Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Widerstand gegen Wucher-Verlage – The Cost of Knowledge

Hadmut Danisch
31.1.2012 12:36

Ein Leser schickt mir gerade einen Link auf diese Wiki-Seite über gesammelte Hinweis zu Ärger und Widerstand gegen die Wissenschaftsverlage. Dazu paßt ganz gut The Cost of Knowledge, eine Seite über organisierten Boykott des Wucherverlags Elsevier. Nachtrag: Und einen Bericht über üble Lobbyarbeit in den USA gegen Internet-Publikationen, hinter denen ebenfalls Elsevier vermutet wird.

Dazu muß man verstehen, was da eigentlich vor sich geht. Wissenschaftsverlage waren historisch-technologisch mal notwendig, weil Wissenschaftler von Können, Ausstattung und verfügbarer Technik schlicht nicht in der Lage waren, ihre Erkenntnisse in eine (qualitativ, quantitativ, technisch) publizitätsfähige Form zu bringen, sprich: in Buchform zu bringen, ordentlich zu drucken, herstellen zu lassen und zu vertreiben. Als Wissenschaftler noch handschriftlich oder bestenfalls mit der Schreibmaschine (sogar in der Anfangszeit meines Studiums war das noch so, ich hatte noch mit der Schreibmaschine erstellte und mit Hand korrigierte Vorlesungsskripte) erstellen konnten, lag es völlig außerhalb der Möglichkeiten eines Wissenschaftlers, etwas zu publizieren oder auch nur in publizitätsfähige Form zu bringen. Buchdruck war mal was, was enorm große, enorm teure, dauerhaft genutzte Druckmaschinen und Einsatz von Buchsetzern usw. bedurfte. So und deshalb wurden Verlage zum notwendigen Bestandteil des wissenschaftlichen Publikationsvorganges.

Dann aber kam die technische Revolution in Form der Computertechnik. Der ganze druckmechanische Aufwand zum Buchdruck ist überholt und abgeschafft, der Vorgang fast völlig durchdigitalisiert. Man setzt heute keine Bleichbuchstaben mehr zusammen. Heute kann man mit jedem Popel-PC einen druckfähigen Text mit Formeln, Grafiken und allem Pi-Pa-Po in ein druckfähiges PDF verwandeln. TeX ist seit über 20 Jahren State-of-The-Art (na gut, eigentlich nicht mehr, weil veraltet), und für die, die kein TeX können, ist das allgemeine Anspruchsdenken beim Textsatz so weit herabgesunken, daß auch Microsoft Word inzwischen akzeptiert oder sogar verlangt wird. Wo früher die Verlage die riesige Lücke zwischen dem, was der Leser will und was der Schreiber kann, überbrückten, haben sich Leser und Schreiber längst irgendwo in der Mitte zwischen Qualität und Inkompetenz getroffen. Man braucht da kein Bindeglied zur Produktion mehr, es ist längst Usus, daß Wissenschaftler ihr Zeugs heute selbst in Form bringen (sollen).

Auch die Veröffentlichung per Druck und Papier ist nicht mehr nötig. Das Internet ist schneller, besser, weniger von Willkür abhängig. Ich jedenfalls freu mich, wenn ich einen Zeitschriftenartikel als PDF bekomme, mit Papier kann ich inzwischen kaum mehr was anfangen. Das stapelt sich irgendwo und fliegt irgendwann in den Müll. Auch hier sind die Verlage überflüssig geworden.

Selbst wenn man aber am Druck auf Papier festhalten wollte, braucht man keine Verlage mehr. Denn durch die Digitalisierung auch des Druckgewerbes kann man heute mittels eines gewöhnlichen PCs taugliche Druckvorlagen als PDF erstellen, die einem die örtliche Digitaldruckerei schnell, gut, preisgünstig und einfach in beliebigen, auch kleinen Auflagen herstellt. Man ist praktisch sein eigener Verleger geworden, ohne daß noch ein Dritter daran mitverdienen will.

Die Folge ist, daß die Verlage eigentlich fast komplett überflüssig geworden sind. Nur dann, wenn man ein Buch an die Öffentlichkeit verkaufen will, braucht man noch deren Vertriebswege. Aber auch das nicht mehr lang, denn e-Bookreader und Print on Demand stehen vor der Tür, Amazon läßt grüßen.

