Unterschiedliches Licht
Vom zweiten Tag der Tagung „Plagiate, Wissenschaftsethik und geistiges Eigentum” in Bayreuth.
Gestern fand also der zweite Tag statt, ich war nur nach der längeren Autofahrt abends so müde, daß ich keine Lust mehr hatte, das gleich zu schreiben. Es gibt aber auch viel weniger zu schreiben, denn der Samstag war ja nur ein halber Tag, die Tagung um kurz nach 13.30 beendet, noch etwas Smalltalk beim Essen.
Eigentlich hatte ich gar nicht erwartet, daß am Samstag noch viele Leute kommen, denn der erste Tag (Freitag) fand ja während der regulären Dienstzeit statt, wo man ja immer gerne mal auf Konferenzen geht, während der zweite Tag ins Wochenende fiel. Es haben zwar tatsächlich einige gefehlt, aber es war trotzdem weit voller, als ich erwartet hätte. Scheint die Leute also durchaus ernsthaft zu interessieren.
Zu den ersten drei Vorträgen der Professoren Haimo Schack (Kiel), Axel Metzger (Hannover) und Hans Kudlich (Erlangen) kann ich jetzt ehrlich gesagt auch nicht allzuviel sagen, weil ich mir relativ wenige Notizen gemacht habe. Es waren eben rein juristische Vorträge über die Themen Plagiatsbekämpfung durch das Urheberrecht, die Zulässigkeit von Ghostwriter-Abreden, und die Strafbarkeit des Plagiats. Sicherlich sehr gute und flächendeckende juristische Darstellungen, auch sehr interessant, aber ohne greifbaren Schwerpunkt oder Kernaussage. Schlecht zu notieren, schlecht wiederzugeben, schlecht zusammenzufassen. Ich würde nicht direkt sagen dröge, aber doch eher trockener Stoff. Und eben weniger auf Wissenschaft, sondern eben auf nüchtern-sachliche Betrachtung der Rechtslage ausgelegt. Gut, interessant, nützlich, aber einfach schwer, da irgendwelche Einzelgedanken herauszugreifen, die sich mir eingeprägt haben. Notiert hatte ich mir, daß Schack auch einen vorformulierten Vortrag vom Blatt abgelesen hat (was ich persönlich einfach nicht mag und damit nichts anfangen kann), aber es war bei weitem nicht so schlimm wie am Vortag bei Sloterdijk, es ging.
Interessant war, daß etwa aus dem Publikum mal der Hinweis auf die Unterscheidung zwischen »rechtswidrig« im juristischen und »unanständig« im wissenschaftlich-ethischen Sinne gebracht und von den Vortragenden auch aufgenommen wurde. Es wurde auch geäußert, daß die Einstellung des Verfahrens gegen zu Guttenberg als »unerträglich« eingestuft würde, und daß es generell Zweifel daran gäbe, ob unser Strafrecht in Deutschland eigentlich noch Allgemeingeltung habe, die Praxis der Staatsanwaltschaften von Juristen durchaus nicht selten als illegal eingeschätzt werde. So wurde das Verhalten zu Guttenbergs mit dem Vergleich zugespitzt, als würde jemand mit 200 Büchern unter dem Arm aus dem Laden gehen ohne zu bezahlen und dann sagen, er wäre gerade junger Vater und so durch den Wind, daß er das nicht bemerkt habe. Handtaschendiebe würden für bis zu 5 Jahre eingesperrt, zu Guttenberg hingegen passiere nichts.
Ich habe kurz die Frage aufgeworfen (und auf eigene ungute Erfahrungen als Mitarbeiter verwiesen), daß manche Professoren das Mitarbeiterverhältnis als Verpflichtung von Mitarbeitern und Doktoranden auffassen, für sie als Ghostwriter zu arbeiten. Diese (zugegeben von mir auf 1-2 Sätze eingedampfte) Praxis wurde von den Juristen ohne weiteres als unzulässig und sittenwidrig eingestuft. An sich wäre das klar, aber ich muß doch feststellen, daß ich über die Klarheit der Äußerungen positiv überrascht war, zumal einigen der Juristen doch für einen Moment ein Gesichtsausdruck des Entsetzens anzusehen war, daß es sowas überhaupt gibt.
Daraus würde ich den Juristen auch einen Vorwurf machen, denn sie versteiften sich in ihrer rechtswissenschaftlich-abstrakten Sichtweise doch sehr darauf, wie es sein sollte und wie die Rechtslage ist. Für mich als ingenieurartig orientiertem Informatiker ist aber immer auch die Abweichung zwischen Soll und Ist von Bedeutung.
