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Promotion: Gaehtgens fordert Trennung von Betreuung und Prüfung

Hadmut Danisch
1.8.2011 13:33

Der Ex-Vorsitzende der Hochschulrektorenkonferenz fordert in einem Interview beim Deutschlandfunk die Trennung der Betreuung und der Prüfer, also daß der „Doktorvater” nicht mehr Prüfer sein darf. Recht hat er!

(Ich muß da immer an die Kochsendung „Küchenschlacht” denken, die im ZDF im Nachmittagsprogramm für die breite Bevölkerung ausgestrahlt wird und in der Amateur-Köche gegeneinander antreten. Sogar da ist es so, daß das zubereitete Essen am Ende von einem anderen Profi-Koch bewertet wird als von dem, der die Amateur-Köche bei der Zubereitung betreut hat. Also schon das seichte Unterhaltungsprogramm ist da auf einem höheren Niveau als unser Promotionswesen.)

9 Kommentare (RSS-Feed)

FF
1.8.2011 14:49
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Das sehe ich anders. Eine Dissertation ist kein Cordon bleu. Ich habe in Zeitgeschichte promoviert, der Spaß hat sich zweieinhalb Jahre hingezogen. Friktionen gab’s vor allem bei den Archivrecherchen: hier ist ein wichtiger Bestand gesperrt, da ist er verschollen, dort noch nicht verzeichnet. Bestimmte Akteure geben dir gerne Interviews, andere lassen dich eiskalt abfahren. Darüber redest du dann mit deinem Doktorvater; der kriegt diese ganzen Nöte und Querelen mit, weiß also am Ende als einziger genau, was realistischerweise möglich war und wieviele Briefe du verschickt hast, um irgendo ranzukommen. In welchem Archiv du dich monatelang vergebens rumgedrückt hast, weil irgendein Archivar (der natürliche Feind des Historikers!) keinen Bock hatte.

Das alles sollte in die Bewertung einfließen! Ein zweiter Punkt: Professoren desselben Fachs sind untereinander oft heftig verfeindet. Die machen sich dann einen Spaß daraus, den Doktoranden ihres Lieblingsfeinds in die Pfanne zu hauen. Und umgekehrt.

Fazit: einer dieser typischen Nonsense-Vorschläge, die sich erstmal gut anhören, aber in Wirklichkeit unpraktikabler Quark sind. Genau deswegen wird es wohl bald so kommen. Siehe Bologna-Reform.

PS: Wenn ich lese, XYZ “fordert” etwas, weiß ich genau, daß nach dem Doppelpunkt in 90 von 100 Fällen bullshit kommt. Ein Beispiel aus den letzten Tagen – Andrea Nahles fordert: “entschiedenere Kapitalismuskritik”. Bullshit! Diese feiste Tonne (Tschuldigung) müßte exakt diese Kritik liefern, wenn es die “SPD” denn noch gäbe. Anderes Beispiel. FDP fordert: Steuersenkungen…


Hadmut Danisch
1.8.2011 15:06
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Und mir hat es die Promotion ganz versaut, daß der „Doktorvater” seine Bewertungskriterien völlig willkürlich so festlegt, daß er den Doktoranden als Mitarbeiter möglichst lange ausquetschen kann.

Erste Grundregel bei der Prüfung ist, daß der Prüfer neutral sein muß, also keine Vor- oder Nachteile haben darf. Und das ist hier gar nicht der Fall.

Im Gegenteil habe ich es immer wieder erlebt, daß man den trüben Tassen die Promotion leicht gemacht hat, um sie möglichst schnell und einfach loszuwerden, und den guten Leuten bewußt erschwert hat, um sie länger am Institut zu halten. Und gerade in der letzten Zeit gab es zu viele Fälle, in denen sich die Promotionsprüfer letztlich nur selbst bewertet hatten.

Wenn die Bewertung der Promotion so sehr davon abhängt, daß der Doktorvater einem dabei zugesehen hat, dann ist an der ganzen Sache was faul. Wie sollte denn dann der Zweitgutachter die Dissertation geeignet bewerten können?


Matias
1.8.2011 18:23
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@FF:
“dein Doktorvater (…) weiß also am Ende als einziger genau, was realistischerweise möglich war und wieviele Briefe du verschickt hast, um irgendo ranzukommen.”
Eine Dissertation ist keine reine Fleissarbeit!!! Ok, man braucht immer auch etwas Glück, egal in welchem Fach man promoviert. Aber nach deiner Logik könnte man ja einfach nix erreichen, aber weil man sich ja wirklich angestrengt hat (und der Doktorvater hat es ja gesehen wieviele Briefe man geschrieben hat) kriegt man dann halt nach x Jahren den Doktor trotzdem, einfach so aus goodwill… So funktioniert das nicht. Es geht bei einer Dissertation ums Resultat, der Weg dahin interessiert nicht (zumindest solange alles auf dem eigenen Mist gewachsen ist). Die Vorstellung, dass man sich den Dr. durch grossen Einsatz ‘verdienen’ könnte ist zwar weit verbreitet aber grundlegen falsch!

à propos:
“der Spaß hat sich zweieinhalb Jahre hingezogen”
In nur 2.5Jahren zum Doktor?! Ich habe das falsche studiert…


FF
1.8.2011 19:44
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@Hadmut, Matias

Okay, diese Frage ist schwierig. Ich versuch’s nochmal: ein ernstzunehmender Doktorvater betreut das Unterfangen seines Doktoranden über Jahre, verfolgt dessen Erkenntnisse, deren Entstehung und den Wissensstand in diesem speziellen Gebiet mit und sollte das Endergebnis dann am besten einschätzen können. Im Idealfall. Natürlich kann dabei immer das Häberle- oder das Hadmut-Dilemma auftreten.

