Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Tod der Juniorprofessur?

Hadmut Danisch
3.4.2012 10:28

Auf SPIEGEL Online ist eine lesenswerte Kritik an der Juniorprofessur erschienen und deren Siechtum diagnostiziert.

Wobei es genaugenommen eigentlich gar keine Kritik an den Juniorprofessuren, sondern an den Professoren ist (was wäre auch anderes zu erwarten gewesen?), die (was wäre auch anderes zu erwarten gewesen?) rangniedrigere wieder mal wie den letzten Dreck und herabwertend behandeln. Das Gesindel und dessen Benehmen in den Professuren ist das Problem, nicht die Juniorprofessur. Und damit letztlich das Versagen oder der Unwille des Gesetzgebers, Ordnung zu schaffen.

In einem Punkt muß sich aber der Autor des Textes herbe Kritik gefallen lassen: Er regt sich darüber auf, daß in Konstanz Juniorprofessoren, die nicht habilitiert sind, mittlerweile nicht mehr an Habilitationskommissionen teilnehmen dürften. Das sei „eine unverständliche Beschneidung von Hoheitsrechten und ein klares Votum für die Höherrangigkeit der Habilitation”.

Quatsch. Es ist ein Unterschied, ob etwas unverständlich ist oder jemand etwas nicht versteht.

Prüfungsrechtlich dürfen nämlich nur Leute eine Prüfung abnehmen oder an einer Prüfungskommission teilnehmen, die diese Prüfung selbst bestanden haben. Wenn also Nicht-Habilitierte an einer Habilitationskommission teilnehmen, dann ist die Prüfung rechtswidrig und nichtig. Die in Konstanz sind vielleicht nur die einzigen, die es gemerkt haben.

Aber wo kämen wir hin, wenn Juniorprofessoren über Prüfungsrecht Bescheid wissen müßten, bevor sie andere prüfen?

15 Kommentare (RSS-Feed)

JG
3.4.2012 10:45
Kommentarlink

Hallo,
ich hätte eine Frage: Wo steht, dass man eine Prüfung bestanden haben muss, um sie abnehmen zu dürfen?
Wie soll das beispielsweise funktionieren, wenn eine Vorlesung vorher in der Form nicht angeboten wurde und es sich also de facto um eine Vorlesung/Prüfung handelt, die es vorher so nie gab?
JG


Hadmut Danisch
3.4.2012 10:48
Kommentarlink

Eigentlich in jedem Buch über Prüfungsrecht, mit entsprechenden Nachweisen.

Es heißt nicht, daß man dieselbe Prüfung bestanden haben muß, sondern nur der Gattung nach.

Um eine Promotion zu prüfen muß man einen Doktor haben, um ein Diplom bzw. Hauptdiplomsprüfungen zu prüfen muß man selbst eines haben, wobei auch Äquivalenzen zählen, einer mit Diplom darf also einen Master prüfen.

Es muß vom Inhalt her in dieselbe Windrichtung passen.

Man könnte allerdings schon sehr darüber streiten, ob beispielsweise ein Dr. rer. nat. einen Dr. Ing. prüfen darf, weil sich die Methodiken schon erheblich unterscheiden.

Aber um eine Habilitation zu prüfen, braucht man eben selbst eine. Und das Gerede von der „Habilitationsäquivalenz” der Juniorprofessur hilft da gar nichts, weil die Juniorprofessur ja keine Prüfung ist.


Harald Seldasen
3.4.2012 12:46
Kommentarlink

Bedeutet das, dass auch ein Lebenszeitprofessor nicht an der Habilitationskommission teilnehmen darf, wenn er nicht habilitiert ist (sondern ihm in seinem Berufungsverfahren “habilitationsäquivalente Leistungen” bescheinigt wurden, oder er ehemaliger Junior-Prof. ist)?


Hadmut Danisch
3.4.2012 12:47
Kommentarlink

Ja.


Hadmut Danisch
3.4.2012 12:49
Kommentarlink

Die ganze Sache mit der „Habilitationsäquivalenz” bezieht sich ausschließlich auf die Einstellungsvoraussetzungen als Professor, nicht auf die Prüfungsbefugnis.


Boris
3.4.2012 13:33
Kommentarlink

naja mit der Prüfungsbefugnis mag sich der Autor ja irren. Die Kernaussagen zur Juniorprofessur decken sich aber weitestgehend mit dem was ich von Kollegen auch im Bereich der Informatik so mitbekomme.