Dazu kommt ein übler Effekt, nämlich die Verurheberrechtisierung der Gesellschaft. Während die Verlage immer weniger selbst tun, versuchen sie immer mehr abzuzocken und immer mehr Geld zu verlangen. Gerade Elsevier ist schon mehrfach durch Schwindel und überteuerte Journale aufgefallen. Doch nun formiert sich langsam Widerstand.

Langsam kommen die Wissenschaftler auf den Trichter, daß sie da nach Strich und Faden für eine Dienstleistung ausgenommen werden, die eigentlich wertlos ist und die sie nicht mehr brauchen. Und gerade junge Wissenschaftler wollen immer häufiger lieber schnell, einfach, kostenlos und über Internet publizieren und lesen, anstatt sich diesem muffigen, korrupten und langsamen Peer Review auszusetzen.

Insofern könnte man Wissenschaftsverlage am besten sofort in die Wüste schicken.

Das Problem daran ist die Ritualisierung der Wissenschaft. Sie wird beherrscht von alten, verkalkten Männern, die an ihren Publizierungsritualen und an Publikationsindizes festhalten, weil sie nicht mehr in der Lage sind, Qualität noch durch etwas anders fest- oder darzustellen als durch Publikationslisten und Impact Factors. Ein Wissenschaftler, der das ganze Verlagsgedöns ablehnte und nur noch im Internet publizierte, würde vom Establishment nicht akzeptiert, nicht ernst genommen.

Der Weg, um die verhassten Verlage loszuwerden ist also, zunächst die Professoren zu ersäufen und die jungen Wissenschaftler die digitale Revolution auch in der Wissenschaft nachholen zu lassen.

Nachtrag: Ups, diesen Link eines Lesers hatte ich noch vergessen, er sei hiermit nachgetragen: In den USA tobt gerade ein Streit über einen Gesetzentwurf, der Internet-Publikationen erschweren bzw. es Behörden verbieten soll, die Publikation der von ihr beauftragten und bezahlten Studien im Internet zu publizieren. Man vermutet Elsevier dahinter, weil die schon als Spender der Politikerin aktiv waren, die jetzt den Gesetzentwurf eingestellt hat.

In der Hoffnung, daß es in 10 Jahren keine Wissenschaftsverlage mehr gibt.

Nachtrag 2:Gedruckte Bücher waren für mich früher mal ein Heiligtum. Inzwischen empfinde ich viele davon nur noch als Ballast. Das hängt einmal mit dem Medium an sich und meinem veränderten Lebensstil zusammen, auch mit den fehlenden Suchmöglichkeiten, dem Gewicht und der Unmöglichkeit, sie immer alle mit dabei zu haben, aber wesentlich auch wegen der Wissenschaftspublikationen.

Als ich noch in Karlsruhe gewohnt habe, hatte ich dort eine sehr große, weil günstige Wohnung. Ich hatte ein riesiges Arbeitszimmer, das Leute beim Betreten mit großen, hohen, vollen Bücherregalen enorm beeindruckte. Das hing auch damit zusammen, daß ich wegen des Uni-Streites lange Zeit wirklich alles aufgehoben habe und zudem noch vier Jahre überwiegend eine Zweitwohnung in Dresden hatte.

Nun wohne ich aber bei München, und habe eine kleinere (und trotzdem fast doppelt so teure) Wohnung. Ich habe deshalb angesichts des sich abzeichnenden Umzugs schon in Karlsruhe mal ausgemistet und schon im ersten Durchlauf allen Ernstes rund zwei Kubikmeter Papier zum Altpapiercontainer gebraucht (12 Fahrten mit einem vollbeladenen Handwagen.) Das war nur nutzloser Publikationsmüll, zu nichts zu gebrauchen, unleserlich. Und keine Spur der von Ihnen beschriebenen Verlagsarbeit. Da werden Journale und Konferenzbände hintereinandergepappt, und man holt/kauft/sammelt sie halt, weil irgendwer anderes sie zitiert hat. Ist aber nur Ballast. Die Informatik hat viele Wissenschaftler, aber bringt nur sehr wenig brauchbares hervor. Die Differenz dazwischen füllen die Verlage mit bedrucktem Papier und verkaufen es.

21 Kommentare (RSS-Feed)

Volker Rieble
31.1.2012 13:10
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Lieber Herr Danisch,

auf der Produktionsseite haben Sie weithin recht: Viele Verlage produzieren so lieblos, wie das die meisten (aber nicht alle) Wissenschaftler selbst können. Es gibt aber auch ganz herausragende Editionen, mit großer typographischer Sorgfalt, die sich an ganz bestimmte Leser wenden. Dafür braucht es nach wie vor einen Verlag oder jedenfalls einen Typographen, der den Text setzt.

