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Ist die Professoren-Besoldung W2 zu niedrig und verfassungswidrig?

Hadmut Danisch
21.7.2011 11:26

Ein Leser schickt mir gerade einen hammerharten Link auf eine Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts zu 2 BvL 4/10. Ein Verwaltungsgericht hat dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob die Professorenbesoldungsstufe W2 verfassungskonform oder zu niedrig ist. Zitat:

Das Grundgehalt stelle keine dem Amt des Professors angemessene Alimentation dar. Für die Beurteilung der Amtsangemessenheit komme es nur auf die jeweiligen Grundgehälter, nicht auch auf die in Aussicht gestellten Leistungsbezüge an. Das dem W 2-Professor zustehende Grundgehalt entspreche weder der vom Amtsinhaber geforderten Ausbildung, Beanspruchung und Verantwortung noch der Bedeutung und dem Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft.

Eine Interessante Frage.

Warum ist der Kläger Professor geworden, wenn ihm das Gehalt als zu niedrig erscheint? Warum wechselt er nicht auf eine besser bezahlte Stelle irgendwo in der Wirtschaft, wenn er meint, daß er zu niedrig bezahlt würde? Anscheinend hat die Professorenstelle als lebenslange Verbeamtung, mit Fehlen jeder Anwesensheits- und Leistungskontrollen und dem Schwafelmonopol doch ihre Vorteile, sonst würde der Kläger es ja nicht machen. Oder? Oder ist das jemand, der woanders erst gar keinen Job mehr bekäme, auch keine W3-Professur, und auf diesem Wege versucht, an mehr Geld zu bekommen, das ihm freiwillig keiner geben würde?

Geforderte Ausbildung?
Ich weiß von keinem Berufungsverfahren und von keinem Gesetz, in dem von Professoren irgendeine besondere Ausbildung gefordert würde. Im Gegenteil, viele Fakultäten achten sogar darauf, daß nur die Professoren werden, die das, was sie lehren sollen, noch nie selbst getan haben. In meinem eigenen Studium hatte fast kein Professor selbst die Ausbildung als Informatiker. Viele Professoren haben von ihrem Fach weniger Ahnung als ein durchschnittlicher Praktiker in der Außenwelt. Was soll da gefordert sein?
Beanspruchung?
Wenn man sieht, wieviele Professoren Zeit für Auslandsreisen und irgendwelche Veranstaltungsbesuche zu Tageszeiten haben, zu denen normale Leute arbeiten müssen, kann die Beanspruchung nicht hoch sein. Ich habe als Mitarbeiter meinen Prof oft wochen- oder monatelang nicht im Institut gesehen, weil der keinen Bock hatte, zu kommen. Und häufig kam der nur in die Uni, weil man als Uni-Angehöriger im Uni-Hallenbad kostenlos schwimmen gehen kann. Der hat dann ein oder zwei Stunden seine Bahnen gezogen und ist dann wieder nach Hause gefahren.
Verantwortung?
Wofür wäre jemals ein deutscher Professor zur Verantwortung gezogen worden? Die Verantwortung wird – wenn überhaupt – immer auf die Mitarbeiter geschoben. In Deutschland können Professoren prinzipiell tun und lassen, was sie wollen, sie werden niemals zur Verantwortung gezogen und fast nie auch nur wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens gerügt, das geht alles an denen vorbei.
Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft?
Noch zwei oder drei Plagiatsfälle und dann hat sich das auch erledigt.

Na, da bin ich ja mal gespannt, was die urteilen werden.

16 Kommentare (RSS-Feed)

karbau
22.7.2011 9:02
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Hallo,

nun ja, ohne den konkreten Fall zu kennen: Deine direkte Frage, warum der Herr dann überhaupt Prof wurde, könnte natürlich auch dadurch beantwortet werden, daß er vielleicht älter ist und noch davon ausgegangen, daß unsere Politiker die Uni nicht als Steinbruch zur Refinanzierung ihres Banken-Rettungs-Wahnsinns nutzen (wie andere Bildungsangebote auch).