Die Juniorprofessur ist an der massiven Blockade seitens habilitierter Professoren und dem mangelndem Durchsetzungswillen teils unfähiger, teils desinteressierter Politiker und deren Staatssekretäre gescheitert.

Typisch für die deutsche Forschungs- und Bildungslandschaft ist, dass dieser Streit mal wieder auf dem Rücken junger Wissenschaftler ausgetragen wird. Frei nach dem Motto: Macht ja nichts das wir uns im internationalen Vergleich bzgl Forschung und Bildung allenfalls auf Augenhöhe mit Schwellenländern bewegen. Dafür produzieren wir aber in perfekter Weise stets zuverlässig die korruptesten, inkompetentesten desillusioniertesten Egomanen und Zyniker die man sich für ein Professorenamt nur wünschen kann.

Eigentlich aber auch nur logisch, dass eben diejenigen, die dieses System erfolgreich durchlaufen haben sich nicht sonderlich für Änderungen interessieren bzw. jegliche Versuche in Richtung Reform möglichst schon im Keim ersticken.


Hadmut Danisch
3.4.2012 13:47
Kommentarlink

@Boris: Exakt treffend beschrieben.


karbau
3.4.2012 15:56
Kommentarlink

Nicht ganz richtig. Es gibt eine “habil-äquivalente” Leistung: die Zwischenevaluation bei JProfs, d.h. nach den ersten 3 Jahren erhält man/frau eine Urkunde, die fast wortwörtlich der Habilitationsurkunde entspricht (an den meisten Unis, an einigen eher konservativen natürlich nicht).

Und damit kann man/frau dann auch Mitglied einer Habilitationskomission sein.


Hadmut Danisch
3.4.2012 15:59
Kommentarlink

Eine „Zwischenevaluation” ist eine Leistungsbewertung, keine Prüfung. Das ist keine Prüfungsurkunde, und die Uni kann das auch nicht festlegen, ob sie das als einer Prüfung gleichwertig ansieht. Zumal mir kein Fall einer Habilitationsordnung bekannt wäre, die sowas als Form der Habilitation anerkennt. Und wenn es nicht eine dem jeweiligen Landesgesetz und der Habilitationsordnung entsprechende Prüfung war, dann ist es eben keine. Da können die so viele Urkunden ausstellen, wie sie wollen. Zwischenevaluationen gehören ins Beamtenrecht, nicht ins Prüfungsrecht.

Das bilden die sich nur ein, daß man das damit könnte, weil die sowieso machen, was sie wollen, und keiner sich für Prüfungsrecht interessiert.


Harald Seldasen
4.4.2012 7:28
Kommentarlink

Verzeih mir die dummen Fragen, Hadmut, aber was ist der inhaltliche/konzeptuelle Unterschied zwischen einer Leistungsbewertung und einer Prüfung, und warum kann das eine nicht als äquivalent zum anderen angesehen werden?


Hadmut Danisch
4.4.2012 9:31
Kommentarlink

@Harald: Der inhaltliche/konzeptuelle Unterschied ist, daß das eine mit dem anderen eigentlich überhaupt nichts zu tun hat. Das sind zwei völlig verschiedene Dinge.

Das Problem an Universitäten ist halt, daß die sich wirklich gar keiner darüber informiert, was die da machen, und das alles irgendwie zurechtgelabert wird, und wenn es sich so ähnlich anhört, muß es ja auch so ähnlich sein, denkt man.

Auch das mit der Habilitationsäquivalenz gibt es eigentlich nicht. Es gibt die Einstellungsvoraussetzungen für Professoren aus den Landesgesetzen, die gewisse Anforderungen stellen, und bei einer dieser Anforderungen steht, daß sie durch eine Habilitation oder eben den Anforderungen vergleichbare Leistungen erbracht werden können. Aber eigentlich ist es Quatsch, weil die Habilitation ja gar nicht so genau geklärt ist als das man hinreichend wüßte, was das ist, um etwas anderes als äquivalent einzustufen. Und weil das Gesetz an dieser einen Stelle mehrere Alternativen vorsieht, um die Einstellungsvoraussetzungen zu erfüllen, hat sich dieser Terminus eingeschlichen, daß man irgendwelchen Leuten einfach mehr oder weniger willkürlich „habilitationsäquivalente Leistungen” bestätigt, damit irgendwer anderes auf möglichst einfache Weise zu der Ansicht kommen kann, daß eben Leistungen vorlägen, die die Einstellungsvoraussetzungen erfüllen, obwohl eine formale Habilitation fehlt. Das ist eigentlich nur ein sprachlicher Trick.

