Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

EU-Promotion statt deutscher Promotion

Hadmut Danisch
4.1.2012 21:48

Die ZEIT berichtet über Pläne für eine europäische Industrie-Promotion, die den deutschen Doktorgrad verdrängen könnte. (Danke für den Link!)

Zumindest im Artikel der ZEIT liest sich dieser „Euro-Doktor” nicht wie wissenschaftliches Arbeiten, sondern mehr so als Abzeichen für ein betreutes Praktikum. Wie das Seepferdchen-Abzeichen beim Kinderschwimmen. Weil er von vornherein für die Industrie gebaut ist, also anscheinend nur dazu gedacht ist, irgendwie den Dr. oder den PhD auf die Visitenkarte zu projizieren.

Natürlich bekommen die Deutschen sofort Angst, daß ihnen eher im wörtlichen als im sprichwörtlichen Sinne die Felle wegschwimmen und ihnen der Umsatzfaktor Promotion (vulgo: Titelhandel) abhanden kommen könnte. Prompt beschwert sich der Dachverband der Fakultätentage für Ingenieurkram und Informatik. Klar. Weil das die sind, die den größten Reibach mit ihren Factory Outlets für die B-Ware bei Doktorgraden (so mit kleinen Schönheitsfehlern) machen. Denen geht das Geschäft flöten, wenn man Doktorgrade künftig auch mit weniger Gezappel bekommt. Und haben dazu gleich ein Pamphlet „Zufriedenheit mit der Ingenieurpromotion” verfaßt (soll auch die Informatik abdecken). Ich bin damit übrigens gar nicht zufrieden. Weil das so ist, daß der, der erpresst und kassiert, stets zufrieden ist, und der, der erpresst wird, eben nicht. Ich muß das Ding mal lesen, sicher lustig.

Schlimmer noch, die Europäer haben sich dafür einen neuen Namen ausgedacht, den (die? das?) „European Engineering Doctorate (EEngD)”. Das wollen sie künftig alle haben, und der deutscher Doktor verliert an Wichtigkeit. So ähnlich wie Diplom gegen Master. Dahinter steckt das European Institute of Innovation and Technology (auf deutsch: europäischer Laden für alles und neues).

Interessant daran ist, daß das wohl den Eindruck erweckt (zumindest deutet es die ZEIT an), als wolle man damit der dominierenden Stellung der Deutschen in Europa entgegenwirken. Angeblich orientiert sich das Ding an britischen Gepflogenheiten der Industriepromotion. Die Briten wollen den Euro nicht, dafür bekommt Europa den britischen Doktor. Ist das nicht tragikomisch?

Die Beschreibung liest sich amüsant:

Während wissenschaftliche Mitarbeiter als junge Berufstätige promovieren, die neben ihrer Forschung auch lehren und den Lehrstuhl organisieren, wird der neue EU-Doktorand als Auszubildender gedacht. Sein “training” besteht darin, unter Anleitung der Uni-Mitarbeiter “wirkliche” Probleme aus der Industrie zu lösen und “innovative Artefakte” zu entwickeln, etwa ein neues Produkt oder System. Auf diesem Wege soll der EU-Doktorand auch zur Forschung beitragen. Anders als beim akademischen PhD will er aber nicht nach “Wahrheit” suchen, sondern einen “Zweck erfüllen”, schreibt die Gruppe. Die akademische Anforderung besteht schließlich in der Beschreibung der Problemlösung und aus der Zusammenfassung der Forschung zum Thema. Darüber geht die deutsche Promotion allerdings weit hinaus. Sie verlangt einen nennenswerten Beitrag zur Forschung.

Da weiß ich nicht, worüber ich zuerst lachen soll:

  • „Unter Anleitung der Uni-Mitarbeiter Probleme lösen”? 90% der Uni-Mitarbeiter, die ich bisher erlebt habe, können das ja nicht mal selbst geschweigen denn jemanden dazu anleiten. Woher sollen sie auch wissen, wie das geht? An der Universität werden Probleme nicht gelöst, sondern höchstens gemacht oder behauptet (um irgendetwas als Lösung auszugeben). Mir hat man damals sogar explizit vorgeworfen, daß ich Top-Down (also problemanalytisch) und nicht Bottom-Up (also irgendwas finden und dann rätseln, wofür man es brauchen könnte) vorgehen würde.
  • „wirkliche Probleme lösen?” Wer würde mit einem „wirklichen Problem” zu einer Universität gehen (jedenfalls einer deutschen)? Mir wäre jetzt nicht bekannt, daß deutsche Universitäten beispielsweise in Informatik ernsthaft Probleme lösen würden. Zur Uni geht man, wenn man einen Dr., einen Honorarprofessor oder ein Gefälligkeitsgutachten braucht. Probleme läßt man woanders lösen oder löst sie selbst.
  • Nicht Wahrheit, sondern Zweck. Jo. Fragt sich, worin dann die verfassungsmäßige Rechtsgrundlage liegen soll, welche Art von Prüfung das sein soll.

Das Ding ist lächerlich. Aber nicht weniger lächerlich als die bisherige deutsche Promotion, bei der ja auch alles schief läuft und gemogelt wird. Und da habe ich ja genug Akten auf Lager.

Die Deutschen wollen deshalb jetzt in Brüssel vorstellig werden. Ich glaube, da muß ich auch mal reinschauen und denen mal ein paar Takte darüber erzählen, was ich in Deutschland mit der Promotion erlebt habe und daß sie sich von den Deutschen da keinen vom Pferd erzählen lassen sollen. Kann ja so nicht angehen.