Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

CDU-Politiker geht auf Plagiat-Jäger los

Hadmut Danisch
11.7.2011 19:09

Der Focus berichtet, der beim Abschreiben ertappte CDU-Politiker Bernd Althusmann gehe auf die Plagiatsjäger los und wolle wissen, wer dahintersteckt. Sollen sie abgesägt werden?

Meine Meinung über die Anonymität ist zwiespältig. Einerseits kritisiere ich hier in meinen Blogs häufig, wenn Kommentatoren aus der Anonymität mit Dreck werfen. Erst neulich habe ich über die Schwarmfeigheit hinter der Anonymität gebloggt, dabei aber durchaus auch die Punkte aufgezeigt, derentwegen Anonymität manchmal doch notwendig ist.

Grundsätzlich sehe ich das so, daß es darauf ankommt, ob die geäußerte Kritik und deren Einstufung davon abhängt, wer sie äußert, etwa ob der befangen ist oder irgendjemandes Interessen vertritt. Anonyme Sachverständige gehen gar nicht. Viele Kommentatoren zu meinen Blogs haben die Meinung vertreten, daß es ihnen darauf ankommt, was jemand sagt, und nicht wer es sagt. Dieser Standpunkt wirkt sehr intellektuell, edel und objektiv. Er ist aber nur naiv. Denn viel Kritik kann unheimlich verfälschend wirken, wenn sie etwa selektiv geäußert wird. Da kann man sehr subtil verfälschen.

Gehen aber anonyme Plagiatsjäger? Ich glaube überwiegend ja, solange sie jemanden nicht des Plagiats beschuldigen, sondern für jeden nachvollziehbar aufzeigen, welche Seiten der Dissertation wo abgeschrieben wurden. Denn eine solche Darstellung ist in ihrer Einstufung weitgehend unabhängig davon, wer sie äußert. Das ist aber auch nur die halbe Wahrheit. Denn inzwischen wurden ja so viele Dissertationen als Plagiate aufgedeckt, daß man zwischen der Aufdeckung des einzelnen Plagiats und der Gesamtheit schon unterscheiden muß.

Und für die Gesamtheit stimmt das möglicherweise schon nicht mehr. Denn es fällt ja auf, daß es vor allem Politiker von CDU, CSU und FDP trifft. Das könnte ganz unterschiedliche Gründe haben. Es könnte bedeuten, daß die von den anderen Parteien seriöser sind. Oder besser fälschen. Oder sie nicht so scharf auf einen Doktor sind, daß sie ihn unlauter erwerben. Oder so doof, daß sie es nicht mal zum Plagiat schaffen. Oder bessere Quellen zum Abschreiben haben. Oder, oder, oder. Es kann aber auch bedeuten, daß zwar nicht die nachprüfbare Aufdeckung des Plagiats, sondern die Auswahl der überprüften Dissertationen politisch beeinflusst ist.

Man kann ganz üble wissenschaftliche Fehler und Schwindeleien erzeugen, wenn man nicht die Gesamtheit, sondern nur die erfolgreichen Ergebnisse veröffentlicht. Beispielsweise gibt es Betrüger, die Leuten einreden, daß sie Börsenkurse, Pferderennen oder Fußballergebnisse vorhersagen können, indem sie vorher alle möglichen Kombinationen vorhersagen und sich dann unter Reduktion der betrachteten Menge immer nur auf das konzentrieren, was in ihrem Sinne war.

Insofern müssen sich die Plagiats-Jäger – so sehr ich mich über ihre Arbeit freue – einen fundamentalen (aber doch erträglichen) wissenschaftlichen Fehler vorhalten lassen, der durchaus nicht allzuweit von der Fälschung von Laborergebnissen entfernt ist. Sie müßten nämlich nachvollziehbar belegen, wie sie die Dissertationen auswählen, die sie überprüfen, damit man sich vergewissern kann, daß sie nicht von vornherein parteipolitisch selektiv auf die Suche gehen.

Das ist ein wissenschaftlicher Fehler der Plagiatsjäger. Aber einen, den man verschmerzen kann, denn es geht ihnen ja (so hoffe ich mal) um Aufdeckung einzelner Plagiate und nicht um parteipolitisch selektive Diffamierung. Macht man sich diesen Fehler bewußt, kann man sich zumindest überlegen, ob man die Anonymität akzeptiert oder nicht.

Das Problem an der Sache ist aber, und das möchte ich Bernd Althusmann und der CDU hier mal ganz explizit an den Kopf werfen, die CDU selbst. Denn die CDU ist in dieser Hinsicht korruptionsfreundlich und rachsüchtig, sie schützt den Schwindler und richtet den hin, der es aufdeckt. Ist mir ja auch nicht anders gegangen. Ich habe damals die Korruptionsvorgänge um das Promotionsverfahren unter Echtnamen aufgedeckt, und wurde unter Billigung und Beteiligung des (damals CDU-regierten) Wissenschaftsministerium in Baden-Württemberg abgesägt. Ich habe das schon mehrfach erlebt, daß CDU-Politiker Leuten systematisch die Karriere kaputtschlagen, wenn die ihnen nicht in den Kram passen. Die haben so ein regelrechtes Mafia-Netz aufgebaut, in dem umgelegt wird, wer den Mund aufmacht. Und daher drängt sich hier auch der Verdacht auf, daß die CDU hier Rache an denen nehmen will, die das aufdecken.