Außerhalb dieser Einstellungsvoraussetzungen gibt es das auch nicht. Entweder hat man eine Prüfung bestanden oder eben nicht. Die dienstliche Beurteilung eines Beamten ist keine Prüfung, sondern eben eine Beurteilung, wie gut er sein Amt ausgeführt hat. Im Beamtenrecht ist das eigentlich dazu da, um Beförderungen, Laufbahn usw. zu klären, was es bei Professoren ja nicht gibt. Dabei wird etwas anderes festgestellt als bei Prüfungen.

Eine Prüfung ist ein formaler Akt der Feststellung von Fähigkeiten, der nach einem Gesetz und einer Prüfungsordnung in einem festgelegten Verfahren abläuft. Das hat Außenwirkung gegenüber der Allgemeinheit. Bei einer Leistungsbeurteilung schreiben die Vorgesetzten intern für die Personalakte auf, ob sie zufrieden waren. Das hat keine Außenwirkung. Gegenüber einem Prüfling ist ein Prof mit Beurteilung nicht anders oder besser als einer ohne Beurteilung.

Oder um es mal anderes zu erklären:

Mir hat die Uni damals den Doktor kaputtgemacht, nachdem sie das Schmiergeld nicht bekommen hat. Als ich mich dagegen gewehrt habe, hieß es, meine Diss sei komplett falsch, inhaltslos, Blödsinn usw. Laut Gesetz ist die Promotion der Nachweis der Befähigung zu selbständigem wissenschaftlichem Arbeiten.

Dieselbe Universität hat mir aber über dieselbe Tätigkeit – Mitarbeiter und Doktorand – sogar als Urkunde vom Kanzler mit Dienststempel ausgefertigt und mit verbindlicher Außenwirkung, daß ich mit eben dieser Tätigkeit selbständiges wissenschaftliches Arbeiten bewiesen hätte. Also genau das Gegenteil der Prüfungsbewertung, obwohl genau dieselbe Arbeit und Leistung zugrundeliegt. Nur daß sich das eine eben auf die Arbeit bezieht, die ich in den vier Jahren gemacht habe, und das andere auf den Stapel Papier, den ich eingereicht habe. Und obwohl das Arbeitszeugnis dem Wortlaut nach sogar ein stärkerer Nachweis als eine Promotion ist, und damit mehr als äquivalent sein müßte, gilt das nicht als Äquivalent einer Promotion.

Weil es eben kein allgemeines Äquivalent einer bestandenen Prüfung gibt. Immer nur dann, wenn an einer speziellen Stelle – hier eben den Einstellungsvoraussetzungen für Professoren – das Bestehen einer Prüfung oder alternativ vergleichbare Nachweise explizit vorsieht, dann gibt es etwas, was in Bezug auf diese Vorschrift äquivalent ist. Im Prüfungsrecht gibt es das aber nicht.


JG
5.4.2012 8:05
Kommentarlink

Hallo,
zu Ihrer Antwort auf meine Frage nochmal:
Ist das dann eine juristische Einschätzung des Kommentators, Gewohnheitsrecht bzw. gängige Rechtssprechung oder steht das auch in Landesgesetzen und Prüfungsordnungen drin?
Wenn Letzteres nicht der Fall ist, ist das ja unter Umständen doch unsicher.
Danke und Gruß
JG


Harald Seldasen
5.4.2012 9:03
Kommentarlink

Hadmut, vielen Dank für Deine ausführliche Antwort.


Hadmut Danisch
5.4.2012 9:38
Kommentarlink

@JG: Habs gerade nochmal rausgesucht, weil ich nicht mehr auswendig wußte, worauf das beruht.

Beispielsweise in Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht, 3. Auflage, Rn. 232 ff., steht was dazu. Das hat mehrere Ursprünge.

Ein Ursprung ist § 15 Abs. 4 HRG (bzw. die jeweiligen Landesgesetze):

Prüfungsleistungen dürfen nur von Personen bewertet werden, die selbst mindestens die durch die Prüfung festzustellende oder eine gleichwertige Qualifikation besitzen.

