Gleiche Leistung bei Mädchen besser benotet als bei Jungs
Auf Telepolis wird über eine von Vodafone finanzierte Studie berichtet, welche nicht leistungsrelevanten Kriterien die Schulnoten beeinflussen.
Neben dem sozialen Hintergrund wurde auch das Geschlecht ausgemacht:
Geschlechterunterschiede zeigten sich zu Gunsten der Mädchen, die bei gleichen Leistungen in standardisierten Leistungstests bessere Noten erhielten als die Jungen. […] die unterschiedliche Benotung von Mädchen und Jungen ist zumindest teilweise auf Unterschiede in der Anstrengungsbereitschaft und der Gewissenhaftigkeit im Unterricht zurückzuführen.
Bestätigt genau meine Beobachtungen und Erinnerungen aus der Schulzeit. Mädchen kamen deutlich leichter an gute Noten, und bei manchen Lehrern war es völlig egal, was man leistete, weil der sowieso für jeden feste Noten hatte. Jungs zwischen 3 und 4, Mädchen 1 bis 3. Je blonder und je größer der Brustumfang, desto besser die Note. Am schlimmsten war der Religionslehrer.
Und eine bemerkenswert paradoxe Erkenntnis aus der Studie selbst:
Welche Ursachen haben die besseren Noten der Mädchen? Inzwischen gibt es gute Belege dafür, dass Mädchen insgesamt in Hinblick auf wichtige lernrelevante Kompetenzen im Bereich der Selbststeuerung, Motivation und des Sozialverhaltens von sich selbst und anderen positiver eingeschätzt werden als Jungen. Diese Merkmale fließen auch in die – nach Kontrolle der Leistung in standardisierten Schulleistungstests – besseren Schulnoten der Mädchen ein (zusammenfassend Hannover & Kessels, 2011). Allerdings gibt es auch Hinweise darauf, dass Geschlechterunterschiede bei der Anstrengungsbereitschaft über die Schulfächer hinweg nicht einheitlich sind, sondern zwischen eher geisteswissenschaftlich und eher naturwissenschaftlich geprägten Fächern variieren (vgl. Trautwein & Lüdtke, 2009). Ursache hierfür scheinen Geschlechterunterschiede in Erwartungs- und Wertüberzeugungen zu sein, die den üblichen Geschlechterstereotypen folgen (vgl. Watt & Eccles, 2008). Dass Geschlechterstereotypen über entsprechende Anstrengungsinvestitionen einen Bruttoeffekt auf Geschlechterdisparitäten in Leistungstests, Bewertungen durch Lehrkräfte und bei beruflichen Wahlentscheidungen haben, gilt als gesichert (im Überblick Watt & Eccles, 2008). Wie groß die zusätzlichen „direkten“ Effekte von Geschlechterstereotypen bei der Beurteilung durch Lehrkräfte ausfallen, ist hingegen noch umstritten. Jungen scheinen noch immer in Hinblick auf allgemeine kognitive Fähigkeiten besser bewertet zu werden. So attribuierten in einer Studie von Tiedemann (1995) Lehrkräfte gute Leistungen bei Schülerinnen stärker auf Anstrengung und weniger stark auf Fähigkeiten als bei Jungen. In einer Studie mit dem Deutschfreiburger Übertrittsdatensatz von Trautwein und Baeriswyl (2007) wurde Jungen (bei gleicher Testleistung) von den Lehrkräften eine höhere kognitive Leistungsfähigkeit attestiert. Ob und in welchem Maße die in der großen Mehrzahl der Studien gefundenen Bewertungsvorteile für Mädchen bei der Motivation und dem schulbezogenen Verhalten neben tatsächlichen Unterschieden auch entsprechende Stereotype reflektieren, lässt sich bislang schwer abschätzen.
In dieser Teilstudie untersuchen wir Geschlechtereffekte bei der Notenvergabe an zwei wichtigen Gelenkstellen von Bildungsbiographien: Am Ende der Grundschulzeit entscheiden Schulnoten, welche Schulform die Schülerinnen und Schüler in der Sekundarstufe I besuchen. Am Ende der gymnasialen Oberstufe stellen Schulnoten ein zentrales Selektionskriterium für den Zugang zu spezifischen Studienangeboten dar. Zusätzlich soll für den Grundschulbereich untersucht werden, ob Geschlechterunterschiede mit geschlechtsspezifischen Motivationen zusammenhängen.
Es wird danach noch ausgeführt, daß der Benotungsvorteil von Mädchen auch darauf zurückgeführt wird, daß sie leistungs- und anstrengungsbereiter sind als Jungs. Sie kommen im Mittel die besseren Noten obwohl die Jungs leistungsmäßig vorne liegen (Mädchen sind in Deutsch usw. besser, Jungs in Mathe, Naturwissenschaften).
Das heißt aber im Ergebnis, daß die die Bewertung unfair ist. Bei Jungs unterstellt man, daß sie besser sind, weshalb man bei Mädchen unterstellt, daß sie sich mehr angestrengt haben müssen, um dieselbe Leistung zu erreichen, die man deshalb besser bewertet.