Was bei Ihnen gar nicht vorkommt, ist die konzeptionelle Seite. Die Wissenschaftsverleger, mit denen ich zusammenarbeite, regen Werke an, organisieren Autorenteams und vieles mehr. Der Verleger sieht die Marktlücke, also den Publikationsbedarf und sucht den Autor. Und bislang sind, soweit ich das überblicken kann, überhaupt nur Verlage imstande, für Studenten erschwingliche und gute Lehrbücher zu produzieren. Gäbe es im Netz gleichwertige Veröffentlichungen, wäre der Lehrbuchmarkt längst zusammengebrochen. Denn Studenten zögen immer die kostenfreie Netzpublikation dem kostenpflichtigen Buch vor.

Warum darf nicht jeder Autor frei entscheiden, ob er klassisch oder modern publiziert? Und warum darf nicht jeder Nutzer ebenso frei entscheiden. Ich lese gern online, aber ebenso gern auch auf Papier. Zudem ist noch keine Technik etabliert, die Online-Publikationen sicher vorhält. Mir passiert es jedenfalls oft, daß Netzzitate schon nach einem halben Jahr nicht mehr am ursprünglichen Ort stehen. Noch schwieriger aus wissenschaftlicher Sicht sind nachträgliche Textveränderungen, die ihrerseits nicht ausgewiesen sind – so daß das Zitat nachträglich unrichtig wird.

Und eine letzte Bitte: Scheren Sie nicht alle Verlage über einen Kamm. Nur wenige fahren eine so aggressive Preispolitik wie Elsevier; die meisten Bücher sind gar nicht teuer. Und überhöhten Preisen begegnet man am besten mit der Kartellkontrolle.

Viele Grüße
Ihr VR


Hadmut Danisch
31.1.2012 13:40
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Hallo Herr Rieble,

stimmt alles. Ich habe ja auch nichts gegen Verlage an sich. Obwohl ich dem Papier zunehmend abschwöre, bin ich trotzdem immer mehr begeistert von hochqualitativen Fotobildbänden.

Aber was Sie beschreiben, Typographie, Autorenteams usw. ist nicht wissenschaftsverlagstypisch, das gibt es bei allen anderen Verlagen auch. Dieser spezielle Publikationsbetrieb, bei dem man die Journale und Konferenzbände quasi an „Zwangskunden” zu Mondpeisen verschachert, der ist eben wissenschaftsverlagstypisch. Und das gehört abgeschafft.

Und soweit ich für die Informatik sprechen kann: Typographische Sorgfalt usw. sind da selten geworden. Das meiste, was ich da an wissenschaftlichem Zeugs im Regal hatte (und wegen völliger Nutzlosigkeit längst entsorgt habe), war typographisch lausig, lustlos, minderwertig. In den MINT-Fächern wird ein riesiger Haufen Mist als reine Write-Only-Publikation produziert, die nie von jemandem gelesen wird, aber dafür von Bibliotheken teuer gekauft werden muß. Weil es da beispielsweise auch üblich ist, Pseudoveröffentlichungen zu veranstalten. Es bilden sich Veranstaltungs- und Zitierkartelle, bei denen Leute sich zu miserablen Veranstaltungen immer gegenseitig einladen, irgendwelchen Mist vortragen und sich dann gegenseitig zitieren und die Literaturlisten aufblasen. Und das hat ganz massiv auch mit dem Verlagswesen zu tun und damit, daß man in der Wissenschaft Qualität und den Status der „Veröffentlichung” noch immer damit assoziiert, daß es in einem einschlägigen Verlag erschienen ist.

In meiner (gescheiterten) Wissenschaftskarriere wäre vieles sicherlich ganz anders gelaufen, wenn es das Verlagswesen und diesen Publikationszwang so nicht gegeben hätte. Und ich habe es selbst einige Male am Institut miterlebt, daß lächerliche Werke durch große Schriftart, grausigen Buchstabenabstand und zweizeiligen Abstand so „aufgepumpt” werden mußten, damit sie wenigstens dick genug wurden, um sie überhaupt als Buch und nicht als Heft zu binden, damit der „Wissenschaftsverlag” sie angebunden hat.

