieder auf der Liste, sollte das Paper wieder mal genannt werden…)
Daß Leute auch Sachen mal so aufgreifen und weiter denken, sehe ich gerne nach. Nicht alles, was man irgendwo aufschnappt hat man immer auch später noch zitierbar parat. Aber wenn ganze Sätze wörtlich übernommen werden, kann das kein Zufall sein, sondern ist kopiert worden. Und wer Copy&Paste macht, hat dann auch die Quelle parat und könnte das auch erwähnen, wenn gewollt.
@Hadmut: vielen Dank für die ausführliche Darstellung.
Das war sehr aufschlußreich und erinnert mich an andere
seltsame Dinge in der Uni-Welt: selbst manche Profs kriegen ja von
der Forschungsmafia auch was rein gewürgt, teils geht es sogar um Geldveruntreuungen bis in die Millionenhöhe…
Folgendes ist daher sicherlich auch interessant hier,
wenngleich nicht speziell zur Zitierpraxis, aber
zur Forschungsmafia allgemein:
http://www.vordenker.de/vgo/vgo_ein-ungeliebtes-forschungsprojekt.pdf
unglaubliche Zustände!! Auch wenn es hier im Kontext eher negativ besetzt ist muss ich das einfach zitieren und habe es mal, in Ermangelung eines “like-Buttons” auf Facebook verlinkt.
Und wie es hier schon treffend bemerkt wurde…nach derartiger Lektüre vergeht mir die Lust meinen Erststudium noch derartige Erfahrungen hinzuzufügen.
Danke für deine Arbeit solche Sachstände der Öffentlichkeit zugänglich zu machen…ich hätte schlichtweg vieles für reine Fiktion gehalten 😉
Ich hab oben am Ende des Artikels mal noch nen Lacher nachgetragen. Vielleicht kann Dich das wieder aufmuntern…
@Tilman
| “Gefällt mir Button” in der Wissenschaft
Nein, daran gibt es nichts gutzureden! Das Verfahren liefert eine Mitkopplung und funktioniert deswegen nicht. Wenn Google die Qualität von Links anhand der Klickhäufigkeit beurteilt, werden die, die oben sind mehr und mehr begünstigt. Es funktioniert nicht und Google hat das begriffen und das Verfahren eliminiert.
Man sollte also nur das aufführen, was etwas zur Lösung des Problems beigetragen hat. Das ist wissenschaftlich sauberes Arbeiten. Nur so können andere die theoretische Basis einer Arbeit erkennen. Alles andere ist kontraproduktiv.
Ich habe in einem Gutachten auch ein Zitat gelesen, in dem nur noch Autor und Jahreszahl angegeben wird – quasi nicht mehr nachvollziehbar.
Oder noch schlimmer: Name a. a. O. Und tatsächlich wurde es vorher noch gar nicht zitiert. Hier kann also jede Aussage dem Zitierten unterstellt werden, ohne dass dies nachprüfbar ist. Sich selber wird ein pseudo-wissenschaftlicher Anstrich gegeben, dabei ist es nur Flunkerei auf scheinbar hohem Niveau.
Manche zitieren sich mit Vorliebe auch selber. Mit anderen Worten: “Ich habe das ja gesagt, damit ist es bewiesen.”
Erinnert mich irgendwie sehr an die zeitgenössische Kunstszene. Da werden Arbeiten auch meistens nicht nach dem Inhalt bewertet, sondern danach, welche anderen Künstler, Werke oder Stilrichtungen man “zitiert”. Dann gibt es auch Konzeptkünstler wie Damien Hirst, die ihre Kunstwerke komplett von Mitarbeitern herstellen lassen. Zitat Hirst zu seinen Spot Paintings, von denen er nur fünf selbst gemalt hat: “I couldn’t be fucking arsed doing it. They’re shit compared to … the best person who ever painted spots for me was Rachel. She’s brilliant. Absolutely fucking brilliant. The best spot painting you can have by me is one painted by Rachel.” Den letzten Satz muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Der große Unterschied zur Wissenschaft ist natürlich, dass Hirst das alles offen zugibt, und seine Käufer kein Problem damit haben.
Naja, solange er das explizit dazusagt und auch Rachel kein Problem damit hat und das freiwillig macht…
Die Auflistung der Beispiele ist beeindruckend und skandalös. Bei der Lektüre bin ich froh, dass ich auf meinem akademischen Weg bislang von derartigen Druckforderungen verschont wurde.
