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Wer ist der größere Schwindler, der Plagiator oder der Prüfer?

Hadmut Danisch
16.6.2011 0:46

Schönes Zitat von Silvana Koch-Mehrin über ihre Dissertation auf heute.de:

Stellungnahme von Koch-Mehrin im Wortlaut:

“Dass meine Doktorarbeit kein Meisterstück ist, weiß ich bereits seit elf Jahren. Ich habe deswegen dafür auch nur eine mittelmäßige Note bekommen: “cum laude”. Ein einfaches Lob, wohl eher für den Fleiß als für die Sorgfalt.

Meine Doktorarbeit ist nicht frei von Schwächen, nicht selten ungenau, oberflächlich und manchmal geradezu fehlerhaft. Es wäre auch zu wünschen gewesen, dass ich deutlich gemacht hätte, auf welche Literatur ich mich jeweils stütze. Es werden Aussagen gemacht, ohne dass auch nur ein einziger Beleg genannt würde.

Dies alles ist aber auch der Universität Heidelberg seit elf Jahren bekannt. Denn alle diese Worte finden sich im Erstgutachten meines Doktorvaters. Seinen hochkritischen Ausführungen hat sich der Zweitgutachter ausdrücklich angeschlossen.

Die Gutachten, in denen handfeste Kritik an meiner Arbeit geübt wurden, waren die Entscheidungsgrundlage für den Promotionsausschuss der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg dafür, mir im Jahr 2000 den Doktorgrad zu erteilen oder nicht.

Zur guten wissenschaftlichen Praxis gehört es, in einer Doktorarbeit ordentlich zu zitieren. Zur guten wissenschaftlichen Praxis gehört es aber sicher auch, eine vorgelegte Arbeit ordentlich zu prüfen. Wenn in den beiden Gutachten zu einer vorgelegten Doktorarbeit derart massive Kritik geäußert wird, dann ist ganz sicher davon auszugehen, dass bei den Mitgliedern des Promotionsausschusses im Jahr 2000 alle Alarmglocken geklingelt haben und meine Arbeit einer besonders kritischen Untersuchung unterzogen wurde. Der Promotionsausschuss hat mir im Jahr 2000 in voller Kenntnis aller eklatanten Schwächen meiner Arbeit den Doktortitel verliehen. […]”

Das ist doch mal eine Aussage über das wissenschaftliche Niveau der beteiligten Prüfer und der Fakultät.

Was ist das Abschreiben der Dissertation gegen eine solche Vergabepraxis? Wer ist da eigentlich der größere Schwindler, der Doktorand oder die Fakultät?

6 Kommentare (RSS-Feed)

der andere Andreas
16.6.2011 10:23
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zitat: “[…] manchmal geradezu fehlerhaft […]”

das ist echt schon dummdreist…

es war also ne miese arbeit und alle wussten davon, keinen hats gestört und eigentlich wars allen klar, dass es nur um den titel geht…

da sollte man vllt mal auf bildung einer kriminellen vereinigung prüfen und einige leute verhaften.

zumindest tut das gerade richtig weh das zu lesen und ich fühl mich als bürger einfach nur noch verkauft 🙁
(zumindest wenn man weiß wie ein normaler vorgesetzter bei so einer ausrede reagieren würde…)


Erbloggtes
16.6.2011 15:25
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In jedem Einzelfall ist es der plagiierende Doktorand: Er setzte sich schließlich jahrelang hin, um Textstellen zusammenzukopieren, mal mehr, mal weniger geschickt. Der Prüfer überfliegt das dann vielleicht nur, aber der “größere Schwindler” dürfte je Einzelfall der Doktorand sein.

Wie es allerdings in der Gesamtzahl aller Fälle aussieht, das ist schwerer zu sagen. Das hängt davon ab, wie Systematik und Struktur in den Fakultäten dazu beitragen, dass es zu den Einzelfällen kommen kann.


Rosenkranz007
16.6.2011 18:45
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Toll: die Reaktion der “Leistung-muß-blafasel”-FDP. Schweigen im Walde… Vielleicht warten sie ja nur noch ab, bis auch Djir-Sarai, Chatzimarkakis und Mathiopoulos ihre Titel los sind. Dann lösen sie sich auf und gehen künftig alle einer ehrlichen Arbeit nach. Lauter Premieren.


Halli hallo. Die Dame schiebt jetzt die Verantwortung auf die Prüfer. Klar sollten Prüfer nicht jeden einfach durchwinken. Aber am Ende spricht auch einiges für die menschliche Unreife eines Dokteranten eine Pfuscharbeit einzureichen in der Hoffnung durchgewunken zu werden.

Sollte denn nicht bereits das Erststudium der Versuch sein, dass ein Mensch zu einer “Führungskraft” zumindest im Sinne eines Macher, Denker, Vorbild in der weiteren Gesellschaft hinentwickelt? (…für Leute die mit etwas weniger Gehirnschmalz gesegnet wurden…) Wenn aber dann jemand noch als Dokterant versucht durchzuwurschteln und Jahre später Verantwortung für eigene Schlampereien versucht weiterzuschieben, dann muss diese Person ganz komische normative Maßstäbe seiner Gesellschaft annehmen (=Alle Idioten außer ich).

Bevor man einen Müll-Dr. macht, sollte man lieber seinen Hut nehmen und sich einen anderen Job suchen.


Hadmut Danisch
16.6.2011 22:27
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Romantisch, aber unwahr.

Objektiv betrachtet kommt es auf die Qualität der Dissertation so gut wie gar nicht an, weil das sowieso nach Lust und Laune bewertet wird. Und ein Schwindel-Doktor zahlt sich unterm Strich doch aus.

Nüchtern betrachtet ist es ziemlich rational und sinnvoll, bei der Promotion zu betrügen. Alles in allem ist die zu erwartende Bilanz (bisher) positiv.


40stunden
17.6.2011 8:12
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Ich kann bei der Hexenjagd der Pseudo-Doktoren nur mit dem Kopf schütteln. Sollen sie doch erst mal bei den Promotionen und Habilitationen der Prüfer (Profs) anfangen, bevor sie sich an die der Prüflinge (egal ob prominent oder nicht) machen. Zusätzlich kann man sich ja der Publikationspraxis deutscher Lehrstühle widmen und den freien Umgang mit dem Urheberrecht dort. Aber nein, stattdessen wird den deutschen Professoren wieder mal eine Plattform geboten, die Saubermänner zu spielen. Das ich nicht lache.