Und was die Plagiate usw. angehen, habe ich auch eher schlechte Erfahrungen mit Wissenschaftsverlagen. Als ich mal nachfragte, warum eine Informatik-Professorin (die übrigens jetzt an einer Müncher Uni ist) als Sachverständige vor Gericht so überhaupt keine Ahnung von dem hatte, was in „ihrem” Fachbuch stand, ist der Verlag dem nicht etwa nach- sondern auf mich losgegangen. Und die Staatsanwaltswaltschaft Darmstadt schrieb mir ja sogar, daß es in der Branche längst üblich und akzeptiert ist, daß Ghostwriter zum Einsatz kommen (was mir inzwischen auch aus mehreren Richtungen bestätigt wurde, zumal ich es am Institut damals selbst so miterlebt und erfahren habe).

Nach meiner Beobachtung und aus meinem Blickwinkel sind Wissenschaftsverlage eine ziemlich unseriöse Branche. Vielleicht mag das bei den Juristen besser sein, aber bei den MINTern ist es grausam schlecht.

Ich stimme mit Ihnen insoweit überein, daß ein gutes Buch – ob nun Text oder Bild – eine tolle Sache ist, und es dazu einer großen Menge Wissen und Erfahrung bedarf, die nur Profis haben können. Ich stimme aber nicht mit Ihnen überein, das mit „Wissenschaftsverlag” zu verbinden, korrelieren, als kausal anzusehen.

Davon ganz abgesehen halte ich Verlage – aus vielen hier im Blog schon besprochenen Gründen – für ungeeignet, die Publikation wissenschaftlicher Papers zu betreiben. Das ist für die MINT-Fächer typisch, aber in den Rechtswissenschaften scheint es sowas eher weniger zu geben. Da richten die Verlage richtig großen Schaden an und machen Wissenschaftler kaputt, die verzweifelt monate- oder jahrelang auf die Publikation warten und dann von anderen überholt werden. Das ist unerträglich.

Etwas anderes ist die Sekundärpublikation, also aus den Einzelerkenntnissen (bzw. vielen Papers) ein Fach- oder Lehrbuch zusammenzustellen. Nur machen viele Verlage sowas nicht mehr, weil ihnen das zuviel Aufwand ist. Vielleicht in Geisteswissenschaften, die sehr text-lastig sind. Wenn man aber beispielsweise in Informatik mal rein quantitativ vergleicht, wieviel gute Bücher es gibt, und wieviel Publikationsmüll die Bibliotheksregale füllt, dann fällt das Ergebnis ziemlich mies aus.

Und wenn ich mir mein eigenes Bücherregal (bzw. neuerdings die Sammlung gekaufter elektronischer Bücher) anschaue, dann stammt darin kein einziges gutes und brauchbares Buch der letzten 10 Jahre von einem typischen Wissenschaftsverlag. Und die geben auch keine Journale und dergleichen für Mondpreise heraus, sondern sind ganz normale Technik-Verlage.

Auch hier gibt es in den Rechtswissenschaften eine untypische Situation. Da ist der Platzhirsch Beck, der da sowohl die Standardwerke für Juristen herausgibt, als auch als Wissenschaftsverlag wahrgenommen wird. Was aber damit zusammenhängt, daß es in den Rechtswissenschaften keine so klare Trennung zwischen Wissenschaft und Außenwelt gibt (zumal die Geisteswissenschaften aus Sicht eines MINTers sowieso nicht so wirklich wissenschaftlich sondern eher deklarativ und auf Konsens ausgerichtet sind).

Den Effekt, den ich beschreibe, gibt es aber auch unter Juristen. Vor etwa 10 Jahren hatte ich tatsächlich mal eine Zeitlang die NJW abonniert und mich sogar beim BVerfG darüber beschwert, daß man deren Entscheidungen nur mühsam und teuer nachlesen kann. Wobei die NJW auch kaum mehr tat als den Text stur abzudrucken, ab und zu mal nen Aufsatz wechselnder Qualität. Heute ist das überflüssig, weil die Bundes- und oberen Gerichte ihre Entscheidungen längst im Internet publizieren. Und genau da müssen viele MINTer noch hinkommen, weil viele noch an denen bei ihnen viel stärker ausgeprägten Wissenschaftsverlagen kleben.

Beste Grüße


yasar
31.1.2012 14:40
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@Volker Rieble

Sie sagen:

>> Gäbe es im Netz gleichwertige Veröffentlichungen, wäre der
>> Lehrbuchmarkt längst zusammengebrochen. Denn Studenten zögen
>> immer die kostenfreie Netzpublikation dem kostenpflichtigen Buch
>> vor.