Nur eine kurze Anmerkung zu “zitierwürdigen Werken” in der Rechtswissenschaft: Zitate aus (großen) Tageszeitungen oder aus “fachesternen” veröffentlichungen wie zB der c’t werden im Allgemeinen gerne gesehen – bei Einschlägigkeit – weil sie als Blick über den Tellerrand gelten. Guttenbergs Problem war doch, dass er an seiner Arbeit so gut wie nichts selbst formuliert hat. Daher konnte er nicht alle “Großzitate” kennzeichnen (zumal er sich mit diesen wohl nicht auseinandergesetzt hat).
Es ist schlicht falsch, dass unveröffentlichte Gerichtsurteile nicht zitierfähig sind. Im Prä-Internetzeitalter bestand das Problem, dass nicht veröffentlichte Entscheidungen der Instanzgerichte kaum auffindbar waren. Dieses Problem ist durch die juris-Datenbank gelockert worden. Man kann aber völlig unproblematisch – teils unentgeltlich – unveröffentlichte Urteile bei den Gerichten erfragen. Oft bekommt man diese sogar unentgeltlich per Email zugeschickt. Diese kann man ohne weiteres unter Angabe von Gericht, Spruchkörper und Aktenzeichen zitieren. Richtig ist lediglich, dass man üblicherweise – wenn eine solche vorhanden ist – eine Zeitschriftenfundstelle angibt. Einfach weil dann der Zugriff leichter ist.
Was man tatsächlich nicht zitieren darf oder soll, sind Repetitorenskripten und reine “Paukmaterialien” (zB Falllösungsbücher). Der Grund ist aber, dass diese ihre Inhalte nicht selbst entwickeln sondern lediglich kompilieren. Der Student und Doktorand soll aber die Primärquellen einsehen und nachvollziehen (ist auch sinnvoll: Aus einem Skript werden einem zB nie Denkfehler in diesen Auffassungen deutlich werden können, die sich beim Studium der Primärquellen erschließen können etc.). Trotzdem darf man mitnichten aus Skripten abschreiben ohne zu kennzeichnen: Die Übernahme von Inhalten aus derartigen Skripten gilt einfach generell als Sünde. “Freiwild” sind sie deshalb nicht.
Unveröffentlichte Urteile zu zitieren sorgte bislang durchaus zu Naserümpfen, weil diese früher nur mit hohem Aufwand und hohen Kosten einzusehen war (beim Gericht für 1 Euro pro Seite kopieren lassen und so, dauerte oft lange). Zitierfähig hieß bei den Juristen früher, ich kann in die nächste Universitäts- oder Gerichtsbibliothek gehen und das dann dort gleich nachschlagen (was ja mal kein schlechter Ansatz ist). Allerdings brachte das die grobe Unsitte mit sich, daß Urteile nicht nach Datum und Aktenzeichen, sondern nach Fundstelle (=Journal, Jahrgang, Seite) zitiert wurden, was überhaupt nicht eindeutig war.
Als ich damals den Rechtsstreit mit der Uni vorbereitet habe, bin ich daran fast wahnsinnig geworden, obwohl ich mit der Badischen Landesbibliothek und der BGH-Bibliothek zwei vorzügliche Bibliotheken in Fahrrad-Entfernung hatte (wer auf dem Land wohnt, hatte keine Chance). Die im Prüfungsrecht ganz, ganz wichtige Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1991 ist an 6 oder 7 verschiedenen Fundstellen wiedergegeben. Wenn jetzt einer auf ein Urteil nur durch Fundstelle verwies, von der ich noch keine Kopie hatte, durfte ich also einmal mit dem Fahrrad während der Öffnungszeiten in die Stadt radeln, das Urteil kopieren um dann festzustellen, daß ich nur wieder das Urteil kopiert habe, von dem ich schon 5 Kopien aus anderen Fundstellen zu Hause rumliegen hatte. Grausig, wie die Juristen früher mit sowas umgegangen sind.
Inzwischen wird es aber deutlich besser, weil mittlerweile immer mehr Gerichte, auch die niedrigeren, Entscheidungen in Datenbanken stellen oder die Profis sowieso über Juris suchen, und man da nicht mehr nach Fundstelle, sondern nach Gericht und Aktenzeichen sucht und eben auch zitiert. Seitdem wird da auch viel besser und eindeutiger zitiert.
