Master in Hokus Pokus
Weil mich gerade jemand in einem Telefonat darauf gebracht hat:
Schaut Euch mal auf der Webseite der Viadrina (Warum müssen Hochschulen heute eigentliche alle so komische Namen haben, die sich wie Viagra oder Angina anhören?) den Studiengang Master für komplementäre Medizin sowie dessen Broschüre an. Und was die Sueddeutsche darüber schrieb.
Abgesehen davon, daß meine Meinung von Homöopathie, „komplementärer Medizin” und sowas denkbar schlecht ist (Neulich laß ich, daß Steve Jobs vor seinem Tod bereut hat, sich gegen seine Krebserkrankung zunächst mit Fruchtsäften und Akupunktur statt im Krankenhaus hatte behandeln lassen und erst dann zu einer ernsthaften Behandlung kam, als es schon zu spät war), erstaunt es mich vor allem, daß hinter einem (vorgeblich) medizinischen Studiengang wesentlich Kulturwissenschaftler stehen (wobei ich die Bezeichnung oder Disziplin schon per se für eher mit sich selbst unverträglich einstufe). Kulturwissenschaft überzeugt mich nicht als Herangehensweise in medizinischen Angelegenheiten. Denn kulturwissenschaftlich gesehen gehört in unserer Gegend auch das Verbrennen von Hexen und das Opfern von Ziegen und Jungfrauen zu den bewährten Methoden, um Krankheiten loszuwerden. In manchen Gegenden von Afrika wird heutzutage von „Medizinmännern” gelehrt, daß „Mann” sich nicht mit solchen unmännlichen Lästigkeiten wie Kondomen abzugeben habe, weil man HIV jederzeit sofort, einfach, zuverlässig und rückstandslos heilen könne, indem man eine Jungfrau oder eine weiße Frau vergewaltigt, weil die Krankheit dann viel lieber auf die überspringt. Absurd, aber zweifellos auch Kultur. (Ach ja, und promovieren – als den Nachweis der Befähigung zu »wissenschaftlichem« Arbeiten – kann man bei denen auch. Über Homöopathie und sowas. Und ein Abitur braucht man auch nicht.)
Was also ist deren Thema? Und was nicht?
Immerhin listen sie in ihrer Broschüre eine ganze Liste von Allgemein- und Fachärzten auf, die sie als Dozenten verpflichtet haben wollen. Wobei ich gerade zu meiner Verblüffung gelesen habe, daß da auch welche von einem Horst Görtz Stiftungsinstitut für Chinesische Lebenswissenschaften an der Charité dabei sind. Die kannte ich noch gar nicht. Ich dachte immer, Horst Görtz treibt nur in der IT Security sein Unwesen, das ich – wie schon mehrfach im Blog dargelegt – für fragwürdig halte. Daß er auch ein Lebenswissenschafteninstitut an der Charité gestiftet hat und die nun in der EsoterikKulturheilkunde unterwegs sein sollen, wußte ich noch gar nicht – aber es paßt in das Bild, das ich habe.
Das ganze zeigt aber, wo es hingeht. Wissenschaftliche Grade wie Master sind zur völligen Beliebigkeit und Wertlosigkeit heruntergedrückt worden. Wissenschaft richtet sich nicht mehr danach, was wissenschaftlichen Methoden entspricht, sondern danach, was ein Publikum findet. Gaukler, Hochstapler, Narren. Und Kulturwissenschaftler, die in Medizin machen.
10 Kommentare (RSS-Feed)
Bis auf das kleine nebensächliche Detail, daß das nicht „sie” war, sondern „sie” zwischendurch mal 180 Jahre nicht existierte und „neugegründet” wurde. Also eigentlich die, die heute so heißt mit der, die damals so hieß, überhaupt nichts mehr zu tun hat bis auf den Namen, den man gerne haben wollte.
Die Aussage, daß „sie” seit 1506 so heiße, ist also falsch. Man hat sich nur bei der Neugründung eines alten Namens bedient.
Ach ja, diese Spitzfindigkeiten, aber die Namenskritik ist trotzdem Unsinn.
Hätte die neugegründete Uni sich etwa nicht auf ihre Vorläuferin berufen sollen? Das wäre dann ja wohl wirklich total bescheuert gewesen!
(Obwohl, diese Ossis, da weiß man nie.)
Außerdem, wenn mir jemand einen HokusPokusHömöopathie-Master verleiht, ist mir doch die Farbe des Umschlags, in dem die edle Urkunde steckt, völlig scheißegal, da sei Harry Potter vor, mir wegen solcher Petitessen meinen zarten Kopf zu zerbrechen.