Und manchmal frage ich mich schon, was für Leute da unterwegs sind. Ich hatte zum ersten Tag der Tagung geschrieben, daß ich das Auftreten Professor Dreiers als unangemessen empfinde. An diesem zweiten Tag war es das Auftreten des Karlsruher Professors Vollmar als Moderator. Vollmar war in meinem Promotionsverfahren als Ombudsmann und als Dekan involviert. Zugegebenermaßen hatte er sich dabei durchaus um Vermittlung bemüht und war an der Ignoranz der Fakultät abgeprallt. Aber die Aufgaben eines Ombudsmanns und eines Dekans gehen viel weiter als nur eine diplomatische Vermittlung. Er war damals in der Pflicht, Fehlverhalten zu erkennen und abzustellen. Und das hat er nie getan. Er hat es nie unternommen, Fehlverhalten anzutasten oder in Frage zu stellen. Und wer so gegen seine Pflichten verstößt, der billigt und unterstützt grobes wissenschaftliches Fehlverhalten, zumal es im damaligen Streit ja auch darum ging, daß Beth sich meine Leistungen als seine aneignen wollte und die Fakultät mir vorwarf, daß ich nicht Beth für meine eigene Arbeit als Urheber zitiert, mit der Dissertation (wie dort damals verlangt) meine Arbeiten dem Doktorvater übereigne, quasi als wissenschaftlicher Ghostwriter arbeite. Wer so agiert, hat in meinen Augen auf einer Tagung über Wissenschaftsethik und geistiges Eigentum nur unter den Zuhörern aber nichts auf dem Podium verloren, schon gar nicht als Moderator. So gesehen wiederholte sich der Eindruck vom Vortag, daß die Tagung in vielerlei Hinsicht zwar gut und gut gemeint war, und viele der Teilnehmer durchaus auch ehrliche Absichten und löbliche Ideale hatten, aber erstens viel zu naiv und blauäugig gegenüber der Realität sind – und sich zweitens wohl nicht mal im Klaren darüber sind, in welchem Widerspruch manche der Organisatoren zum Thema und Anspruch der Tagung stehen, um es zurückhaltend auszudrücken. Vielleicht beruhen die Überraschung mit dem Vorgang zu Guttenberg, und die Schwierigkeiten im Umgang damit einfach darauf, daß man gegenüber der Problematik bisher völlig blind war und diese weit außerhalb des Gesichtsfeldes lag – was bei dem professoral-verbeamteten engen Tunnelblick ja nicht allzu schwer ist.
Der letzte Vortrag war der der bekannten Plagiatskritikerin und Professorin Dr. Debora Weber-Wulff aus Berlin, die – im Gegensatz zu den vorhergehenden Vorträgen – mal konkret und realitätsbezogen über die Untersuchung und Auswahl von Plagiatserkennungssoftware erzählte. Und endlich war mal richtig Stimmung in der Bude, plötzlich waren sie alle hellwach und sie hatte mehr Lacher, als alle anderen Vortragenden zusammen. Da zeigte die einzige Professorin unter den Vortragenden den Herren mal, wie man einen Vortrag attraktiv und frisch hält und das Publikum weckt statt strapaziert. Zusammen mit dem Vortrag über Plagiate in der Wissenschaftsgeschichte vom Vortag der in meinen Augen beste Vortrag.
Und das Fazit der Tagung?
Also so richtig vom Sockel gehauen hat’s mich jetzt nicht. War gut, aber nicht der Brüller.
Es zeigt aber immerhin, daß sich langsam doch ein erster, leichter Ansatz von Bewußtsein für das Problem und sogar Kritik daran bildet. Für den frühen Anfang nicht schlecht, aber da ist noch ein weiter Weg. Und viel Naivität ist zu beobachten. Denen scheint noch gar nicht klar zu sein, wieviel und welchen Schwindel es im Wissenschaftszirkus gibt. Und ab und zu frage ich mich dann schon mal, wo ich da eigentlich gelandet bin. Wenn ich als Informatiker Jura-Professoren (mehrfach) darauf hinweisen muß, daß das BVerfG entschieden hat, daß wegen Art. 12 I GG die Anforderungen und Bewertungsmaßstäbe in berufsbezogenen Prüfungen der gesetzlichen Grundlage bedürfen, und die das dann abstreiten, dann ist was faul. Und rein methodisch würde ich dann auch sagen, daß man sich eine juristische Herangehensweise eigentlich in die Haare schmieren kann, wenn man über plagiierte Dissertationen diskutiert, indem man mit Urheberrecht und Ethik herumfuchtelt, aber keiner, wirklich keiner von diesen Meister-Juristen auf die Idee kommt, erst mal zu klären, was die Promotionsprüfung rechtlich überhaupt ist.
Und genau da liegt der Hund begraben. Die wollen das gar nicht systematisch in Ordnung bringen. Viele betonten ja auch immer wieder, daß man die Autonomie der Hochschulen keinesfalls antasten dürfe – ohne zu klären, ob und woher sie die überhaupt haben könnten. Nee, das soll bitteschön alles so verfilzt und undurchsichtig und willkürlich und verdreckt und korrupt bleiben wie es ist, und das ganze Rechtsgehampel dient nur dem Zweck, Plagiate in Dissertationen zu sanktionieren, weil die ja dem Ruf der Hochschule abträglich sind.
Insofern bleibt bei mir der fade Nachgeschmack, daß man wieder mal nur an der Fassage herumkleistern will, statt das Problem systematisch zu lösen. Aber da bin ich als Informatiker wohl zu weit von den Geisteswissenschaftlern entfernt. Ich fürchte fast, die wollen das nicht nur nicht, die können das auch nicht. Womit wir wieder bei dem Thema der Juristenrepublik wären.