“Man kann aber völlig unproblematisch – teils unentgeltlich – unveröffentlichte Urteile bei den Gerichten erfragen.”
Mich würden da ja mal Urteile des VG Karlsruhe und VGH Bawü in Sachen Danisch ./. Universität Karlsruhe interessieren … Allerdings kenne ich weder Datum noch Aktenzeichen.
Steht eigentlich nicht viel drin, und das was drin steht, stimmt mit Akten und Rechtslage nicht überein und ist dröge zu lesen. Es ist auch überhaupt nichts zu entnehmen, was irgendwie auf andere Fälle übertragbar wäre oder Erkenntnis liefert. An sich ohne den Kontext auch kaum zu verstehen. Deshalb hat das Gericht selbst sie auch nicht veröffentlicht. Bringt nicht viel, das zu lesen. Ist auch überhaupt nichts zitierfähiges drin, keine isolierbare Aussage. Würde erst vor dem Kontext der Akten und für den Einzelfall interessant. Die Leute beschweren sich aber immer, daß Adele schon zu lang wäre. Die Verfahrensakten, die man zum Verständnis braucht, sind aber noch vieeel länger. Als ich zwischendrin mal Beschwerde erhoben hatte, brauchten sie drei wirklich große Kartons, um den ganzen Kram von einem Gericht zum anderen zu schicken. Willst Du das wirklich lesen?
Und vom VGH gibt’s dazu gar nichts, weil’s beim ersten Mal ein Vergleich war und beim zweiten Mal nur ein Beschluß, daß die Berufung nicht zur Entscheidung angenommen wird.
Über den Prof. Spruth bin ich gestern gestolpert:
Ich frage mich auf welchem Stern der lebt.
Auf welchem … der lebt? Ich frage mich eigentlich nur noch, auf welchem Planeten ich hier gestrandet bin…
Wenn man solche Aussagen liest, bekommt man so richtig ein Gefühl dafür, wieviel da gefälscht und gelogen wird.
Sagen wir mal so: Es wäre jedenfalls eine Möglichkeit, deine Angaben in Adele über diese gerichtlichen Entscheidungen nachzuvollziehen.
Ja, ich weiß, dass die oft Murks sind, ich musste selbst mal erst zum BVerfG ziehen.
Apropos BVerfG: Von dort hast Du nehme ich an ein sog. “leeres Blatt aus Karlsruhe” (unbegründeter Nichtannahmebeschluss) bekommen?
Nein, vom BVerfG habe ich noch nichts bekommen. Außer der Mitteilung des Aktenzeichens.
Lieber Hadmut,
das ist ja wirklich furchtbar, was Ihnen da im Laufe Ihrer wiss. Karriere widerfahren ist bzw. was Sie so quasi nebenbei erleben durften. Ich habe auch schon einiges nicht so schöne erlebt, auch so einige “Beths”, aber gar so schlimm wie Sie traf es mich nie.
Ich kann durch diese Schilderung nun besser verstehen, woher dieser unglaubliche Hass kommt, mit dem Sie der -wie Sie meinen müssen- schlimmen Welt der Wissenschaft gegenübertreten. Wie mein Neffe, der als Kind mehr als ein Mal von einem Hund gebissen wurden und nun gegen alle Hunde dieser Welt zu Felde zieht (nein, “koetermafia.de” ist ihm noch nicht eingefallen, gottlob).
Trotzdem, ich werde nicht müde es zu sagen, sollten wir nicht verallgemeinern, und wir sollten nicht zynisch werden, und wir sollten nicht vorverurteilen. Sondern wir sollten sachlich, logisch und strukturiert herangehen. Zu Hundert Prozent objektiv wird es nie gelingen, das ist klar.
Worum geht es in Ihrem Artikel wirklich? Ums Zitieren. Wozu zitiert man? Um -beispielsweise- eine eigene These durch die Meinung anderer Quellen zu erhärten. Und nicht, wie Sie schreiben, um sich zu profilieren. Natürlich tun das gewisse Professoren, klar, leider. So wie ein Verrückter den Bruder ersticht mit einem Küchenmesser. Sind dadurch alle Küchenmesser Mordwaffen, und alle, die einen Bruder haben, wegzusperren?? Die Professoren, die nicht richtig mit Zitaten (übrigens nicht: Zitierungen) umgehen, die können wir dafür verurteilen, aber ein großer Rundumschlag gegen alle Zitate und/oder gegen alle Professoren erwächst daraus nicht.
