Über die Berufsaussichten von Akademikern (und Promovierten)
Ein (derzeit in England tätiger, deutscher) Professor hat mir zwei Links auf Thesenpapiere über die Berufsaussichten von Universitätsabsolventen und die Eindämmung des Brain Drain geschickt.
- Gedanken zu Aussichten des wissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland: Wieviele Naturwissenschaftler braucht das Land?
- Einstein – Fellows
(Das nachfolgende ist weniger eine Inhaltsangabe oder Rezension, eher so weitergehende Gedanken von mir, die mir spontan dazu gekommen sind.)
In den beiden Thesenpapieren von Marcus Kaiser finden sich durchaus diskussionswürdige Überlegungen und Kritikpunkte. So wird zum Beispiel dargestellt, daß deutsche Absolventen (und vor allem Doktoranden) an deutschen Universitäten eine niedrigere Chance auf eine Professur haben als in anderen Ländern. Was – wenn ich das mit meiner Sichtweise weiterspinnen darf – im wesentlichen daran liegen dürfte (was ja im Zuge der Guttenberg Affäre auch von vielen Seiten journalistisch kritisiert wurde) daß man in Deutschland eine Überproduktion an Doktoren hat. Man hat die politische Parole ausgegeben, daß in Deutschland mehr promoviert werden müßte – und deshalb Schwindelpromotionen wie die der Mediziner, Pseudopromotionen wie die der Informatiker oder Plagiate wie das zu Guttenbergs politisch gefördert, auch indem man Professoren nach der Zahl ihrer Doktoranden bewertet. Insofern liest sich Kaisers Aufsatz zum deutschen Mißverhältnis aus Professuren und Doktoranden durchaus interessant. Zumal er auch darauf eingeht (meines Erachtens aber nicht tief genug), daß akademische Absolventen in Deutschland zwar einen Job bekommen, aber keine angemessene Berufstätigkeit. Weil die Industrie gar nicht so viele Akademiker bräuchte, wie ausgebildet werden. Weshalb wiederum viele Akademiker Jobs unter ihrem eigentlichen Niveau annehmen.
Das leitet zu der überaus gesellschaftsrelevanten Frage über, ob unsere Universitäten Ausschuß produzieren. Einen Akademiker-Berg, so wie man einst den Butterberg und den Milchsee durch Subventionen erzeugte. Heute subventioniert man eben andere Rindviecher, indem man völlig unkritisch und gedankenlos Milliarden an Forschungsgeldern über den Universitäten ausschüttet und sie (auch) nach Absolventenzahlen verteilt. Im Ergebnis wird dann auf Halde produziert.
Man könnte sich jetzt freilich der zynisch-bösen Frage widmen, ob der Umstieg von Diplom auf Bachelor und der Beschränkung des Zugangs zum Master auf nur noch wenige deshalb vernünftig oder unvernünftig ist. Auf der einen Seite könnte man sagen, daß wenn die meisten Akademiker in ihrer späteren Tätigkeit („Job”) ohnehin weit unterhalb einer Diplom-/Master-Qualifikation bleiben, es doch ein reduziertes Studium, eben ein Bachelor, auch tut. Auf der anderen Seite könnte man sagen, daß durch die Verkürzung des Studiums von Diplom auf Bachelor (für die meisten oder einen Teil der Studenten, die nicht mehr zum Master zugelassen werden) der Lehraufwand pro Student sinkt, wir also mit der gleichen Menge Geld bzw. Lehrkapazität noch mehr (Halb-)Akademiker auf den Markt werfen.
Eine ähnliche Situation wie auf dem industriellen Arbeitsmarkt ergibt sich dann auch für die Forschung. Zu viele Bewerber auf zu wenige Professuren. Laut den Statistiken Kaisers liegen die Anteile der Promovierten, die eine Professur bekommen, je nach Fach im unteren Prozentbereich. Das hat mehrere Folgen.
Eine der Folgen beschreibt Kaiser in seinem Paper, nämlich daß Deutschland durch diese Überproduktion hochqualifizierte Wissenschaftler in die Welt exportiert. Was ja eigentlich eine ziemlich dumme Sache ist, denn wir treiben den Aufwand für die Ausbildung, damit unsere Konkurrenten stärker werden. In seinem zweiten Paper macht er Vorschläge, wie man Hochqualifizierte wieder nach Deutschland locken kann.
Eine andere Folge ist seit Jahren eines der Themen meiner Blogs: Die stark angestiegene Willkür oder Kriminalität bei der Vergabe von Professuren. Bei einem derart drastischen Mißverhältnis zwischen Bewerbern und Stellen bildet sich natürlich – wie bei jedem knappen Gut, vergleichbar durchaus auch mit dem Drogenhandel – eine Art krimineller Schwarzmarkt (vgl. das Beispiel von neulich zur Uni Tübingen). Deshalb werden auch so viele Ausschreibungen manipuliert, weil man in den Seilschaften versucht, die eigenen Spezis unterzubringen, die bei normaler Auswahl keine Chance hätten.
Deshalb ist es heute so wichtig, sich diesen Seilschaften anzubiedern, um eine Chance auf eine Professur zu haben. Was selbstverstärkend ist, weil damit vorrangig solche Leute auf Professuren kommen, die selbst zu krimineller Seilschafterei neigen, und sich der Effekt massiv verstärkt, wenn die ihrerseits in die Berufungskommissionen kommen. Dadurch stürzt das Hochschulwesen qualitativ unausweichlich in sich zusammen.