Ich habe es damals im Studium so erlebt und auch später als ich als (externer) Dozent an einer BA unterrichtet habe, daß manche Dozenten die Studenten auf ein bestimmtes Lehrbuch, vorzugsweise eines das sie selbst geschrieben haben, festnageln, selbst wenn das Werk noch so verkorkst sein sollte. Die Studenten sind gezwungen, die Dinger zu kaufen, damit sie auch die Dinge “wissen”, die nicht in der Vorlesung gesagt worden sind. Ich konnte mir zumidest als Dozent den Luxus leisten, den Studenten kostenlos Skripten in als PDF anzubieten, entweder selbst erstellt, oder mit Genehmigung von befreundeteten Dozenten.

Und wie Hadmut schon sagte: Man muß durchaus zwischen den “Wissenschaftsverlagen” und den normalen technischen Verlagen unterscheiden.


Hanz Moser
31.1.2012 15:54
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Bezugnehmend auf den Kommentar von yasar:

Neben der Knebeltaktik der Professoren, die ich besonders im Wirtschaftswissenschaftlichen Bereich sehr häufig gesehen habe, kommt Faulheit dazu.
Der durchschnittliche Student ist heute nicht mehr so sehr am Wissen und Durchdringen des Stoffes interessiert, sondern an guten Prüfungsnoten. Dazu kommt, dass gerade die Neulinge noch relativ viel Vertrauen in die Literaturlisten der Professoren haben.

Es ist einfach, bequem und relativ sicher einfach das zu nehmen, was der Professor empfiehlt. Dazu ist es dank Studiengebühren mittlerweile auch wenigstens oft in den Bibliotheken noch zu haben.

Eine andere Frage ist, wer sowas erstellen sollte. Hier wird das kaum einer tun und wenn er ein gutes Lehrbuch schreibt, wird er es einfach verkaufen.

Ein ganz anderes Problem ist, dass die wenigsten Informatiker gut schreiben können. Das sieht man vor allem an den Vorlesungsunterlagen, wenn sie selbst erstellt sind und das nicht ein Student als HiWi machen durfte, teilweise auf sehr bittere Art. Formulierungen sind ungenau, bei wirklich genauem Lesen falsch oder erklärende Texte haben kaum eine Aussage.
Ich empfehle hier mal ein paar typische Wirtschaftsinformatikfoliensätze zu lesen und sich danach zu schütteln. Danach kann man auch die Foliensätze der Informatiker fast wieder genießen, weil wenigstens in Formeln und Kalkülen noch ein Hauch Information steckt 😀


Volker Rieble
31.1.2012 19:22
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Zu yasar und Hans Moser:

Das ist in der Tat übel, wenn der Dozent die Studenten zwingt, sein Buch zu kaufen. Aber nicht einmal 5% aller Profs haben überhaupt ein Lehrbuch zu gerade der laufenden Vorlesung geschrieben. Ich habe zB gar kein Lehrbuch geschrieben und empfehle den Studenten einfach immer nur das aus meiner Sicht beste Werk. Wenn sich jemand fände, unentgeltlich ein prima Lehrbuch ins Netz zu stellen – und das dann auch noch aktuell zu halten – dann wäre das sehr hilfreich. Im Moment gibt es aber nur Menschen, die gedruckte Lehrbücher scannen und den scan ins Netz stellen – mit der Folge, daß die Verlage Lehrbücher in Nischenfächern einstellen, weil sie nicht einmal mehr auf die Druckkosten kommen. Das ist nicht im Sinne der Studenten.

Zu Hadmut Danisch:
Die Publikationspraxis in den MINT-Fächern kann ich nicht wirklich gut beurteilen. In den Geisteswissenschaften und bei den Juristen spielen Verlage wie Otto Schmidt, CH Beck, Sellier, Mohr Siebeck und Klostermann eine durchweg positive Rolle. Natürlich muß man ab und zu einen Druckkostenzuschuß einwerben – aber die meisten Verlage decken ihre Kalkulation auf, so daß man erkennen kann, daß es nur um Kostendeckung geht. Viele wissenschaftliche Verlage halten Bücher vor, die sich für sie nicht rentieren, mit denen sie mitunter sogar ins minus gehen – weil sie eine Verlagskultur der Vollständigkeit für ihre Leser betreiben. Das möchte ich nicht vorschnell einer zufallsbedingten Netzveröffentlichungspraxis opfern, weswegen beide Systeme ihr volles Recht haben.