Je mehr ich von Ihnen lese, desto mehr muss ich sagen: Was Sie hier auf dieser Site veranstalten, hat was von einer Kesseljagd. Das ist nicht gut. Begraben Sie den Hass. Bitte.
Ja, die Masche kenne ich auch.
Wenn man die Mißstände nicht mehr leugnen kann, dann verniedlicht man sie als persönlich-psychisches Problem dessen, der sie kritisiert (eine Variante der alten Masche, die Kritik zu entwerten, indem man den Kritiker entwertet).
„Begraben Sie den Hass” – ich wehre mich entschieden gegen dieses Wort. Auch das ist wieder so eine Entwertung und Diffamierung von Kritik.
Und daß ich mit der Kritik aufhöre – das hätten Sie wohl gerne. Die Gruppe der Täter will immer, daß die Geschädigten einfach die Klappe halten, den Schaden akzeptieren und gehen, damit das Tagesgeschäft genau so weitergehen kann.
Im Fall zu Guttenberg kriegen – wie man verschiedentlich liest – ja auch immer mehr Professoren das Grausen und hoffen, daß man zu Guttenberg den Doktor entzieht, damit sich die Wissenschaft nicht lächerlich macht. Reine Heuchelei. Denn bei Promotionen wird sei je her massiv gelogen und betrogen – und zwar vor allem von den Prüfern, den Doktorvätern. Das stört keinen, nur die Tatsache, daß es jetzt mal publik wird.
Kesseljagd? Ja, muß sein. Denn die deutsche Wissenschaft hat in den letzten 10-20 Jahren nachdrücklich unter Beweis gestellt, daß alles andere nicht mehr funktioniert, daß sie sich jeglicher Selbstreinigungskräfte entledigt hat und die Kritik von außen völlig ignoriert.
Deshalb ist die Treibjagd auf zu Guttenberg so wichtig, weil es zum allerersten Mal überhaupt zu einer Diskussion um die Promotionspraktiken kommt, die man bisher immer mit aller Macht verhindert hat.
Die Schande der Kesseljagd kommt nicht dem Jäger zu, sondern denen, die vorgeblich auf Wissenschaft machen, aber anders nicht mehr zu erreichen sind.
Natürlich ist das nicht gut. Es ist aber auch nicht Sinn und Zweck dieses Blogs, den Eindruck zu vermitteln, daß hier irgendetwas gut wäre. Dieses Blog erfüllt erst dann seinen Zweck, wenn es beim Lesen (intellektuellen) Brechreiz auslöst. Weil erst so der für die Kritik nötige Sinn aktiviert wird.
Außerdem habe ich überhaupt keine Grund aufzuhören. Im Gegenteil, ich habe Spaß dabei.
„Bitte”: Worum ich gebeten habe, und welchen enormen Schaden ich dabei genommen habe, hat in den letzten 15 Jahren in der Professorenschaft auch niemanden interessiert.
Ich bin übrigens der falsche Adressat Ihres Vortrages. Wenn Sie die Zustände und deren öffentliche Darstellung stören, dann müssen Sie sich an die wenden, die dafür verantwortlich sind, nämlich die Uni Karlsruhe. Wenn einen die Straßenkriminalität stört, muß man auch die Täter bekämpfen und nicht die, die von denen überfallen werden.
muss man auf jeden trollbeitrag antworten?
müssen wohl nicht, aber können wohl schon … 😀
oder es ist eine art realsatire. dann fehlt ihr aber noch etwas von der moralischen sosse, die dann immer darüber gegossen wird.
also dann auch nochmal in die kerbe nachgehauen, lieber herr m. walther:
nicht die zitate an sich sind das problem, nicht die promotion – sondern der umgang mit ihnen im akademischen zirkus. der doktor a.d. aus dem verteidigungsministerium ist doch nur die spitze des eisberges. peinlich ist die sache nur deshalb, weil er offensichtlich so dumm oder dreist (oder beides) war, sich erwischen zu lassen.
an der uni buyreuth weiß man ja schon gar nicht, wo man noch hinrudern soll, nachdem der baron die an der dortigen juristischen fakultät absolvierte arbeit als “blödsinn” deklariert hat. diesen blödsinn haben “renommierte gutachter” (o-ton buyreuth) mit prädikat versehen!
aufhören, solche dummen und dreisten praktiken anzuprangern?! das wäre ja noch schöner. ich frage mich sowieso, warum es noch keinen wissenschafts-intern blog gibt … na, wahrscheinlich verändert der teufel einen doch mehr, als man ihn – sofern man es mit ihm zu tun.
