Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Saunaclubbetreiber will 400 Dissertationen gegen Bezahlung geschrieben haben

Hadmut Danisch
19.4.2012 16:09

Na, das paßt ja mal wieder. Der Österreichische Rundfunk berichtet über einen Linzer Saunaclubbetreiber, der 400 Dissertationen für andere gegen Bezahlung geschrieben haben will. Was mich daran beeindruckt ist die tiefe Weisheit, die aus den Worten des Mannes spricht:

Damals sei dieses Vorgehen ganz normal gewesen – schuld daran sei das System und nicht die Studenten gewesen. Kritik übt Gerhardinger auch noch heute. Dissertationen seien schon lange keine wissenschaftlichen Arbeiten mehr: „Auch bei den sogenannten regulären Arbeiten wird alles abgeschrieben – nur eben mit Fußnote und Zitat.“ […]

„Aus einer üblichen Sache ist es noch üblicher geworden, viele Bücher zu lesen, zu sammeln und zu zitieren. Aber es ist überhaupt nicht mehr üblich, seine eigene Meinung in einer Dissertation zu vertreten. Das kann sich heute keiner mehr leisten.“

Sagt eigentlich alles.

14 Kommentare (RSS-Feed)

Hajo D
19.4.2012 16:22
Kommentarlink

In Österrreich ist der Titelwahn am allerschlimsmten. Wunder mich kein Stück.


Hadmut Danisch
19.4.2012 16:23
Kommentarlink

Ach, da sehe ich keinen Unterschied zu Deutschland.

Aber die Saunaclubbetreiber scheinen dort intelligenter zu sein…


Siap1984
19.4.2012 16:31
Kommentarlink

Also subjektiv ist es da schon noch schlimmer. Mir hat mal ein nicht promovierter Staatsanwalt aus Deutschland erzählt, dass er bei einem “Auslandseinsatz” in Österreich von den Polizisten immer mit “Herr Doktor” angesprochen wurde. Als er darauf hinwies, dass er nicht promoviert sei, wurde ihm geantwortet: “Was? Ein Staatsanwalt ohne Doktortitel? Dös geht doch gar need”. Und er war weiterhin der “Herr Doktor”. In Deutschland kommt (zum Glück) keiner mehr auf diese Idee. Außerhalb der Uni ist das mit den Graden eh ein Fall fürs Bewerbungsschreiben- und das wars.

Zum Thema “Eigene Meinung in der Dissertation”: Ich frage mich, wo dieses Cliché herkommt. In meinem (juristischen) Umfeld wurden eigene originelle Ansätze in Dissertationen immer honoriert, selbst wenn sie denen des Doktorvaters exakt entgegengesetzt waren- solange sie plausibel begründet waren (also in zahlreichen Fällen). Mir ging es auch so. Ist zwar eine sehr subjektive Erfahrung (jaja, und Jura in den Augen mancher keine Wissenschaft ;-)), aber ich frage mich schon, woher diese Überzeugung stammt, dass eigene Meinungen in Dissertationen mehrheitlich nicht mehr erwünscht seien?


Hadmut Danisch
19.4.2012 16:36
Kommentarlink

Einer der Hauptgründe, die die Uni damals zur Ablehnung meiner Diss vorgebracht hat, war, daß ich eine eigene Meinung vertreten habe (obwohl deutsches Prüfungsrecht das jedem Prüfling eigentlich zugesteht, was an den Unis aber keiner weiß). Ich weiß von anderen Promotionen, bei denen man die Doktoranden nach (!) der Prüfung und Benotung noch bis zu zwei Jahre die Dissertation hat umändern lassen, um wirklich jede eigene Meinung herauszuprügeln.

Es herrscht bei vielen Professoren die Ansicht, daß man erst nach der Promotion bzw. ab der Habilitation überhaupt erst befugt sei, eine eigene Meinung zu haben. Bis dahin habe man gefälligst nachzubeten und zu rezitieren wie ein Koranschüler. Siehe dazu beispielsweise auch

https://www.forschungsmafia.de/blog/2012/03/21/professoren-folklore-uber-privatdozenten-und-das-recht-auf-eigene-meinung/

Eigene Meinung gibt es – jedenfalls in Deutschland und wohl auch in Österreich – in der Dissertation nicht mehr.