Wenn dann aber plötzlich einer 400 Seiten zur Benotung auf den Tisch kriegt zu einem Thema, mit dem er nie was zu tun hatte, das obendrein sein verhaßter Kollege in X betreut hat – was soll daran besser sein? Zumal dann ja immer noch zumindest das Häberle-Dilemma auftreten kann.


GG
2.8.2011 9:58
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@FF: Wenn Archivmaterial verschollen oder nicht verzeichnet ist, dann können Sie dies in Ihrer Arbeit doch problemlos belegen. Irgendwie wurden Sie ja schließlich auf die Existenz dieses Materials aufmerksam und irgendwie haben Sie schließlich herausgefunden, dass Sie da nicht rankommen. Also können Sie auch einem externen Gutachter und jedem späteren Leser in ihrer Arbeit darlegen, warum bestimmte (mögliche) Quellen für Sie nicht nutzbar waren und dieser kann das überprüfen.

Ich bin außerdem der Ansicht, dass nicht der Fleiß als solcher bewertet werden muss. Es spielt keine Rolle, ob sich jemand jahrelang abmüht oder ob ein Genie die Dissertation nebenbei aus dem Ärmel schüttelt. Was zählt, ist alleine der Inhalt. Also zum einen das Ergebnis Ihrer Arbeit und (und das ist eigentlich noch viel wichtiger) wie Sie dieses Ergebnis formulieren.

Wenn ich höre, dass Doktoranden behaupten, den Inhalt und das Ergebnis ihrer Dissertation können nur sie selbst und ihr Doktorvater wirklich verstehen, dann hat das eigentlich mit Wissenschaft nichts mehr zu tun. Das ist im Kern, wenn Sie ehrlich sind, nämlich die typische Haltung “hoffentlich liest das später niemand, ich will doch nur den Doktorgrad”.

Das im Szenario “Trennung von Betreuer und Gutachtern” die Promotion schwieriger werden wird, mag ja sein. Aber der formale Nachweis der Befähigung zum selbständigen wissenschaftlichen Arbeiten darf und soll eine gewisse Hürde darstellen. Letztendlich ist der Doktorgrad die Voraussetzung zu Berufung auf eine ordentliche Professur. Und von (potentiellen) Professoren erwarte ich, dass sie in der Lage sind, ihre Forschungsergebnisse in präziser aber dennoch verständlicher Sprache darzulegen. Dann sind auch externe Gutachter keine Bedrohung.


Oliver Tacke
2.8.2011 14:04
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Die komplette Trias “Arbeitgeber = Betreuer = Gutachter”, sollte IMHO mal sachlich diskutiert werden. In schlimmen Fällen mag nämlich diese Vermischung von gleich drei Rollen weiteren Zündstoff liefern und das ohnehin schon vorhandene Machtungleichgewicht noch stärker werden.


Hadmut Danisch
2.8.2011 14:06
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Ja!


Paul
3.8.2011 17:16
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Die Bezeichnung “Doktorvater” hat meiner Ansicht nach einen doch sehr altertümlichen Beigeschmack und ist irgendwie auch nicht mehr zeitgemäß. Ein kollegialeres / professionelleres Verhältnis und auch Rollenverständnis wäre im Jahre 2011 angemessener.

Das nur Doktorand und Doktorvater den Inhalt einer Arbeit verstehen können ist lächerlich und hat mit Wissenschaft ungefähr so viel zu tun wie die Behauptung, dass eine Doktorarbeit erst auf dem Schreibtisch des Gutachters “reifen” müsse.

All die Plagiatsfälle sind doch letztendlich genau das Produkt dieser Kungelei zwischen Doktorand und “Doktorvater”.

2.5 Jahre Archivrecherche und Interviews für den Dr. phil.?
Hmm mein Weg zum Dr.-Ing. war deutlich aufwändiger – Aquise v. Drittmitteln, F&E-Projekte, (internationale) Publikationen und schließlich noch Dissertation und Prüfung


quarc
6.8.2011 17:39
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@FF: Dass gegebenfalls nur eine Handvoll Spezialisten hinreichend mit dem
Thema der Arbeit vertraut sind, ist nicht ungewöhnlich. Wenn es aber wirklich
außer dem Doktoranden und dem Doktorvater sonst keinen gibt, der genügend an
der Arbeit interessiert und mit der Thematik vertraut ist, um sie gegebenfalls
zu beurteilen, stellt sich die etwas unangenehme Frage, wer denn überhaupt das
Interesse aufbringen soll, die Arbeit nach der Veröffentlichung zu lesen.
Ich halte eine solche Situation für ein sehr schlechtes Zeichen, sowohl für
das Themengebiet im engeren Sinne als auch für die betroffene Fachdisziplin.
Nebenbei halte ich natürlich auch einen Umfang von 400 Seiten für ein
schlechtes Zeichen, aber das kann von Fach zu Fach variieren.

Bei mir war auch der Doktorvater nur einer von mehreren, der die Arbeit
beurteilt hat. Dabei war von Vorteil, dass die Promotionsordnung der Fakultät
vorsah, dass wesentliche Resultate der Dissertation bereits in einer
ordentlichen Zeitschrift publiziert sein mussten. Sie wurde dann an zwei
weitere Gutachter geschickt; im Original werden diese Gutachter “Opponenten”
genannt, und das entspricht auch ihrer Aufgabe. An den beiden muss die Arbeit
also erst einmal heil vorbeikommen. Insgesamt halte ich das für klarer (und
letzlich auch besser für das eigene Selbstvertrauen) als wenn eine Arbeit
einfach nur so durchgewunken wird, weil niemand genügend Abstand zum
Doktoranden hat.