“Nein, vom BVerfG habe ich noch nichts bekommen. Außer der Mitteilung des Aktenzeichens.”
Falls Du da Erfolg haben solltest, trifft den Anwalt der Gegenseite glaube ich endgültig der Schlag, weil er sich verfolgt fühlt …
Ich glaub, da würde noch mehr der Schlag treffen…
Allerdings sind die Verbindungen zwischen Bundesverfassungsgericht und Uni Karlsruhe sehr eng.
Die Verbindungen zwischen BVerfG und einer Stadt im Umland offenbar weniger …
Aber es geht doch nur um eine reine Formalie, nämlich die Berufungszulassung. Das kann man schon ohne viel Aufsehen mit einer Kammerentscheidung abhaken, wenn man denn will.
Das ist halt die Frage, ob man will.
Wobei ich es schon etwas komplexer gemacht habe. Ob beispielsweise ein Gericht nachträglich und heimlich das Vernehmungsprotokoll fälschen oder einer Partei verbieten kann, dem Sachverständigen Vorhalte zu machen und solche Punkte.
Ist natürlich sehr heikel. Und wenn man jetzt bei zu Guttenberg sieht, wie bei den Juristen selbst die Promotionsprüfungen ablaufen…
Ich kann nicht beurteilen, was Du gemacht hast. Hoffentlich hast Du das alles prägnant genug ohne großes Rumgelabere, also den Begründungserfordernissen entsprechend, beschrieben.
In einer VB hast Du nicht zu beschreiben, warum die angegriffene Entscheidung falsch ist, sondern warum sie verfassungswidrig ist.
Weiß ich sehr gut. Habe ich auch sorgfältig beachtet.
Ist aber nicht das Thema dieses Blogartikels.
Hinweis: Ich habe hier einen Kommentar von Michael Walther nicht mehr durchgelassen, weil er nun auch mir zu sehr nach Troll vorkam. Er hat ja schon mehrere Kommentare hier (zu verschiedenen Artikeln) abgelassen, die arg nach Troll stinken.
Stand eigentlich nichts zur Sache drin, außer „Ihr seid zu aufgewühlt um objektiv zu sein”. Schon wieder mal die übliche Wissenschaftler-Masche, jede unliebsame Meinung auf persönliche Probleme zurückzuführen.
Weiß jemand, ob der überhaupt echt ist? Der behauptet, seit Jahrzehnten Informatik-Professor zu sein. Ich habe aber keinen gefunden, der dazu passen würde.
Der Präzedenzfall für KTzG: http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/gestern-kasper-heute-guttenberg/
aus der TAZ.
@Saskia: Also, in manchen Fächern ist “Aussehen wie ein Obdachloser” eher
ein Qualitätsmerkmal. Von einem Stochastiker meiner Erstuniversität
kursierte die Geschichte, er sei dereinst auf dem Bahnhof während
des wartens auf den Zug eingenickt, von der Polizei aufgeweckt und
nach seinen Personalien befragt worden. Ausweis hatte er nicht dabei,
und konnte daher seinen Namen nur nennen. Allerdings war er ein Neffe
des damaligen Bundespräsidenten und die Polizisten hielten das angesichts
seiner Erscheinung für einen unpassenden Scherz.
Hallo Hadmut, super Auswahl!
Allerdings muss ich zugeben, dass ich auch bei einem Buch oder Artikel
meist nach Vorwort oder Abstract erst einmal in die Literaturangaben
schaue.
(a) Um einzuschätzen, ob mich der Kram überhaupt interessiert.
Es kann z.B. sein, dass es Verbindungen zu Sachen gibt, die mich
interessieren, ich dies aber am schnellsten den Literaturangaben
entnehmen kann.
(b) Um einzuschätzen, ob ich über die Vorkenntnisse verfüge, um
der Arbeit folgen zu können oder ob ich gegebenfalls erst einmal
einige der angegebene Werke zu Rate ziehe.