In dem Fall hätte er ja vielleicht eine C3-Stelle angestrebt, die aber ja abgeschafft wurden (“zu Gunsten” der W-Besoldung mit “W=weniger”), so daß er (und viele andere) trotz des immensen Risikos (Du weißt ja, wie leicht man unter die Räder kommen kann) doch durch unsere Politiker massiv betrogen wurde (wie soviele andere auch in diesem, unserem Lande)


Hadmut Danisch
22.7.2011 11:32
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Jetzt wird aber von jedem normalen Arbeitnehmer erwartet, daß er beweglich und flexibel ist und auch mal umzieht, um sich woanders eine bessere Stelle zu suchen. Normale Menschen müssen dem Geld hinterherlaufen. Warum erwartet der dann, daß das Geld zu ihm läuft oder ihm hinterhergetragen wird? Er könnte sich ja mal auf eine W3-Stelle bewerben. Wär das nicht die logischere Verhaltensweise?

Die Situation für Professuren ist die, daß es ein Überangebot an Bewerbern gibt. Angebot und Nachfrage bestimmen da auch irgendwo die Preise, ähnlich wie bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern.

Und solange es viel mehr Bewerber als Professuren gibt (ich hatte ja gerade hier im Blog eine Buchkritik zur Wissenschaftlerkarriere), bleiben die Preise unten. Der Mann will also nichts anderes, als für Professoren das Prinzip der Marktwirktschaft abschaffen (sofern es das da überhaupt gibt).

Der einzige Weg, die W2-Gehälter zu heben, wäre, daß sich einfach keiner mehr auf W2-Stellen bewirbt und die Bewerber damit knapp werden, die Uni ihre Stellen also nicht mehr besetzen kann. Das haben wir aber nicht.


karbau
22.7.2011 15:01
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@Hadmut:

Natürlich hast Du recht : Angebot & Nachfrage machen es aus.

Und da das Angebot von Bewerbern deutlich höher ist als die staatliche Nachfrage, kann sich der Staat so eine zynische Herangehensweise an die Existenzen von völlig Abhängigen leisten (ich meine nicht den W2-Kläger, sondern die eine Stufe drunter).

Ich weiß, daß Du die Uni sehr, sehr kritisch siehst. Aber sieh auch, daß es durchaus auf “mittlerer” und “hoher” Ebene sehr, sehr engagierte Leute gibt, die das aus Idealismus tun (was die mehr als irrationale Wahl der Wissenschaft als Profession erklären könnte). Und die gerne sehr anders arbeiten würden, wenn nicht alles mittlerweile durch die widerwärtige Politik völlig vulgarisiert worden wäre – Stichworte wie “Exzellenz” oder “Drittmittelquote” stehen hier stellvertretend für die Trends, die alles zerstören.

Und zudem (lassen wir mal die existierenden Verhältnisse beiseite) ist natürlich die Universität als solche eine kulturelle Investition der Gesellschaft. Da ist’s schwer rein marktwirtschaftlich zu argumentieren. Wenn alles nur Anwendung haben muß, dann gäbe es a) keine Geisteswissenschaften mehr und b) gar keine Unis mehr.

Oder wenn, dann müssten auf jeden Fall Studiengebühren her. Denn – dein rein marktwirtschaftliches Argument weitergedacht – dann ist die Uni Dienstleister und bietet ein Produkt an (Bildung im Idealfall, irgendein Zertifikat in Realität). Und das muß bezahlt werden – und zwar nur vom Kunden (sonst würde ja ne Hebamme die Ausbildung des Ing-Studenten zahlen). Und das heißt Studiengebühren.

Das Problem ist eigentlich, dass es das alten Finanzierungsmodell “König leistet sich Gelehrte” nicht mehr gibt, aber die Gesellschaft als Ganzes auch nur irgendwie sehr wenig Interesse an Universität hat (was die massiven Verwerfungen in der dt. Universität erklären könnte, da es einfach keine richtige Kontrolle gibt und ein Posten als Wiss-Minister immer nur als “Verschiebebahnhof” gesehen wird; also sich die Politik einen Sch#### um die Unis kümmert)


Matias
22.7.2011 15:28
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“Im Gegenteil, viele Fakultäten achten sogar darauf, daß nur die Professoren werden, die das, was sie lehren sollen, noch nie selbst getan haben.”
Das mag vielleicht für die Informatik in den 90ern gestimmt haben ist aber für alle anderen technischen Studiengänge definitiv nicht zutreffend (und höchstwahrscheinlich heute auch für die Informatik).