Illusion-der-Exzellenz
20.4.2012 8:15
Kommentarlink

Diese Erfahrung mit dem Nicht-Vertreten der eigenen Meinung kann ich überhaupt nicht bestätigen, weder aus dem Diplom-, noch aus dem Masterstudium und auch nicht bei der Diss, sondern genau das Gegenteil war bisher stets der Fall gewesen. Mag sein daß es vielleicht in Karlsruhe oder so anders ist, aber ich kenne nicht einen einzigen Kommilitonen aus meinen Studiengängen, der wegen einer eigenen Meinung Streß bekommen hätte.
Außerdem bezweifele ich die Aussage im Interview; wer schon einmal selbst ernsthaft einen Text verfaßt hat, weiß, wie lange dies dauert, und Dissertationen sind für gewöhnlich länger. Wenn nicht einfach immer nur ein Text variiert wurde, so erscheint es mir völlig unmöglich, 400 verschiedene Texte in wohl nur wenigen Jahren zu verfassen, wenn noch Recherche und vernünftige Zitation zu berücksichtigen sind. Ich würde die Realität mal auf vier Dissertationen festsetzen und die beiden übriggebliebenen Nullen eher dem Ego des interviewten Herrn zuschreiben.


Hadmut Danisch
20.4.2012 9:09
Kommentarlink

@Illusion: Du begehst einen argumentativen (Denk-)Fehler: Du unterstellst „ernsthaft einen Text verfaßt” hat. Kaum eine der Dissertation, die ich bisher gesehen habe, waren ein „ernsthafter Text”. Das war nur Blabla. Und Blabla kann man sehr viel sehr schnell erzeugen, wenn man das erstmal drauf und einen hinreichend großen Blabla-Fundus aufgebaut hat, zumal viele Dissertationen ja nicht mal von den Prüfern gelesen werden. Zumal wenn die Prüfer geschmiert sind und die Promotion durch Vermittler gegen Geldzuwendung erfolgt.

Es gibt in Asien Ghostwritereien, die einem Bestehens-taugliche Dissertationen innerhalb von einem Monat erstellen, und da ist immer nur ein Autor dran. Die schaffen im Schnitt mehr als eine Diss pro Monat. Jemand, der gut drauf ist, kann tatsächlich 15-20 Dissertationen pro Jahr schreiben. Macht man das mal 20-25 Jahre lang, kommt man gut in diese Größenordnungen, zumal der ja auch sagte, daß sie nur Teile zugeliefert haben und nicht ganze Dissen.

Und das sind tatsächlich auch die Größenordnungen, in denen professionelle Ghostwriter so arbeiten.


tom
20.4.2012 20:28
Kommentarlink

Also meiner Erfahrung nach (aus meiner Promotionszeit) ist es vollkommen problemlos möglich, seine eigene Meinung zu vertreten, solange sie sich noch im Konsens (oder innerhalb der Lehrmeinung) bewegt. Das ist dann die “gute” “eigene” Meinung, die auch honoriert wird, da sie als “Evolution” verstanden wird. Problematisch wird es, wenn man den Konsens oder die Lehrmeinung in Frage stellt. Noch problematischer ist es, wenn man das als Doktorant macht. Das mag ev. nicht mal daran liegen, dass einem keine eigene Meinung zugestanden wird, sondern dass einem die Kompetenz zu fundierter Kritik nicht zugestanden wird, weil man ja, quasi, der Lehrling ist (in D ist man ja bis zur Berufung zum Prof. “Nachwuchswissenschaftler”). Die Kritik ist dann einfach nur ne (persönliche) Meinung.