Und daher ist das hier angebracht, daß die Plagiate anonym aufgedeckt werden. Nicht weil ich Anonymität schätzen würde. Sondern weil die CDU Rache übt und es deshalb einfach nicht besser verdient hat, als sie anonym zu kritisieren.

Wenn man sich beispielsweise mal anschaut, wie abhängig wissenschaftliche Mitarbeiter von Zeitverträgen und willkürlichen Wohlwollen sind, und welche Korruptionsspielchen bei der Besetzung von Professuren üblich sind, müssen Plagiatsjäger durchaus damit rechnen, daß ihnen die Wissenschaftskarriere sofort abgeschnitten wird, wenn ihre Identität bekannt wird.

Tja, lieber Herr Althusmann, das hat sich die CDU mit ihrer Politik über Jahre hinweg selbst verdient, daß man sie nur mit Kohlenzange, Gummihandschuh und Mundschutz anfassen möchte.

16 Kommentare (RSS-Feed)

Andreas
11.7.2011 19:54
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war nicht der erste ankläger gegen guttenberg nen prof. der das auch namentlich gemacht hat und (zumindest von der BILD) als linker verschwörer abgetan wurde?

mein erster gedanke war auch, stell dir mal vor da macht nen kleiner uni-angestellter mit und wird dann vom kultusminister auf die hörner genommen, der wird doch seines lebens nicht mehr froh… – aber das brauch sich der autor wohl nicht mehr vorstellen^^

und soweit ich die öffentliche meinung einschätze kommt die sache weniger parteipolitisch an als mehr auf die gesamte politiklandschaft bezogen. immerhin bewegen sich die aufgedeckten plagiate mengenmäßig im vergleich zur geamtheit aller politiker-/prominentendissertationen im stichproben bereich…

und gerade bei den plagiatsjagten kommt hinzu, dass man einen (theoretisch) neutralen sachverständigen in der universität hat, da nur diese letztlich über die diss entscheiden kann und nicht der beklagte oder die jäger, dafür dann auch amtlich.

vom problem, dass ein externes durchleuchten der arbeiten ja offiziell nicht notwendig sein sollte – selbstreinigungskräfte der wissenschaft…^^


Thomas
12.7.2011 8:28
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Die “Plagiatsjäger” müssen sich keine Fehler vorhalten lassen. Außer sie markieren fälschlich Stellen, die einwandfrei sind.

Warum sollte eine anonyme Masse zu irgendetwas verpflichtet sein? Du sagst, dass sie ihre Stichproben wissenschaftlich nach statistischen Regeln auswählen sollen, aber wer bestimmt und setzt diese für eine anonyme Masse durch?

Übrigens finde ich das System, so wie es ist, gut. Wenn es den widerwärtigen CDU Leuten (oder sonst irgendjemandem) nicht gefällt, dass sie beim plagiieren erwischt werden, sollen sie einfach nicht mehr bescheißen, selbst die Arbeiten ihrer politischen Gegner überprüfen und/oder zumindest aufhören ihre ertappten Kollegen zu schützen.

Ehemaliges Bikergangmitglied: “Mama, immer werden Mitglieder aus unserer “Gang” kontrolliert und eingebuchtet. Warum schauen die Polizisten denn nicht mal bei den anderen vorbei?”


Hadmut Danisch
12.7.2011 10:25
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Ja, im Prinzip hast Du ja recht. Niemand ist verpflichtet, gleichmäßig zu beleuchten (tue ich ja auch nicht, und es stört mich ja auch, wenn es jemand von mir verlangt), und die Wissenschaftsfreiheit erlaubt es auch, erstens zu kritisieren und sich zweitens anzuschauen, was man will.

Was ich damit sagen wollte ist aber, daß es durchaus einen vertretbaren Standpunkt gibt, von dem aus man die Anonymität kritisieren kann, daß jedoch die CDU diesen Standpunkt aufgrund politischer Machenschaften nicht mehr für sich beanspruchen kann.

Jetzt klar?


User
12.7.2011 10:48
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@Hadmut

vielen Dank für den Blogartikel!


yasar
12.7.2011 11:59
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Selbst wenn die oben kritisierten Plagiatsjäger sich nur auf Schwarz-gelb einschießen sollten, sehe ich kein Problem, solange Sie nicht vorsätzlich falsche Beschuldigungen veröffentlichen, sondern alles belegen können.

Wenn sich jemand dran stört, daß SPD, Linke und Grüne zu gut wegkommen, solle er einfach mal bei deren Doktores auf die Suche gehen. Würde der Hochschullandschaft nur guttun.