Dazu muss man sagen, dass in der Mathematik oft die angegebene
Literaturstelle nicht noch einmal im Text reproduziert wird.
Man kommt also nicht daran vorbei, die angegebene Literaturstelle
zusätzlich zu lesen.
Man sollte vielleicht mehr Kurse “LaTeX für Geisteswissenschaftler”
an den Universitäten anbieten, dann gewöhnen die sich vielleicht auch
irgendwann einmal diese Fußnoten ab und zitieren in lesbarer Form.
Siehe auch die Fußnote in Kapitel 15 des TeXBook:
“Don’t use footnotes in your books, Don” — Jill Knuth (1962)
Ich habe mehrfach dienstlich etwas in Dokumentationsform schreiben und dafür Microsoft Word verwenden müssen. Und darin kein brauchbares Literaturverzeichnis hinbekommen. Einige Word-Cracks sagten mir dann, daß es sowas nicht gibt, daß das nicht geht (außer über irgendwelche schrägen Visual-Basic-Hacks).
Eine Kommilitonin hat letztens mal ein Problem in ihrer Diplomarbeit gehabt.
Sie hat irgendwie festgestellt, dass ein (sozusagen) allgemein Angebeteter irgendwie komisch bei einem Autor interpretiert wird. Sie hat dann andere anerkannte Autoren dazu gelesen, die auch alle ähnliche Widersprüche transportiert hatten. Teilweise auch zeitlich ganz falsch eingeordnet. Also hat sie sich dann mal den Originaltext vorgenommen (obwohl der eigentlich nichts mit ihrem Thema zu tun hatte), so aus bloßen Interesse an der Erkenntnis. Sowas solls ja noch geben. Und sie hat dann festgestellt: anscheinend hatte keiner der anerkannten Autoren das Original wirklich gelesen, sowas kann man ja aus Syntax schließen, sondern es wurde einfach die Lehrmeinung weitererzählt. Sie ist dann zum Prof gegangen und der hat ihr das dann, voller Verwunderung, bestätigt, dass sie richtig lag mit ihrem Zweifel. Der Zug der Falschinterpretation ist aber freilich schon ein paar mal um die Welt gefahren.
Wird in der Tat mal Zeit für eine ordentliche Ikonendämmerung an den Unis. Aber da stünde die selbst mit auf dem Podest.
Wenn ich mir das anschaue, sehe ich die Universität mittlerweile als einen sehr angstbissigen Laden. Die Wände halten da nur noch mittels Angstabwehr zusammen, der Rest ist nervös-lächelnd verstreuter Flitter. Das unterirdische Gespür gegen Kritik aller Art, gegen die man persönlich beleidigend werden muss – und zwar sofort – ist dann umso feiner und bissiger, je größer die Angst ist, die abgewehrt werden muss, komme was wolle. Die Angst wird umso größer, je aufwendiger verheimlicht werden muss, dass die Sache faul ist oder die eigene Arbeit ein Betrug und hohl. Irgendwann folgt allerdings ein Kollaps, weil die Geheimhaltung immer aufwendiger wird und im Laufe des Prozesses passieren auch immer mehr Fehler aus dem selben Grund, die dann auch noch verheimlicht werden müssen. Das Guttenberg aufgeflogen ist, ist einer der Fehler dieses Prozesses, aber auch Zeichen eines reifen Prozesses, weil eine hohe Position nicht mehr geschützt werden konnte, der Druck also imens ist; die Art und Weise seiner Verteidigung oder der Verteidigung der Werte der Universität der perfekte Spiegel zeitgenössischer Universitätsangstbissgkeit: jetzt werden einfach erstmal die weniger wichtigen Freunde gechasst (zb die Zeitungen), die ab jetzt halt minderwertiger sind, d.h. es wird in ein selbst herbegerufenes Unten hineingetreten oder genauer gesagt: verraten. Hierbei gilt nämlich in äußerst gefährlichen Situationen die Schildkrötentaktik: in den Panzer zurückziehen und möglichst lange drin bleiben, ab und zu Gif spritzen, damit das Interesse am Betrug abflaut und die Sache menschlichen Vergessens ein Übriges tut, dann Exempel, dann auf Ruhe hoffen. Die Nervosität wächst unterhalb der Wahrnehmung trotzdem immer weiter, weil die Empfindsamkeit notgedrungen steigen muss (also die Sensibilität gegen Schnüffelnasen an sich, daher die grundsätzliche Nervosität) und führt, wie gesagt, irgendwann zum Kollaps, bei Individuen angeblich durch Übererregung, aber das ist nicht so ganz sicher und ausserdem zweifelhaft (im 19. Jh. nannte mans “hysterischen Anfall” mit Ohnmachtsfolge und meinte, es käme durch eine Art Überhitzung der Nervenwasser, im Grunde fast wie wenn ein PC wegen Hitze sich notabschaltet. Wegen diesem “Mensch als Maschine”-Denken gibt es aber Zweifel an der Richtigkeit des Gedankens für menschliche Probleme, auch wenn die PC-Analogie gerade anachronistisch ist).