“Wenn man sieht, wieviele Professoren Zeit für Auslandsreisen und irgendwelche Veranstaltungsbesuche zu Tageszeiten haben, zu denen normale Leute arbeiten müssen, kann die Beanspruchung nicht hoch sein.”
Tagungen zu Besuch ist ein wichtiger Bestandteil der Arbeit von Professoren! Sollen sie sich etwa dauernd in ihrem Institut verstecken und darauf hoffen, dass sich die Forschungresultate ihrer Gruppe von selbst ‘verkaufen’? Nein eben nicht, auf Konferenzen werden Resultate präsentiert, man sieht an was die Konkurrenz gerade arbeitet und knüpft Konakte für künftige Zusammenarbeiten. Das beschriebene Verhalten eines Profs der sich als ‘Sonnenkönig’ geriert findet sich heute kaum mehr. Ebenfalls eher ein Relikt aus vergangenen Tagen.

Bei der Verantwortung bin ich 100% gleicher Meinung, das ist ein riesiges Problem!


Hadmut Danisch
22.7.2011 15:32
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@karbau: Mit Idealismus hab ich das auch versucht, damit haben sie mich aber nicht reingelassen. Sie wollten Opportunismus und Konformismus. Das ist was anderes.


Hadmut Danisch
22.7.2011 15:35
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@Matias: Ich selbst gehe eigentlich schon lange nicht mehr auf rein wissenschaftliche Tagungen, sondern beruflich auf reine Fachveranstaltungen und privat auf interessante. Keine davon könnte man dem von Dir geschilderten Zweck des Konferenzbesuches zuordnen. Die Leute haben wirklich Zeit und bekommen die Spesen gezahlt. Das ist der Punkt.


Paul
22.7.2011 18:08
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In der Informatik gibt es neben seriösen Veranstaltungen auch reine Spassveranstaltungen bei denen alleine schon die Tagungsorte (Hawai, Capri, Nizza, …) auf den Charakter schliessen lassen. Letztere werden gerne von Professoren besucht. Ein normaler wissenschaftlicher Mitarbeiter dürfte wohl kaum jemals in den Genuss kommen.

Eine Verfassungsklage gegen eine einmal vereinbarte W2 Besoldung ist einfach nur lächerlich. Ich hoffe nur sie wird schnellstmöglich wegen Nichtzuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts abgewiesen. Schließlich ist zumindest mir noch kein Grundrecht auf eine W3 Besoldung zu Ohren gekommen. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis und Gehälter werden meines Wissens nach immer noch zwischen den Vertragsparteien verhandelt. Meiner Ansicht nach offenbart die Klage eine ebensolche Geistehaltungen wie die Forderungen von Vorstandsmitgliedern, sog. Top-Managern und Bankern nachdem sie ihren Laden in den Bankrott geritten haben.

Ursprünglich war mal mit der W-Besoldung eine “leistungsbezogene” Besoldung angestrebt. Sprich ein Grundgehalt (wovon sich auch bei W2 recht gut leben läßt) sowie ein leistungsbezogener Bonus. Das die Umsetzung, wenn überhaupt nur sehr schleppend verläuft liegt meiner Ansicht nach den Strukturen sowie den Selbstverständnis von Leuten wie obigen Kläger, welche hier in diesem Forum zu recht kritisiert werden.


karbau
22.7.2011 18:09
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@Hadmut:

ich sage ja auch nicht, daß Idealismus reicht, zu 100% verbreitet ist oder sonstwie Einfluß hat. Es ist wohl einen Korrelation von Null zwischen Idealismus und Karrieremöglichkeit an der Uni.