Hadmut Danisch
31.1.2012 20:20
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@Volker Rieble: Thomas Hoeren mit seinem Internet-Recht-Skript macht aber doch genau das: Ein juristisches Lehrbuch, am Institut entstanden, ohne Verlag, regelmäßig aktualisiert, und für alle im Netz frei abzuholen.

Der Student spart Geld, und für Hoeren’s Institut ist es viel weniger Aufwand, es zu aktualisieren und alle halbe Jahr neu herauszugeben, als wenn da noch ein Verlag drin wäre. Dieses Skript (an dem ich durchaus ach schon Kritik geäußert habe, aber das ist eine andere Geschichte) wäre mit Verlag so nicht möglich. Autor und Lesern profitieren hier von der Abwesenheit eines Verlages.

Und wenn ein Verlag sogar ins Minus geht – muß man erst recht fragen, wozu das noch gut sein soll. Viele gute, aber selten gefragte Bücher sind ausverkauft und nicht mehr zu haben. Das ist Quatsch.

Läßt man den Verlag weg und veröffentlicht sie als PDF, braucht der Autor keinen Druckkostenzuschuß, kein Verlag macht ein Minus, der Leser kann es kostenlos lesen, es ist nie ausverkauft sondern beliebig verfügbar, jederzeit korrigierbar und wer’s auf Papier will, bekommt’s per print-on-demand schnell und preisgünstig.

Welchen Grund sollte es denn geben an einer Buchpraxis festzuhalten, an der alle nur Minus machen, der Autor Druckkostenzuschüsse einwerben, der Verlag minus macht, der Leser noch dafür bezahlen muß?


Volker Rieble
1.2.2012 8:23
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@ Hadmut Danisch
Ob es einen Grund für die eine oder andere Veröffentlichungsform gibt, das darf doch zuerst der Autor entscheiden, dem alle Wege offen stehen. Er kann wie Thomas Hoeren ein “Skript” ins Netz stellen (zu dem ich nichts sagen kann) oder ein Buch schreiben und mit einem Verlag veröffentlichen. Kein Autor ist gezwungen, einen Druckkostenzuschuß einzuwerben, sondern kann als Selbstverleger im Netz agieren. Wenn er dennoch den teureren Papierweg geht, hat er dafür einen Grund. Für die Verlage gilt eine Mischkalkulation, bei der erfolgreiche Werke die erfolglosen quersubventionieren.

In zweiter Linie entscheiden das die Leser: Mit ihrem Konsumverhalten. Wer keine Bücher mehr kauft, sondern abwartet, bis ein ihm geeignet scheinendes Online-Werk erscheint, der sagt dem gedruckten Buch ab.
Insofern herrscht auf beiden Seiten Freiheit – genau besehen: Kommunikationsfreiheit. Und daran möchte ich nichts ändern, sondern den Kommunikanten die Entscheidung überlassen.


HF
1.2.2012 9:14
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“Warum darf nicht jeder Autor frei entscheiden, ob er klassisch oder modern publiziert? Und warum darf nicht jeder Nutzer ebenso frei entscheiden.”

Wie frei ist ein angehender Wissenschaftler denn in dieser Entscheidung?
Die Fieldsmedaillen- und Nobelpreisträger sind tatsächlich frei, aber der Mittelbau muss sich eine Entscheidung dreimal überlegen.
Wie frei sind Studenten in den ersten Semestern in der Wahl der Lehrbücher?
Ich finde es bemerkenswert, dass der Protest gegen die Wissenschaftsverlage von oben kommt, von denen, die es eigentlich nicht mehr nötig haben. Sind das vorrevolutionäre Zustände?


j.
1.2.2012 16:17
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Was ist eigentlich mit den Lektoratsdienstleistungen, die während des Erstellens eines wissenschaftlichen Buchs oder Journalbeitrag geleistet werden? Meiner Erfahrung nach sind viele Wissenschaftler, die publizieren, nicht in der Lage, zum einen rechtschreibfit zu sein und zum anderen buchsetzerische Regeln im Kopf präsent zu haben. Das ist ja auch nicht gefordert, schließlich werden sie für das Schaffen von Wissen bezahlt. Layout und Rechtschreibprüfung macht der Verlag dann schon… zumindest im herkömmlichen Modell.

Also: Wie damit umgehen?


Hadmut Danisch
1.2.2012 16:21
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@J.: Zu meiner Zeit gehörte es noch zum guten Ton für Informatiker, mittels LaTeX einen Text in die Vorgaben des Herausgebers zu bringen. Viele Wissenschaftler sind heute aber Maus-Schubser auf Word-Einfach-Niveau.

