Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Doktorandin beschuldigt Professor der Vergewaltigung

Hadmut Danisch
1.3.2011 10:04

Erinnert doch sehr an „der Campus”. Und an den Fall Kachelmann.

Laut dem SPIEGEL veranstaltet an der Uni Bielefeld gerade eine Gruppe von Studenten Studierenden eine Flugblattkampagne gegen einen Professor, der eine Doktorandin vergewaltigt haben soll.

Was mich erstaunt.

Allerdings erstaunt mich nicht der Vorwurf der Vergewaltigung und der Beziehung. Promotion gegen Sex ist auch nichts neues, allerdings eine Form von Mißbrauch, bei der Täter auf beiden Seiten stehen. Es gibt sowohl Prüfer, die Prüfungen gegen Sex (oder andere Formen der Gegenleistung, häufiger Geld) vergeben, als auch Prüflinge, die meinen, sich den Prüfungserfolg, durch Geld, Sex usw. erkaufen zu können. Steht so etwas im Raum, darf das nicht zu einer Vorverurteilung einer der beiden Seiten führen, denn die Schuld kann mit gleichverteiltert Wahrscheinlichkeit auf beiden Seiten liegen. Man könnte ebenso auch Flugblätter gegen eine Studentin verteilen, die versucht, sich zum Doktor hochzuvögeln, so wie sich gerade tausende von Doktoranden über die Schummelei zu Guttenbergs mokieren.

Mich erstaunt auch nicht die Methode der Flugblattkampagne. Ich war selbst Student und habe jahrelang die seltsamen Publikations- und Hetzmethoden mancher Studentenorganisationen mitbekommen. Das ist auffällig, daß da viele zum Lynchmob neigen. Nicht so sehr, weil Studenten blöd wären, sondern weil das Studium so ein schönes Zuhause für Blöde ist. (Ein typischer Fall von einer Korrelation, bei der die Kausalität andersherum liegt als man zunächst glauben möchte.) Fraglich wäre es allerdings, ob es da eher um eine Lynchkampange geht, oder ob die typischen Wegschau- und Vertuschungsmethoden von Universitäten, bei denen Professoren nie an irgendetwas schuld sind, sondern immer die Mitarbeiter und Doktoranden, gar nichts anderes mehr übrig lassen, als eine Publizitätskampagne, was man ja oft erlebt.

Das kann ich mir in diesem Fall aber nicht vorstellen, daß das hier angemessen und nötig wäre. Denn in Deutschland sind die Justizorgane hypersensibilisiert und hyperaktiv, was Vergewaltigung angeht. Im Zusammenhang mit dem Fall Kachelmann habe ich kürzlich irgendwo gelesen, daß man inzwischen schätzt, daß in ungefähr der Hälfte der Vergewaltigungsfälle, die zu Strafverfahren (und damit zu karriere- und existenzvernichtenden Maßnahmen) führen, die Vergewaltigung gar nicht stattgefunden hat sondern nur erdacht ist. Was zumindest mal ein Zeichen dafür ist, daß die Justiz über- und nicht unterreagiert. Insofern wäre es naheliegend, zunächst einmal zur Polizei zu gehen, statt hier Flugblattkampagnen durchzuführen. Irgendwo geht mir da aber auch gerade die Frage durch den Kopf, an welcher Stelle sich solche Flugblattkampagnen qualitativ von anderen wissenschaftskritischen Publikationen (wie z. B. diesem Blog hier) unterscheiden. Vermutlich an der Stelle, daß Vergewaltigung keinen wissenschaftlichen Bezug mehr hat, sondern eine reine Straftat ist, und die Darlegung einer Vergewaltigung keinen Informationsgehalt mehr hat, der der öffentlichen Meinungsbildung dienlich ist?

Laut Artikel hätten bereits zwei Instanzen den Vorwurf nicht bestätigt.

Nun bin ich hier ja selbst in der Situation, daß ich öffentlich Vorwürfe erhebe, obwohl zwei Gerichtsinstanzen den nicht bestätigt haben. Ist das also falsch oder richtig, so zu handeln? Es ist eine sehr diffizile Sache, hier zu unterscheiden. Man müßte mehr über den Fall wissen. Interessant ist etwa diese Passage im SPIEGEL-Artikel:

och die Situation beruhigt sich nicht. Eine Studentin, die namentlich nicht genannt werden möchte, meldet sich bei SPIEGEL ONLINE und erhebt schwere Vorwürfe gegen den Professor. Dieser “vernasche” nach und nach Studentinnen und missbrauche immer wieder seine Machtposition. Außerdem bevorzuge er bestimmte Studentinnen, die dann auch bessere Noten bekämen. Das Problem der anonymen Vorwürfe: Die Studentin ist selbst nicht betroffen, kann ihre Aussagen nicht beweisen und will keine Betroffenen namentlich nennen.