Bist Du Dir sicher, daß Du wenigstens selbst weißt, was Du eigentlich sagen willst? Mir isses nämlich nich so klar…
Och das tut mir leid – aber ja, ich weiß, was ich sagen wollte.
Auf den Punkt gebracht:
– Kritik an neuem Master sehr berechtigt, überhaupt merkwürdige Geschichte, wer hat da seine Finger im Spiel? (Verschwörungstheorie eventuell angebracht), was sagt z.B. der Wissenschaftsrat dazu?
– Kritik am Namen a) überflüssig, b) Unsinn, c) goto a).
goto?
is böse böse böse …
Mal ganz ernsthaft gefragt, nach meinem Verständnis von akademischer BIldung müßte es doch einige harte wissenschaftliche Kriterien für die Einrichtung eines Studienganges geben. Zumal für den Master, der meines Wissens nach in der akademischen Rangordnug noch über dem traditionellen Hochschuldiplom eingeordnet wird.
Es gibt aber vor allem in den Bereichen Wirtschaft und Medien mitlerweile einen ganzen Straus von eher merkwürdigen Abschlüssen, die ich unter dem Label ‘Crossover’ zusammenfassen würde, man weiß von verschiedenen Gebieten einiges, kann aber nichts richtig.
Also kann es mit den wissenschaflichen Kriterien doch nicht sonderlich weit her sein, das kommt mir igendwie komisch vor, kann doch eigentlich nicht sein, oder?
“Mal ganz ernsthaft gefragt, nach meinem Verständnis von akademischer BIldung müßte es doch einige harte wissenschaftliche Kriterien für die Einrichtung eines Studienganges geben.”
Vielleicht gibt es die, das müßte man bei den entsprechenden Akkreditierungsagenturen erfragen.
“Zumal für den Master, der meines Wissens nach in der akademischen Rangordnug noch über dem traditionellen Hochschuldiplom eingeordnet wird.”
Traurigerweise auch sowas hier:
http://www.alanus.edu/studienangebot-kunst-im-dialog-master-sozialeurythmie.html
http://www.freie-hochschule-stuttgart.de/studiengaenge/eurythmie.php
Wie so ein Schwachsinn akkrediert werden kann, erschließt sich mir in keinster Weise.
(@HD: Sorry, sehe gerade daß ich diese Links in meiner Mail von 19.10. vergessen hatte)
“Es gibt aber vor allem in den Bereichen Wirtschaft und Medien mitlerweile einen ganzen Straus von eher merkwürdigen Abschlüssen, die ich unter dem Label ‘Crossover’ zusammenfassen würde, man weiß von verschiedenen Gebieten einiges, kann aber nichts richtig.
Also kann es mit den wissenschaflichen Kriterien doch nicht sonderlich weit her sein, das kommt mir igendwie komisch vor, kann doch eigentlich nicht sein, oder?”
Ich denke, da muß man schon zwischen konsekutiven und nichtkonsekutiven MA-Studiengängen unterscheiden.
Bei den konsekutiven muß man ja vorher das gleiche oder zumindest ein sehr ähnliches Fach auf BA oder Diplom studiert haben, d.h., daß im Master entsprechendes Grundwissen vorausgesetzt wird und der Stoff eher eine Vertiefung darstellt (war zumindest bei mir so). Bei den nicht-konsekutiven Studiengänge braucht man nur irgendeinen Grad, die Jahrgänge dürften da ziemlich bunt zusammengesetzt sein, was wohl die Seichtheit des Stoffes erklären könnte, denn großartiges Grundwissen kann man da nicht so ohne weiteres voraussetzen. Meinetwegen könnten die auch gut abgeschafft werden …
Wer sich über das Ausmaß der pseudowissenschaftlichen Aktivitäten an den Universitäten näher informieren will, findet auf dieser Esowatch-Seite einen guten Überblick:
Seitdem ich diese Mitteilung über eine WM im Luftgitarre spielen gesehen habe wundert mich nicht mehr sehr viel
http://idw-online.de/de/news433522
Immerhin konnten früher ja die Zahnärzte (damals Barbiere) auch Haare schneiden, rasieren etc. 😉
Gaukler, Wunderheiler, Medizinmänner kommt anscheinend alles wieder.
Sie haben einen aktuten Blinddarm? Da helfen doch garanatiert auch Reliqien, ein paar fromme Verse etc! Wie soll man denn sonst die Kostenexplosion im Gesundheitswesen in den Griff kriegen!
Viadrina heist sie seit 1506!