Die Promotion soll aber der Nachweis zu selbständigem wissenschaftlichem Arbeiten sein. Also müßte das im Rahmen der Promotion erlernt und abgeprüft werden. Wenn publizieren zur Wissenschaft gehört, dann ist eben jemand, der ohne Hilfe eines Verlages nicht in der Lage ist, etwas gerade zu Papier zu bringen, eben nicht zum selbständigen Arbeiten befhähigt und somit auch nicht promotionswürdig.


quarc
2.2.2012 18:49
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[ Kommentar in mehreren Teilen wegen dem idiotischen Spam Plugin ]
Teil 1
Das Problem mit den Wucherverlagen wie Elsevier äußert sich nicht in erster
Linie bei Lehrbüchern, sondern bei Zeitschriften, siehe etwa die in Gowers
Beitrag angesprochenen Punkte.
Das mag erklären, warum der Ärger je nach Fach unterschiedlich stark ausfällt,
obwohl die finanzielle Schädigung der Bibliotheken jeden betrifft.


quarc
2.2.2012 18:49
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Teil 2

Sofern es nur um den Zugang zu gegenwärtigen Publikationen geht, gibt es
zumindest in den MINT Fächern bereits jetzt eine praktische Lösung: wenn
man den Artikel bei einer Zeitschrift einreicht, legt man gleichzeitig eine
Version ins ArXiv. Es gibt auch bereits
Zeitschriften, die eingereichte Artikel direkt von dort entgegennehmen,
siehe diese Übersicht.
Es braucht also niemand mehr Angst zu haben, etwa aufgrund eines langen
Reviewprozesses mit der eigenen Arbeit nicht bemerkt zu werden.


quarc
2.2.2012 18:50
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Teil 3

Übrigens haben, zumindest in der Mathematik) auch junge Wissenschaftler
nichts gegen Peer-Review (dass dies in anderen Fächern nicht funktioniert oder
auch gar nicht funktionieren kann, lasse ich jetzt beiseite). Aber der Witz
besteht darin, dass diese Leistung ja auch nicht durch die Verlage selbst
erbracht wird, sondern durch die (unengeltlich tätigen) Begutachter.
Die könnten diese Arbeit genausogut außerhalb solcher Verlage leisten, als
eine Art “Flying Editorial Board”, wie Hadmut es in einem früheren Beitrag
schon einmal vorgeschlagen hatte, und wie auch in diesem Artikel [PDF 76 Kb] erörtert wird,
der sich damit beschäftigt, dass die Verlage ihre ursprüngliche Aufgabe schon
längst nicht mehr erfüllen.


quarc
2.2.2012 18:51
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Teil 4

Es ist auch nicht verwunderlich, dass ausgerechnet ältere Mathematiker sauer
auf diese kommerziellen Verlage sind: in der Mathematik sind Publikationen
wesentlich langlebiger als in den INT-Fächern. Viele derjenigen, die jetzt
den Protest anführen, haben in früheren Jahren in einigen guten Zeitschriften
Artikel veröffentlicht. Die Verlage haben nicht zuletzt damit die Reputation
ihrer Zeitschriften aufgebaut und verwenden diese dazu, die Preisschraube
immer weiter anzuziehen. Je nach Alter wird der eine oder andere sich auch
darum sorgen, dass die eigenen Arbeiten gar nicht mehr zugänglich sind. Bei
Lehrbüchern ist das oft der Fall, wenn ein Verlag ein Buch nicht mehr auflegt,
aber dennoch weiter die Rechte daran festhält, weil er hofft vielleicht in
Zukunft doch noch einmal damit Geld zu verdienen.


quarc
2.2.2012 18:53
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Teil 5
und Schluss

Im Gegensatz zu den kommerziellen Verlagen sind Universitätsverlage meist
wesentlich vernünftiger und lassen mit sich handeln: siehe z.B. dieses Buch.

