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iTunes U

Hadmut Danisch
21.1.2012 22:05

Eigentlich wollte ich ja was über iTunes U schreiben. Kürzlich noch habe ich was darüber gebloggt, daß man wohl besser eine gute Vorlesung einer guten Uni per Konserve aus dem Netz hört, als eine schlechte Vorlesung hier in Deutschland live hören zu müssen.

Nun kam vor ein paar Tagen iTunes U von Apple für das iPad heraus, in dem man (bis jetzt kostenlos) Vorlesungen als Video und mit Zusatzmaterial (Skripte, Aufgaben usw.) abonnieren und laden kann. Ganz so in dem Stil, in dem es bisher für das iPad auch schon das Buch- und Zeitschriftenregal für gekaufte Bücher und Zeitschriften gibt.

Im Prinzip sogar ne dolle Sache, es gibt auch schon einige Vorlesungen, sogar von ein paar deutschen Hochschulen. Allerdings lief das bei mir noch nicht sauber. Ab und zu werden Vorlesungen einfach nicht geladen, oder irgendwie verschluckt sich das Ding. Und die, die ich bisher gesehen habe, waren meist nicht so doll (Blick nach Potsdam…). Aber so von jetzt auf gleich kann das auch nicht klappen. Deshalb verkneif ich mir die Kritik mal, bis das in die Gänge kommt.

Ich will’s mal so sagen: Die Idee und die Präsentation finde ich mindestens gut. Die Implementierung ist noch nicht so ganz reif und fehlerfrei und das Angebot noch etwas dünn. Aber das wird.

Ich würde prophezeien, daß es in ein paar Jahren zu allen Fächern (natürlich überwiegend auf englisch) ein paar Top-Vorlesungen geben wird, die sich da durchsetzen. Und dann noch die „Lokalnachrichten”, die man halt hören muß, weil es die eigene Uni ist, nicht wegen der Qualität.

Was vermutlich zu dem Effekt führen wird, daß jeder Professor irgendwelche Spezial-Schlenker einbaut, damit man „seine” Vorlesung hören muß und nicht die bessere einer anderen Uni nehmen kann.

Ein anderer Effekt wird sein, daß Vorlesungen teils auch gar nicht mehr gehalten werden. Guckt’s im Web!

Ich hab vor ein paar Jahren schon erlebt, daß ein Prof seine Vorlesung an einer fremden Uni gehalten hat, wo es ihm besser gefiel, und dann in den Seminarraum für die eigene Vorlesung nur den Assi, der die Videokamera an den Beamer angeschlossen und sie abspielen lassen hat. Das war erst dann gut, als man es sich auch von zu Hause aus runterladen konnte. Der Punkt war aber, daß er in seiner Vorlesungsliste zwei Vorlesungen stehen hatte, obwohl er nur eine tatsächlich hielt. Man wird künftig auf solche Konserven zurückgreifen.

An sich finde ich eine gute Konserve ja immer besser als eine live vermurkste Vorlesung inkompetenten Lehrpersonals. Nur bekommt man dann irgendwann gar nicht mehr mit, wie inkompetent die Leute sind.

7 Kommentare (RSS-Feed)

Someone Else
21.1.2012 22:31
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Nur Rückfragen sind halt dann schwierig.


Ursula
21.1.2012 22:57
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Ich bin froh, dass ich mir um Vorlesungen als formelle Studienleistung keine Gedanken mehr machen muss.

Aber ich genieße die vielfältigen Vorlesungsangebote, die es von amerikanischen Unis gibt. Einfach so, als intelligentes Unterhaltungsprogramm. Mein Favorit derzeit sind Geschichtsvorlesungen aller Art …


Hadmut Danisch
21.1.2012 23:43
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@Someone: Ich hab schon so viele Dozenten erlebt, die keine Rückfragen beantworten können…


Stefan W.
22.1.2012 16:16
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Wenn ich an die Uni zurückdenke, da waren im Grundstudium die Hörsäle meist wahnsinnig überfüllt. Rückfragen waren da sowieso kaum möglich und kamen auch selten vor.

Wenn man eine Vorlesung aufzeichnet, dann will man natürlich besonders viel Sorgfalt walten lassen, alle Fehler ausbessern, man muss die Technik in den Griff kriegen. Das ist vielleicht 3x oder 4x so viel Arbeit, wie eine normale Vorlesung, aber der Prof. muss nicht 20x in die Uni kommen, sondern kann, nachdem er etwas Übung hat, bestimmt 4 Vorlesungen am Stück (mit kl. Pausen) einspielen. Und dann Jahr für Jahr nutzen, und wenn man aus mehreren Vorlesungen die beliebtesten und besten ermittelt hat, im ganzen dt. Sprachraum (solange sich inhaltlich im Stoff nichts geändert hat).

Da könnte man enorme Einsparpotentiale nutzen, und die gesparte Zeit dann beispielsweise in die Betreuung stecken.

Aber nach den Erfahrungen mit Politik, Bildung, Sparen und Innovation werden sie es entweder nicht hinbekommen, oder schlecht machen, die Ersparnis für anderes nutzen, also beispielsweise einfach kürzen.

Statt die Inhalte frei verfügbar zu machen werden sie sicherlich ein kompliziertes Paywallsystem aufbauen. Maschinenlesbarer Studentenausweis mit biometrischen Merkmalen usw.

Inkompatible Schrottsoftware, die nur mit Windows 8, 9 und später 10 funktioniert.

Hergestellt von Telekom, Siemens und Bundesdrukerei. 🙂


Chris
22.1.2012 17:13
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“Standard” Webvorlesungen für Grundlagenfächer fänd ich super. WENN die frei werdenden Ressourcen genutzt werden um vermehrt Übungsgruppen o.ä. anzubieten. Und fortgeschrittene Vorlesungen dann eher in Form von Seminaren. Da könnten die Dozenten sich dann durch individuelle Angebote, die ihrem Spezialgebiet entsprechen hervortun.


HF
23.1.2012 19:06
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Warum gibt es solche Lehrbücher der Informationstheorie in D nicht:
http://www.inference.phy.cam.ac.uk/mackay/itila/book.html
Und was könnten die Professoren in D nicht alles bewegen, wenn sie sich auf den Auftrag besinnen würden, für den sie bezahlt werden. Das ist tragisch 🙂
Worauf soll man jetzt hoffen: Das sie sich zu Handlangern der Contentindustrie machen? Oder dass sie das nicht tun, weil es unter ihrer Würde ist?


Laßt euch nicht veräppeln.

Carsten

http://www.toonpool.com/user/299/files/blah_blah_797259.jpg