Solch Kollaps hat man aber auch schon in Kollektiven beobachten können, eine Art intensiver Gruppenpsychose (dem alten Hofadel soll das wohl dann und wann passiert sein, aber die Kultur der Sache war da wieder eine ganz andere), die umso gefährlicher und belastender wird, je stärker alle zum Geheimnis gezwungen sind (und dadurch: zur permanenten Wachsamkeit gegen “den Feind”, d.h. zur Paranoia). Daher kann man eigentlich auch psychologisch nicht mehr von einem individuellen Fehlverhalten sprechen, weil Gruppen das auch unbewusst forcieren und erzwingen (induzieren/übertragen) können und im Prinzip immer ein wenig auch machen, diese Gruppenpsychose. Ist wie die Angstabwehr im Kleinen, nur bedenklicher, weil im Grunde auch ganz unbescholtene Individuen in diesem Spiel gefangen sind, ob sie das wollen oder nicht. Ist aber eine Frage der Intensität des Zwanges, weswegen die “Ehrlichen”, weil sie einfach den gros der Geheimniskrämerei mit ihren Folgezwängen nicht ertragen müssen, lange nicht so schlecht dran sind und im Grunde unbeschadet bleiben können.
Dass die ganze Chose so möglich ist, ist aber nie der Fehler eines Einzelnen und daher auch nicht die alleinige Schuld Guttenbergs. Ich meine, wenn es eine halbe Ghostwritter-Industrie gibt, dann kann man ja schlecht noch glauben, dass das ein Einzelfall wäre. Schließlich kann der Guttenberg die ja nicht alle bezahlt haben. Was macht man also als paranoide Gruppe? Man verhindert, dass das Ghostwrittertum irgendwo an die große Glocke gehängt wird, denn das Geheimnis ist ein prekäres, wie ein Musikantenknochen aufgrund seiner Position im Körper sehr schmerzempfindlich ist und jede Verletzung gleich dem ganzen Organismus auffällt.
Ein witziges Spiel, das aber irgendwann zum Wahnsinn führen muss. Wieviel von diesem Wahnsinn aber letztendlich von anderen wahrgenommen werden kann, hängt davon ab, wie wahnsinnig die ganze Kultur und das Volk selbst sind. Letztendlich gilt: jede Kultur bekommt immer den Wahnsinn, den sie verdient.
@Anna: Sehr schön beschrieben. Vor allem das mit dem angstbissig.
Mir haben über Jahre hinweg alle möglichen Leute von den Universitäten (vor allem Karlsruhe) an den Kopf geworfen, ich wäre ein Michael Kohlhaas. War als Beleidigung und Herabwürdigung gemeint, so für jemanden, der es nicht einsehen will, daß er kein Recht bekommt. Weil das Bestehen auf Recht selbst schon als schlecht angesehen wird (aus Tätersicht).
Nachdem mir das zum hundertsten Mal jemand an den Kopf geworfen hat, hab ich mir „Michael Kohlhaas” mal gekauft und gelesen – und festgestellt, daß kein einziger von denen so richtig gewußt haben kann, was darin steht und womit er da um sich wirft.
@ Hadmut: solche Codierungen ala Kohlhaas gibt es überall. Sie sind als Werkzeug zu verstehen, das automatisch gegen das schützen soll, was negativ mit der Codierung gemeint ist und also abgewehrt werden muss. Also zb. Insistenz auf ein Recht auf Gerechtigkeit. Manchmal sind solche Codes auch unfreiwillig voll von Wahrheit und Ironie. Kohlhaas war ja sauer wegen Betruges und Korruption, wegen Selbstjustiz und wie man damit leichtfertig umging.