Illusion-der-Exzellenz
20.4.2012 23:38
Kommentarlink

Ich denke, ich begehe keineswegs einen Denkfehler, sondern bin einfach nur realistisch, da ich weiß, daß es eine Menge Leute gibt, die aus den unterschiedlichsten Gründen Schwachsinn erzählen. Wenn jemand tatsächlich von so vielen anderen Leuten wüßte, daß sie ihre Diss nicht selbst verfaßt haben und sie somit praktisch in der Hand hätte, dann hätte er es selbst ohne Erpressung nicht nötig, sein Geld mit einem Sauna-Club zu verdienen, denn wenn man dadurch nicht ausreichend Kontakte bekommt, wodurch dann? Darüber hinaus ist das Ausmaß von ganzen oder teilweise gefakten Diss nur Spekulation, selbst wenn es nur 200 ganze wären halte ich das für unmöglich. Und wenn immer die gleichen Texte verwendet würden, dann würde das mit Sicherheit irgendwann auffallen (Ausnahme vielleicht bei den Juristen oder WiWis); alle anderen Doktoranden die ich kenne müssen immer wieder mal etwas an ihrer Diss ändern (aber nicht um die Meinung des Profs einzuarbeiten), da ihre Prüfer sie tatsächlich doch lesen – hier kommt es wohl darauf an, aus welchem Umfeld man stammt bzw. an welcher Uni das statt findet. Es mag welche geben, wo die Möglichkeit des Fakens leichter gegeben ist, aber es gibt auch das Gegenteil.
Ich habe übrigens auch viele Dissertationen gelesen, mal bessere und mal schlechtere, aber reines Blabla nur sehr selten finden können (obwohl ich da einen Prof der KU Eichstätt – aber eben nur diesen einen – kenne, der die Kunst der Mehrfachverwertung glänzend beherrscht).
Insgesamt ist mir die Darstellung, daß alles nur aus Betrügern und Lügnern bestehen würde, einfach zu einseitig, da dies meinen eigenen Erfahrungen widerspricht. Ich hatte nie mit Durchwink-Profs zu tun (obwohl manche schon ihren Dünkel hatten), mit Druckausübung oder Zwang, das Äußern meiner eigenen Meinung wurde stets gut aufgenommen, und da ich meine Arbeiten regelmäßig im Prüfungsamt eingesehen habe, weiß ich, daß sie auch gelesen wurden, denn die Anmerkungen an den Rändern haben sich nicht von allein geschrieben. Vielleicht habe ich einfach Glück gehabt, dann bedaure ich all jene, die leider andere Erfahrungen machen mußten, wobei Mißstände selbstverständlich zu benennen und abzuschaffen sind, aber davon auszugehen, daß das ganze System nur korrupt wäre (was hier manchmal so rüberkommt), wird all jenen nicht gerecht, die rechtschaffen und nach besten Kräften bemüht sind. Und denk mal bloß nicht, daß ich unkritisch bin oder naiv wäre – im Rahmen meiner Diss schreibe ich gerade an einem Kapitel, das die Verquickung zwischen Softwareherstellern und einem bestimmten Studiengang (da geht es um viel Geld) behandelt, da werden Seilschaften gebildet und Zuwendungen als Sponsoring getarnt. Aber wie gesagt kenne ich auch die andere Seite, redliche Prüfer, ehrliche Doktoranden und Profs, die an ihrem Fach und der Förderung ihrer Studenten wirklich interessiert sind.


Hadmut Danisch
21.4.2012 6:56
Kommentarlink

Diese Diss würde ich dann sehr gerne lesen.

Ich beschäftige mich seit inzwischen 14 Jahren mit Korruption in der Universitätsinformatik, und die Zahl der rechtschaffenen Professoren, die ich in dieser Zeit gefunden habe, kann ich mit den Fingern meiner Hände abzählen. Spontan würde ich sogar sagen, dass eine Hand reicht.

Einige Leute haben mir sogar gesagt, dass ich in dem Streit fachlich völlig recht habe, aber dass sie mir das keinesfalls bestätigen werden.


Siap1984
21.4.2012 8:27
Kommentarlink

@ Hadmud
>>Einige Leute haben mir sogar gesagt, dass ich in dem Streit fachlich >>völlig recht habe, aber dass sie mir das keinesfalls bestätigen >>werden.