Das hört sich einerseits interessant, andererseits aber auch ziemlich unglaubwürdig und verleumderisch an, so nach Dorfgeschwätz. Da müßte man schon mindestens mal was konkretes haben, und genau das ist wohl der Schwachpunkt dieser Kampagne. Beschuldigungen dürfen nicht auf der Erwartung bauen, daß das Publikum einem blind vertraut, einem einfach „glaubt”, sondern müssen auf der Darlegung von Fakten beruhen, die nachprüfbar sind und überzeugen können. Und genau da scheint es hier zu fehlen.

Für die Vergewaltigungsthese spricht, daß einer Rechtsanwältin da anscheinend plausibel und konsistent Sachverhalte vorgeworfen wurden. Dagegen spricht, daß man auf diesen Flugblättern anscheinend gezielt mit Falschinformationen geworfen hat. Und was ich an der Sache für am fragwürdigsten halte ist, daß die Flugblätter anonym verteilt wurde. Aus der Anonymität oder Pseudonymität mit Dreck zu werfen, halte ich für eine der fiesesten Erscheinungen unseres aktuellen Zeitgeistes. Andererseits, wenn man bedenkt, daß ein Student oder Doktorand, der Vorwürfe gegen einen Professor erhebt, an einer deutschen Uni erledigt ist, egal ob sie berechtigt sind oder nicht…

Schwierige Sache. Da muß man sich bei der Meinungsbildung eine Menge Selbstdisziplin auferlegen.

Aber das alles ist es nicht, was mich erstaunt. Ich staune über etwas ganz anderes:

Das alles soll an der Uni Bielefeld passiert sein. Ich dachte immer, Bielefeld gäbe es gar nicht, das wäre nur eine von Verschwörern in Umlauf gesetzte Legende. Aber vielleicht ist auch diese Meldung nur von Verschwörern lanciert, die Glauben machen wollen, daß es Bielefeld wirklich gäbe.

9 Kommentare (RSS-Feed)

Michael
1.3.2011 10:42
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Solche Fälle kommen vor und ich kenne aus meinem eigenen Studiumsumfeld auch so einen Fall. Allerdings endete da alles wie gewünscht für die Studentin.


Hadmut Danisch
1.3.2011 10:52
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Was heißt „Fall”? Einvernehmliches Techtelmechtel und Promotionsgevögel, oder Vergewaltigung?


Aussage gegen Aussage, da hat der Kaiser, ääähhh, die Justiz ihr Recht verloren.

Außerdem müßte man erstmal klären, was da so gedoktort wurde.

Carsten

Bielefeld
http://ruthe.de/cartoons/strip_0251.jpg


Hadmut Danisch
1.3.2011 12:03
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„Aussage gegen Aussage” ist auch so eine Stammtischweisheit. Sowas gibt’s im deutschen Recht gar nicht.


Michael
1.3.2011 14:34
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@Hadmut: Ersteres. Einvernehmliches Techtelmechtel und Diplom- und Promotionsgevögel.


Aussage gegen Aussage ist Realität. Ob das Recht diese Konstellation kennt ist irrelevant. Dann eine Entscheidung zu fällen ist reine Willkür.

Carsten

“Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung”


Karsten
2.3.2011 10:59
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Bielefeld? Ich war vorletzte Woche in Bielefeld. Glaub mir, das gibt es *wirklich*!!!


Hadmut Danisch
2.3.2011 11:09
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Und wer sagt mir, daß Du existierst?

Alles Bluff und Schwindel, nichts kann man heute noch glauben…

Vor zwei Wochen hätten alle noch behauptet, daß Guttenberg Doktor und Minister wäre. Und nu?


Bielefelderin
21.4.2011 22:36
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Die Geschichte hier ist schon sehr alt, denn das Öffentlichmachen ist bereits zwei Jahre her.

Nachzulesen unter: http://www.owl-vielfalt.de
Kürzlich wurde dazu auch noch ein Vortrag gehalten: http://www.youtube.com/watch?v=59vbLOIB9Sk&feature=mfu_in_order&list=UL

Das Verwaltungsgericht Münster hat ja bereits eine Schuld festgestellt. Bis in Deutschland ein C4-Professor verurteilt wird, und sei es nur diszuplinarrechtlich, müssen stichhaltige Beweise für ein Fehlverhalten vorliegen. Nur auf Verdacht wird so etwas nicht passieren.