Was aber eben auch heißt, dass die, die das nur aus Machtgründen betreiben, durchaus auch Gegenspieler haben, die großen Idealismus haben (sonst gäbe es keine Korrelation von Null 🙂


Hadmut Danisch
22.7.2011 18:11
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@Paul: Wenn er durchkäme, würden als nächstes die Polizisten und die Steuerbeamten klagen. Die haben nämlich mehr Verantwortung und mehr Risiko.


Werner
22.7.2011 22:34
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Wie ich solche Leute hasse! Der Mann hat gewußt, was W2 bedeutet bevor er unterschrieben hat. Wenn ihm das zu wenig ist, dann geht er halt woanders hin. Jeder von uns weiß doch, was in seinem Arbeitsvertrag steht, bevor er ihn unterschreibt. Hinterher maulen interessiert nicht und ist niveaulos. Berk!


karbau
22.7.2011 23:07
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@Hadmut:

also, Steuerbeamte haben ganz sicherlich *maximal weniger* Risiko. Mit 19 nach Abi zur Steuer-FH, verbeamtet, und das wars.

W2 -> Studieren ohne Absicherung, Promovieren ohne Absicherung, Ausland ohne Absicherung, Habilitation ohne Absicherung, Arbeiten ohne Absicherung (am besten als “Privatdozent” oder auf Stipendium), und dann zittern, dass es im Zeitfenster von 2-3 Jahren klappt.

Wenn’s nicht klappt (bei > 90%) -> Taxi-Fahren.

Bei Polizisten ist das Risiko sicherlich größer als bei W2, zumindest maximal unangenehmer.


Hadmut Danisch
22.7.2011 23:17
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Ich hab das aber so verstanden, daß sie die Risiken des Professors und nicht das Risiko, nicht Professor zu werden, gemeint haben.


User
24.7.2011 1:50
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hmmm nachdem was ich hier lese, hätte ich grosse lust selbst ein Professor zu werden. Anscheinend muss man nichts können, nichts arbeiten und sogar die Anwesenheit ist nicht erforderlich: TRAUMJOB! Dafür würde ich die unwürdige W2 Besoldung trotzallem auch nicht ablehnen, also wo muss ich unterschreiben?


justauser
25.7.2011 20:14
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Ich glaube Sie regen sich ein bißchen aus Prinzip auf.
Es geht einfach um folgendes

http://de.wikipedia.org/wiki/Alimentationsprinzip

nach diesem Prinzip, worauf der öffentliche Dienst aufbaut, dürfte die Klage Erfolg haben. Der Grund liegt in der Tatsache, dass man in einem “niedrigeren Amt” im öffentlichen Dienst – hier Realschullehrer – nicht mehr verdienen darf als in einem höheren Amt – hier Professor an einer Universität oder Fachhochschule.

Sie können gerne der Vergleich Gruppen-/Projektleiter und einfacher Programmierer nehmen, wenn Ihnen das näher liegt.

Selbst das bayrische Gericht hat das vor Jahren schon kritisch gesehen und der Politik eine “Gnadenfrist” bzgl. der Zulagen gegeben. Da die Zulagen noch immer nicht an klare Kriterien geknüpft sind, nach Gutsherrenart vergeben werden können und von der Politik gedeckt sind…
Ich kann mir nicht vorstellen wie diese Besoldung aus dem Verfassungsgericht so wieder ausgeht wie Sie rein gekommen ist. Genauer ist es bei Wikipedia dargestellt:

http://de.wikipedia.org/wiki/Besoldungsordnung_W#Reaktionen_und_juristische_Kontroversen


anonym
26.7.2011 10:31
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“Das Bundesverfassungsgericht wies die Vorlage zunächst jedoch ab, da sie mangels Vorlageberechtigung unzulässig sei, weil das Verwaltungsgericht den Aussetzungs- und Vorlagebeschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter und somit nicht in der korrekten Besetzung erlassen hatte[11] Nach Wiedervorlage will das Gericht nunmehr unter 2 BvL 4/10 die Sache noch 2011 entscheiden[12][13].”

Ah! Das (Wiedervorlage) kommt also tatsächlich vor. Und die erstmalige Ablehnung heißt offenbar nicht, dass das BVerfG damit nichts zu tun haben will. Gut zu wissen.


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