Und dass das ein Skandal ist, liegt auf der Hand. Als ich damals über Ihre Seite gestolpert bin und Ihre Darstellung Ihres Falles gelesen habe, war ich gerade deshalb so schockiert, weil meine eigenen Erfahrungen (anderes Fach, andere Uni) so völlig anders waren und ich mir nie hätte vorstellen können, dass es Hochschullehrer gibt, die (auch noch im Rudel) derart offenkundig rechtswidrige Handlungen treffen und auch noch damit durchkommen.

Aber ich bin durchaus bei illusion (und in diese Richtung zielte auch mein erster Beitrag), wenn er nicht bereit ist, diesen Fall zu verallgemeinern. Ich will nicht ausschließen, dass ähnliche Fälle auftreten- ich glaube halt nur nicht, dass derartiges Verhalten der Regelfall ist, weil das wiederum meinen (subjektiven) Erfahrungen widerspricht. Ich will aber auch nicht ausschließen, dass das in anderen Disziplinen anders ist (wobei ich da die technischen oder naturwissenschaftlichen Fächer eher für weniger gefährdet gehalten hätte, als die Geistes- und Sozialwissenschaften iwS).

@ tom Eigene Meinung außerhalb der Lehrmeinung – was denn auch sonst? Ich nehme mal an, dass Lehrmeinung so etwas wie herrschende Meinung meint. Wenn man dieser folgt, vertritt man keine eigene Meinung, sondern schließt sich der Mehrheitsauffassung an (mit mehr oder weniger guten Gründen). Diese Fälle meinte ich nicht. Unter Juristen gilt es sogar als chic, die herrschende Meinung kunstgerecht auszuargumentieren. Eine gewisse “Angriffslust” des DoktoranDen ist in aller Regel erwünscht und willkommen.


Hadmut Danisch
21.4.2012 11:45
Kommentarlink

@Siap: Der noch größere Skandal ist, daß sich diese Leute dann „Gesellschaft für Informatik” nennen und für sich in Anspruch nehmen, die Informatik wissenschaftlich zu vertreten.


Illusion-der-Exzellenz
22.4.2012 1:15
Kommentarlink

“Ich beschäftige mich seit inzwischen 14 Jahren mit Korruption in der Universitätsinformatik, und die Zahl der rechtschaffenen Professoren, die ich in dieser Zeit gefunden habe, kann ich mit den Fingern meiner Hände abzählen. Spontan würde ich sogar sagen, dass eine Hand reicht.”

Das mag ich nicht bezweifeln, aber die “Universitätsinformatik” ist vielleicht nicht wirklich repräsentativ bzw. auf andere Fächer ohne weiteres übertragbar. Das kann ich auch nicht beurteilen, da ich kein Informatiker bin.

“Diese Diss würde ich dann sehr gerne lesen.”

Kein Problem. Wenn das Kapitel fertig ist, kann ich es gerne mal rüberschicken, da wirst Du einiges zu lachen haben (denn ernst nehmen kann man das alles nicht wirklich).


yasar
22.4.2012 11:30
Kommentarlink

@Illusion-der-Exellenz “…dann hätte er es selbst ohne Erpressung nicht nötig, sein Geld mit einem Sauna-Club zu verdienen, denn wenn man dadurch nicht ausreichend Kontakte bekommt, wodurch dann?”

Es soll SaunaClubs geben, die auch der Informations- und Kompromatbeschaffung dienen. Villeicht ist das ja auch ein Saunaclub, in dem Geschäfte abgewickelt werden.

Es soll auch schon so mancher reiche Mafioso als einfacher Pizzabäcker in einer Pizzeria gearbeitet haben. 🙂

Nicht das ich jetz dem Saunaclub-Besitzer unterstellen will, daß er kriminell wäre.


Hadmut Danisch
22.4.2012 11:33
Kommentarlink

Vielleicht ist der Mann auch einfach nur seriös geworden. Bordelle sind nämlich seriöser als Universitäten.