Zur Veröffentlichungspraxis der Geisteswissenschaften kann ich nichts sagen.
Ich habe aber den Verdacht, dass deren Vertreter ohnedies nicht gelesen werden
wollen und es ihnen wichtiger ist, bei einem “renommierten” Verlag vetreten zu
sein, was immer das auch bedeuten mag. In der Mathematik entstehen die meisten
guten Lehrbücher aus Vorlesungen (und deren Mitschriften); daher ist der
Unterschied zwischen einem Skript und einem “richtigen” Buch nicht so groß,
zumal etwaige typographische Probleme dank TeX/LaTeX nicht mehr sehr ins
Gewicht fallen. Natürlich ist es gut, wenn ein Verlag spezielle Buchreihen
pflegt und mit Autoren ein entsprechendes Programm aufbaut. Aber dazu braucht
es nicht jeden kommerziellen Wucherverlag. Bei Zeitschriftenartikeln findet
durch den Verlag gar kein Lektorat statt.

@Hadmut: auch zu Deiner Zeit war TeX/LaTeX außerhalb von Mathe/Inf/Phys
nicht sehr verbreitet. Heutztage wäre es indes für Geisteswissenschaftler
nicht mehr schwierig, sich solcher Programme zu bedienen. Ich war früher in
einem Fachbereich, dessen Sekretärinnen gegenüber dem Personalrat durchgetzt
haben, dass sie weiterhin mit LaTeX arbeiten dürfen. Es ist also keine Frage
einer speziellen wissenschaftlichen Vorbildung.


quarc
3.2.2012 20:59
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Nur noch ein amüsanter Nachtrag: eine der berüchtigten Müllzeitschriften von
Elsevier ist bekanntlich Chaos, Solitons and Fractals.
Deren Ausgabe Vol 25 (2005), Issue 4 ist eine Spezialausgabe zur Würdigung des
(ebenfalls berüchtigten) Chefredakteurs El Nashie. Den Artikel (p915-933) hat
der Chefredakteur praktischerweise auch gleich hier [PDF 2.2MB].
Da darf man bestaunen, was Elsevier durch “Bündeln” den Biblioteken aufzwingt
und sich teuer bezahlen lässt.


yasar
8.2.2012 11:36
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Wenn man sich die Preise auf

http://www.bibliothek.kit.edu/cms/teuerste-zeitschriften.php

anschaut, wird es einem schon ganz anders. (Link über fefe gefunden).

Das ist reinste Geldverschwendung.


Hadmut Danisch
8.2.2012 11:37
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Den Link hatte ich in einem früheren Blog-Artikel schon erwähnt.


Sebastian Kramer
16.2.2012 15:56
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Ja da gibt es auch so eine tolle Geschichte aus Karlsruhe, wo ein Verlag deutlich bewiesen hat, was für einen Mehrwert er für die Studenten bringt.

Bis letztes Jahr gab es ein Vorlesungsskript zu “Operations Research” im Bachelor. Das war zwar unglaublich schlecht und voller Fehler aber es existierte zumindest.
Dann kamen leider die beteiligten Professoren auf die Idee das Skript als Buch zu veröffentlichen.

Die Folge davon:
Nun gibt es gar nichts mehr. Die ersten zwei Kapitel dürften sie noch als “Leseprobe” veröffentlichen, aber ansonsten hat man Pech gehabt falls man auf die Klausur lernen will.

Antwort des Übungsleiters auf die angesprochene Thematik:
Sinngemäß: Die Bibliothek würde ja das Buch auch anschaffen außerdem handele es sich ja um Standard-Stoff der auch in anderen Büchern vorhanden ist.

Tja, nur hat die Bibliothek leider gerade einmal 20 Exemplare des Buches angeschafft und da sie in ihren “Standard-Stoff” so viele eigene Spirenzchen aufgenommen haben muss man jetzt eigentlich mit 2-3 anderen Büchern parallel lernen.

Der “Gewinn” der ganzen Sache liegt also einzig und allein bei den Verlagen. Die Studenten haben nur verloren.


anonym
16.2.2012 18:05
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Vor allem könnte man für so ein Skript einfach mal ca. 1000 € aus Studiengebühren in die Hand nehmen, und schwuppdiwupp macht ein Student, der die Vorlesung eh hört, als Hiwi nebenbei das Layout ordentlich und merzt die offensichtlichen Fehler aus …


GENOSVerlag
6.3.2012 10:23
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Die Rufe nach Veränderung sind erhört: Ein einmaliges Konzept im GENOSVerlag: Autoren behalten Ihre Rechte! 90% des Verkaufserlöses bekommt der Autor! Veröffentlichungen natürlich mit ISBN und für eine Servicepauschale für 5EUR im Monat ….
Die Diskussionen über Urheberrechte und Wer verdient hier? lösen sich in Luft auf.
Einen schöner Tag wünscht
Gräfin zur Mühlen