Es ist bei solchen Codes allerdings ausreichend, wenn die Gruppe sich über die Attribute des Codes mehr oder weniger klar verständigt. Der Kohlhaas von Kleist muss also nicht derselbe sein, wie der, mit dem man sie erniedrigen wollte, muss also niemand den Kleist gelesen haben, nur mal “von der Idee gehört”. Und mehr ist meist auch nicht passiert. Irgend ein Zweimalklug erinnert sich an etwas, dass er schon in der Schule nicht verstanden und nicht gemocht hat und nennt dann die, die irgendwie ins verfehlte Bild passen wie die Figuren, die ihm zu hoch waren. In diesem Sinne sind diese Zweimalklugs unfreiwillig ehrlich.
Wobei es da durchaus witzig ist, jemanden sozusagen als “Kleist’isch” oder Kleist’sche Figur beschimpfen zu wollen. Mit so einem sprachlichen Genie verglichen zu werden, ist in meinen Augen eine große Würdigung! Ich empfehle ihnen an dieser Stelle mal “Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden”, ein schön kurzer Text. Jedenfalls: wenn ich das noch richtig weiß, war Kohlhaas eher ein Verteidiger höherer Werte, nicht deren Zerstörer oder Beschmutzer.
Manchmal kanns ganz witzig sein, jemanden darauf anzusprechen, wer die Figur eigentlich war, mit der man da identifiziert und runtergemacht werden soll. Das wäre psychologisch auch einer paradoxen Intervention nahe, also genau das zu machen, was der andere von einem zu verlangen scheint, aber nie erwarten würde, weil er es selbst nicht tun würde. In ihrem Fall: sich mit Kohlhaas identifizieren (denn: den findet der andere ja schlecht und sagt, dass Sie der ohnehin bereits wären, womit ein “vernünftiger” Mensch sich ja nicht identifizieren will: mit einem schlechten Bild). Sie könnten ein aufrichtiges Danke sagen, mit so einer sympathischen Figur identifiziert zu werden, das hätten sie nun gar nicht erwartet usw., wie er darauf käme, wo denn die edlen Züge eines Kohlhaas an Ihnen zu erkennen wären usw. Da kann man sich ein witzige Posse draus machen. So hilft man (manchmal) auch demjenigen ein wenig, der noch nicht so tief im Sumpf steckt, weil die Unkenntnis der ganzen Gruppe dadurch offenbar wird, dass man sozusagen als Genie beleidigt wird oder als Schöpfung eines Genies. Ist ja nicht eben die genialste Beleidigung. So gibt man Unwissenden sozusagen den Geruchssinn für den Korruptionsgestank. Und wenn jemand was von Kleist liest, ist das sowieso immer gut.
Oh, ich habe nichts dagegen, mit Kohlhaas verglichen zu werden. Ich habe die Geschichte zwar überwiegend schon wieder vergessen, aber so schlecht, wie der immer hingestellt wird, war der nicht.
Kohlhaas war im Recht, und er hat zwar nicht für sich, aber für die Gesellschaft einiges verbessert. Er blieb in Erinnerung, seine Gegner nicht. Nach seinem Tod hat man ihn geadelt. Er hat die Stadt niedergebrannt und eine Armee haben sie gebraucht, um ihn festzusetzen (zumindest soweit ich das alles noch rudimentär in Erinnerung habe).
Insofern war in dem Stück Kohlhaas jedenfalls die ehrenwerteste und erstrebenswerteste Rolle.
Hätten die, die andere „Kohlhaas” nennen, das Stück mal gelesen, hätten sie gewußt, daß man sich mit einem Michael Kohlhaas nicht anlegt. Denn der ist nicht – wie gerne kolportiert wird – unter allegemeinem Gespött an der Obrigkeit und seiner Rechtssuche gescheitert, sondern hat verheerenden Schaden hinterlassen und wurde später sehr, sehr ernst genommen. Sowas wünscht man sich eigentlich nicht als Gegner (wenn man’s denn gelesen hätte, statt nur nachzuschwafeln).
“allgemeine Gewohnheit der „Wissenschaft”, das Zitierunwürdige nicht zu zitieren” – hervorragender Beitrag, einer der besten, was Material und – 🙂 – sorgfältige Zitate angeht. Vielleicht zur Ergänzung:
http://tinyurl.com/6crnnlk