Womit sich die von der Politik erwünschte und durch Geldmittel erzwungene Überproduktion in jeder Hinsicht negativ auswirkt. Man hat das System durch schlechte Politik zerstört, indem man ähnliche Fehler wie in der Landwirtschaftssubvention gemacht hat.
7 Kommentare (RSS-Feed)
Gleich am Anfang wird die Schlagzeile
“Neue Studie: Bildung schützt vor Arbeitslosigkeit.”
genüsslich demontiert.
Aber warum soll man sich auf Arbeitslosigkeit beschränken?
Jedes andere Merkmal tut es auch:
Eine US-amerikanische Forschergruppe von der Brown University hat mit Hilfe einer Studie mit 4.000 Probanden herausgefunden, dass der Grad der Bildung Einfluss auf den Blutdruck haben kann. Je mehr Ausbildungsjahre ein Studienteilnehmer nachweisen konnte, desto geringer war auch der Blutdruck.
Da wage ich mal eine wilde Behauptung: Der ökonomische Nutzen der Bildung überwiegt bei weitem den Nutzen der Forschungsförderung.
Die Einführung der Bachelor-Studiengänge war ein Schildbürgerstreich 🙂
Was aber durchaus auch eher auf verminderte körperliche Tätigkeit als auf Anreicherung im Hirn zurückzuführen sein könnte…
Auch gilt hier wie immer, daß eine Korrelation noch keine Kausalität ist. Vielleicht neigen Leute mit einer genetischen Veranlagung zu niedrigem Blutdruck eher zum Studieren?
Ich habe auch einen niedrigen Blutdruck. Nur hatte ich den schon vor dem Studium.
@Mika
Leider waren dies alle Zahlen die im Text der Boehringer Ingelheim Foundation (BIF) angegeben waren. Es ist also nicht klar ob alle 13 Habilitierten die in Deutschland keine Stelle gefunden haben auch zu den 29 gehoeren die im Ausland eine Stelle gefunden haben. Es gibt auch keine Zahl wieviele von den Ehemaligen Promotionsstipendiaten die keine Professur haben nun im Ausland taetig sind. Der Anteil der deutschen Hochschulabsolventen die auswandern liegt ja im Durchschnitt bei 20% eines Jahrganges. Keine Ahnung ob dieser Anteil bei BIF-Stipendiaten hoeher ist (meine Vermutung: ja, da Naturwissenschaftler eher auswandern).
@Marcus
Danke für die Antwort 🙂
_______
Zum Bluthochdruck:
Ich denke das die Faktoren, wie viel Wert im Elternhaus auf gesunde Ernährung und Sport gelegt wird, und wie viel Freizeit für diese Tätigkeiten (in den Jahren nach der Schule) zur Verfügung steht, weitaus bedeutender sind, als die Frage nach dem Bildungsgrad (oder den Genen).
Das es da natürlich statistisch gesehen Zusammenhänge gibt (zwischen Bildungsgrad und den vorher genannten Faktoren, nicht zwischen den Genen und den anderen Faktoren), steht (für mich) außer Frage…
Der letzte Kommentar von Paul Krugman in der New York Times widmet sich dem Thema:
https://www.nytimes.com/2011/03/07/opinion/07krugman.htm
In seinem Blog steht auch noch was dazu:
http://krugman.blogs.nytimes.com/2011/03/05/falling-demand-for-brains/
http://krugman.blogs.nytimes.com/2011/03/06/autor-autor/
Das hier ist auch ganz interessant:
Exportweltmeister beim akademischen Überschuss:
http://www.faz.net/s/RubC3FFBF288EDC421F93E22EFA74003C4D/Doc~EC351A3B1621C4702832236C4838B0A0C~ATpl~Ecommon~Scontent.html
Das erste Dokument “WissNachwuchs” ist ganz interessant, und man muss sich beinahe an den Kopf greifen, wenn man diese Fakten sieht und dann ein paar politische Entscheidungen zur Förderung von Unis überdenkt. (Ich denke nicht, dass sie zu viel gefördert würden, sondern eher das die Fördermittel nach den falschen Kriterien verteilt werden).
Allerdings finde ich einen Satz etwas Seltsam:
“Von 25 ehemals Geförderten, die in Deutschland habilitiert hatten, haben 12 bisher einen Ruf auf eine Professur erhalten (B.I.F. Futura 13, 1998). Der Anteil an Berufungen ist also weit höher als der durchschnittliche Anteil (vgl. Tab. 1). Gleichzeitig haben jedoch 29 ehemalige Stipendiaten eine Professur oder feste Stelle im Ausland erhalten!”(Seite 5, zweiter Absatz)
Da 29>25 sind 😉 lässt dieser Satz offen, von wie vielen im Ausland geförderten Studenten hier gesprochen wird. Wäre nett wenn jemand der diese Zahlen kennt, auf die sich der Schreiber dieses Dokumentes beruft hier nennen könnte.
(Ja, ich hab verstanden um was es dem Autor in diesem Fall geht, und ja es ist ein bisschen dippelschisserig aber es interessiert mich halt 😉 )