Wobei eben von Qualifikation und nicht von einer Leistungsbewertung die Rede ist. Die beamtenrechtliche Leistungsbeurteilung ist rechtlich keine Qualifikation, zumal es da Rechtsprechung dazu gibt. Es muß die gleiche Prüfung sein, aber kann ein verwandtes, anderes Fach sei. Also beispielsweise dürfte jemand mit einem Diplom in Physik auch Diplomsprüfungen in Elektrotechnik abnehmen oder eben auch einen Master. Was aber ausdrücklich nicht gefordert ist, ist daß der Prüfer eben diese Prüfung selbst abgelegt haben muß.

Es werden dazu auch noch ein paar Entscheidungen von BVerfG und BVerwG als Quellen angegeben. In der BVerfG-Entscheidung habe ich das jetzt nicht so konkret gefunden, da stand nur, daß der Prüfer die erforderliche Prüferkompetenz haben muß, sonst ist die Prüfung rechtswidrig.

Interessanter ist da BVerwG 6 C 1.93, worin es eben speziell zur Habilitation (aber eben auf Grundlage inzwischen veralteter Gesetze) heißt:

Das allgemeine Qualifikationserfordernis für Prüfer (§ 92 Abs. 1 Satz 2 WissHG), das für Habilitationen entsprechend gilt (§ 95 Abs. 3 Satz 2 WissHG), verlangt zwar, daß über den Erfolg der Habilitation nur von Personen entschieden werden darf, die selbst habilitiert sind oder eine gleichwertige Qualifikation besitzen. Damit ist aber noch nicht gewährleistet, sondern in Fachbereichen mit vielen unterschiedlichen Fächern eher zweifelhaft, ob alle Habilitierten die für eine kompetente Bewertung gerade in dem Habilitationsfach notwendige Sachkunde besitzen. Es geht dabei nicht um perfekte Kenntnisse über die Einzelheiten oder Teilaspekte des Prüfungsstoffs, die grundsätzlich nicht jeder der Beteiligten besitzen muß (stRspr; vgl. z.B. Beschluß vom 18. Juni 1981 – BVerwG 7 CB 22.81 – Buchholz 421.0 Nr. 149). In Frage stehen vielmehr fachliche Kenntnisse, ohne die eine Habilitationsschrift nicht verantwortlich zu bewerten ist.

Auch hier die Rede von der erforderlichen „Qualifikation”, während eine dienstliche Beurteilung eben eine Leistungsbewertung und keine Qualifikation ist. Aus Art. 33 Abs. 2 GG geht nämlich hervor (sog. Kriterientrias), daß Leistung und Befähigung zwei getrennte, separat zu betrachtende Eigenschaften sind, und nicht vermischt werden können.

Außerdem sagt das BVerwG ja sogar, daß nicht einfach nur irgendeine Habilitation (und damit natürlich auch nicht irgendeine Habilitationsäquivalenz), sondern speziell an diesem Thema ausgerichtete vorliegen muß. Das heißt, daß per se sogar nicht einmal alle echt Habilitierten teilnehmen dürfen.

Ich hab jetzt aber gerade nicht die Zeit, das noch tiefer nachzuwühlen.

🙂


JG
5.4.2012 12:49
Kommentarlink

@Hadmut Danisch
Dass eine dienstliche Leistungsbewertung als Ersatz taugt, hatte ich auch nie geglaubt, weil das ja sowieso alle Beamten bekommen und es meist nur für die Beförderung eine Rolle spielt.

Aber sowohl §15 Abs. 4 HRG, als auch das Zitierte Urteil des BVerwG sprechen ja von “Habilitation oder gleichwertiger Qualifikation”.

Ich nehme an, dass die “gleichwertige Qualifikation” sich dann vermutlich auf solche Fälle bezieht, in denen mehrere Einzelpublikationen als Ersatz für eine zusammenhängende Habilitationschrift anerkannt wurden?

Wenn das nicht durch die Rechtssprechung näher festgelegt ist, könnten ja Universitäten eventuell doch Habilitationen von Juniorprofessoren bewerten lassen und findige Universitätsanwälte würden dann argumentieren, dass der Juniorprofessor durch seine Leistungen in Forschung und Lehre und eben seine Tätigkeit als Juniorprofessor an sich “gleichwertig qualifiziert” ist.

Gruß