Zwar ist es bei Schulnoten grundsätzlich so, daß sie – im Gegensatz zu Berufsausbildungsnoten – rechtlich gesehen nicht allein an der Leistung orientiert sein müssen, sondern auch Platz für pädagogische Erwägungen ist, man also durchaus nicht nur die Leistung, sondern auch die Anstrengung honorieren kann. Die Anstrengung muß aber objektiv gegeben sein. Es darf nicht so sein, daß gleiche Leistungen bei Mädchen allgemein besser bewertet werden als bei Jungs.
Im Ergebnis wirkt sich das nämlich nicht nur auf die formale Note aus, sondern in der Rückkopplung auf die Motivation und auch auf das Fortkommen in der Schule und bei der Aufnahme des Studiums, insbesondere mit Numerus Clausus. Man könnte durchaus mal nachforschen, ob der Umstand, daß die Frauen mehr als 50% der Studierenden ausmachen, auf solche geschlechtsspezifischen Bewertungsvorteile zurückzuführen ist.
3 Kommentare (RSS-Feed)
man müsste sich sicherlich auch mal gedanken darüber machen, was die fragen des personals betrifft: im bereich der elementar- und grundschulpädagogik (krippe bis ende grundschule) arbeiten zum großteil frauen. (in kitas ist der prozentsatz von männlichen erziehern in D bspw. bei 2,4% und europaweit so um die 3%). ich meine damit nicht, dass frauen jungs von sich aus schlechter bewerten. sondern dass männer jungs anders wahrnehmen (sie waren ja selbst mal einer) und demenstsprechend anders verstehen und also andere grundlagen für die bewertung haben.
hinzukommt, dass geschlechtssensible ausbildung meistens eher weiblich-orientiert ist. liegt aber auch wieder mit am personal, weil jungenarbeit (= geschlechtssensible ausbildung von männern für jungs) an sich nur von männern gemacht werden kann und von denen gibts in dem bereich halt wenig. selbst wenn alle in diesem bereich arbeitenden männer sich darin ausbilden lassen würden, würde es nicht reichen. und in der höheren pädagogik (sek I bis uni) ist geschlechtssensibiität eigentlich gar kein thema mehr, obwohl da genügend männer vorhandenn wären (vor allem gymnasium und uni) und das thema keineswegs überflüssig. da machen die männer allerdings auch selbst zu wenig. gibt zb an nahezu jeder uni ein frauenreferat, aber an den wenigsten gibt es männerreferate.
da die bisherigen anstrengungen, mehr männer in elementarpädagogik zu bekommen, aber hauptsächlich werbemaßnahmen sind, wird sich daran auch nicht viel ändern. soweit bekannt, gehen sehr wenige männer in diesen bereich, weil es unglaublich wenig kohle gibt (1100-1500 netto für 40 stunden pro woche), die ausbildung viel zu lang (5 jahre, davon 4 jahre ohne jede bezahlung) und zu inhaltslos ist, die karrierechanchen nahe null liegen, quereinstiege nur relativ schwer möglich sind, manch einer ausserdem keine lust auf den generalverdacht “pädophil” hat (besonders in krippen und kitas) und zuletzt auch das problem besteht, dass man dann häufig als einziger mann zusammen mit 5-15 frauen in einer kita arbeitet, was belastend sein kann. da aber wie gesagt, alles, was gerade zur abänderung unternommen wird, werbekampagnen sind, wird sich daran kaum was ändern.
Hallo Hadmut, zu deinem letzten Absatz: “Im Ergebnis wirkt sich das nämlich nicht nur auf die formale Note aus, sondern in der Rückkopplung auf die Motivation und auch auf das Fortkommen in der Schule und bei der Aufnahme des Studiums, insbesondere mit Numerus Clausus. Man könnte durchaus mal nachforschen, ob der Umstand, daß die Frauen mehr als 50% der Studierenden ausmachen, auf solche geschlechtsspezifischen Bewertungsvorteile zurückzuführen ist.”
Die Autoren der Studie streifen diesen Punkt auch kurz, und bemerken, dass Jungen durch die diskriminierende Notengebung eben Probleme haben für die Fächer mit entsprechend hartem NC zugelassen zu werden.
Der Blick in die Psychologie, Zahn/Humanmedizin, aber auch inzwischen Jura, zeigt das überdeutlich. Wir verschwenden als Gesellschaft die männlichen Talente, nur um einem Geschlechterproporz gerecht zu werden, der Frei nach dem Motto “Damit es unseren Töchtern einmal besser geht, muß es den Söhnen schlechter gehen.” agiert.
Was Du da zitiert hast, sieht jedenfalls mal nach ernsthafter Empirie aus: Man hat sich einen Wirkmechanismus zurechtgelegt und untersucht jetzt ganz gezielt die einzelnen Aspekte.