Granado
12.7.2011 19:16
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Ein halbes Jahr vor Fischer-Lescano hat ein Doktorand Plagiate bei Guttenberg erkannt – ihm wurde von seinem Doktorvater abgeraten, das publik zu machen. Das muss sich wohl jeder in ungefestigter Stellung sagen. Als Ende der 1990er Instanzen aufgestellt wurden, fiel Professoren als erstes ein, wie man falsche Vorwürfe bestrafen solle (TU Berlin). Peer-review erfolgt auch anonym. Und bald kann systematisch geprüft werden:
PolDiss (Politiker-Dissertationen)
http://www.profnet.de/index.php?&mode=bereich&bereich=65


Boris
13.7.2011 17:49
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Dem meisten vom hier Geschriebenen kann ich nur zustimmen. Ohne den Schutz der Anonymität riskieren die meisten Plagiatsjäger ihre berufliche Zukunft. Es sei denn sie sind als Professor bereits verbeamtet. Bzgl. der Reaktionen der konservativen Medien erinnerte mich doch der Fall zu Guttenberg irgendwie an das Märchen von des Kaisers neuen Kleidern. Nicht nur Politiker sondern auch hohe Funktionsträger meinen offenbar sie könnten immer noch den Tatbestand der Majestätsbeleidigung gegen Aufklärer ins Felde führen. Gut wenn sich daran mal was ändert.
Das zZ überwiegend Politiker der CDU, CSU und FDP im Visier der Plagiatsjäger stehen, liegt evtl. auch an deren z.T. recht veralteten Verständnis von Bürgerlichkeit. In keinem anderen Bereich wurden bis zum Fall KTG akademische Titel so extrem – ähnlich einer Monstranz – hervorgehoben wie in den Kreisen liberal-konservativer Politiker. Mir kam dabei immer Loriots “Zwei in der Badewanne” (Herr Dr. Klöbner!) oder Heinrich Manns “Der Untertan” in den Sinn.
Bei SPD, Grünen und Linken spielen nach meiner Beobachtung akademische Titel außerhalb der Wissenschaft traditionell eine geringere Rolle. Damit sind sie als Ziele für Plagiatsjäger evtl weniger interessant.


Merowinger
19.7.2011 12:30
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Mal ganz unabhängig von der politischen Präferenz, finde ich es doch schon seltsam, dass diese Dinger während des Promotionsverfahrens nicht auffallen. Bei den Doktorvätern und Mitgliedern der Prüfungsausschüsse scheint es sich ja doch um ziemliche Schlafmützen zu handeln.


Hadmut Danisch
19.7.2011 12:38
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…oder um hauptberufliche Weggucker…


Merowinger
5.8.2011 10:53
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Nun ja, da ich heute in meiner Tageszeitung lesen musste, dass der Gründer von vroniplag SPD-Mitglied ist, kann ich an die Neutralität und Unvoreingenommenheit dieser Plagiatsjäger nicht mehr so ganz glauben.


yasar
5.8.2011 14:16
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@Merowinger

Keiner erwartet, daß vroniplag unparteiisch ist. Es hält doch niemand die Mitglieder der anderen Parteien davon ab, auch nach Plagiaten der SPD-Doktores zu suchen.

Von daher: Solange vroniplag keine falschen Beschuldigungen erhebt, ist das alles ok.


Merowinger
8.8.2011 15:06
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@yasar
Ich frage mich nur, warum die Tochter von Edmund Stoiber dran “glauben” musste. Sie ist schließlich keine Person des öffentlichen Lebens.


Hadmut Danisch
8.8.2011 15:07
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@Merowinger: Wie hätte man denn sonst mit der umgehen sollen?

Soll man etwa nur bei Promis den Doktor wegen Plagiats entziehen? Sie also anders behandeln?


yasar
8.8.2011 18:39
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@Merowinger:

Das wäre doch eher ein Indiz dafür, daß vroniplag nicht gezielt sich Leute zum Abschuß sucht, sondern einfach mal dort wo sowas wahrscheinlich ist sucht, z.B. im Umfeld von einflußreichen Eltern/Mentoren, deren Proteges den Doktor (auch) deswegen bekommen haben, weil die Doktorväter/Prüfer die Mentoren nicht verärgern wollten.

Aber wie Hadmut schon sagte, warum soll man eine “no-name” anders behandeln als eine “celebrity”?


Merowinger
11.8.2011 14:10
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Ich habe da mal eine allgemeine Frage. Wie lange kann ein Doktortitel nach Erlangung eigentlich entzogen werden? Oder gibt es da keine Verjährungsfristen?


Hadmut Danisch
11.8.2011 14:31
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Meines Wissens keine festen Fristen. Aber je länger man ihn hat, desto höher die Schwelle. Allerdings unterscheidet man da auch wieder nach Unwürdigkeit, Prüfungsschwindel oder ob jemand die Prüfungsvoraussetzungen nicht erfüllte und nicht zugelassen werden durfte, aber trotzdem bestanden hat.