Frei erfundene Doktortitel
Der Autor Armin Himmelrath hat ausprobiert, wie leicht man mit einer frei erfundenen Promotionsurkunde zu seinem Doktor kommt und ihn sich in den Personalausweis eintragen lassen kann.
Ich habe vor einigen Jahren schon mal nachgeforscht, wie man eigentlich den Doktor einer Person überprüft und wie man den Missbrauch als Straftat nachweist.
Lösung: Gar nicht. Man hat das deutsche Recht gezielt so gebaut, dass man Doktorgrade nicht überprüfen kann. Denn es gibt keinen Anspruch gegen den Träger des Doktors, seine Herkunft und den Erwerb zu beweisen. Und in jedem Bundesland gibt es andere Regeln, man darf den Doktor aber schon führen, wenn er in einem Bundesland anerkannt ist oder aus der EU stammt. Die Beweislast liegt immer beim Zweifler. Er muss die Dissertation und die Uni finden und nachweisen, dass etwas faul ist. Wenn es aber nie eine Dissertation und nie eine Promotion gegeben hat, weil die Urkunde gefälscht ist, dann kann ein Zweifler natürlich auch nie etwas dazu finden, womit er die Unrichtigkeit nachweisen könnte.
Wäre schon interessant zu erfahren, wieviel faule Promotionen es etwa unter Politikern noch gibt.
Man bräuchte ein zentrales Dissertationsarchiv bei der deutschen Nationalbibliothek. Und dann müsste mal als Voraussetzung fordern, dass nur der mit Doktor herumlaufen darf, der seine Dissertation dort für alle zugänglich elektronisch hinterlegt hat. Damit jeder nachlesen und sich eine Meinung bilden kann.
18 Kommentare (RSS-Feed)
Sind nicht in jedem Rechtsstaat bei fast allen Dingen die Unschuldsvermutung und das „in dubio pro reo“ die zentralen Elemente?
Deine Forderung erinnert mich etwas an den Standardsatz in jedem Krimi „es wäre besser sie würden sich ein Alibi besorgen“. Niemand muß seine Unschuld beweisen, immer muß er Zweifler die Schuld belegen.
Ein zentrales Dissertationsarchiv würde die Überprüfung sicherlich erleichtern. Im Grunde müßte es, da Dissertationen bei der jeweiligen Uni-Bibliothek hinterlegt sein müssen, durch den Bibliotheksverband relativ leicht realisierbar sein.
Vermutlich wäre es aber generell besser den akademischen Grad aus den Personalpapieren herauszuhalten. Es gibt keinen vernünftigen Grund dort den Dr. einzutragen, aber den Konditormeister etc. nicht.
@Anmibe:
Nein, weil einen Doktortitel zu tragen ja keine Straftat ist, sondern ein Vorrecht, das man in Anspruch nimmt, ein Vorteil gegenüber anderen.
Die Promotion ist die formale Bestätigung, einen Befähigungsnachweis erbracht zu haben. Da die formale Bestätigung aber so lausig schlecht ist, und ihren Ursprung in einer Zeit hat, als man Information einfach technologisch noch nicht so verbreiten konnte wie heute, musste der Doktor quasi also indirekte Bestätigung herhalten. Heute sind wir technologisch weiter und könnten problemlos jede Dissertation kostenlos zugänglich machen. Es gibt also keinen Grund mehr, das zu unterlassen.
Davon abgesehen gibt es bei der Promotion sowieso eine Publikationspflicht. Der Prüfling und künftige Forscher hat sowieso gegenüber der Öffentlichkeit den Nachweis zu erbringen, das er wissenschaftlich arbeiten kann. Nur sind diese Pflichtexemplare in irgendwelchen Bibliotheken ein Witz. Es geht nur um die Anpassung der Öffentlichkeitspflicht und darum, dies wirklich öffentlich zu machen.
Es gibt aber häufig Fälle, in denen überhaupt nicht ersichtlich ist, wann, wo und worüber derjenige promoviert haben will. Das kann verflucht schwierig bis unmöglich werden, insbesondere wenn es Namensgleichheiten gibt. Ich selbst habe mitunter schon ziemlich lange gebraucht, um so etwas herauszufinden, und es haben auch schon mehrfach Detekteien bei mir angefragt, was man machen kann, wenn man die Dissertation partout nicht findet.
Und die Diss über den Bibliotheksverbund zu holen, müsste man erst einmal wissen, wie sie heißt. Und im Zeitalter des Internet ist das einfach anachronistisch.
@Hadmut
Straftat: Es gibt auch kein Zentralregister für Führerscheine etc. Der Zweifler muß auch hier die den Nachweis der Falschheit erbringen (was für Behörden naturgemäß einfacher ist). Eine einheitliche Promotionsurkunde wäre somit angebracht.
Publ.-Pflicht: Ack, Diss. sollten von vornherein elektronisch abgegeben werden müssen.
Bibl.-Verbund: Ich „müsste leicht realisierbar sein“, da die bilbiografischen Daten dort bereits hinterlegt sind, der Titel eigentlich nicht notwendig ist. Namensgleichheiten sind überall ein Problem, dem könntest Du nur abhelfen, wenn man eine einheitliche Dissertationskennzahl einführen würde.
@Anmibe: Nein, muss er nicht. Es ist Sache des Fahrers, den Führerschein vorzuweisen, der immerhin mit einer gewissen Fälschungssicherheit ausgestattet ist. Bestehen Zweifel an der Echtheit, kann die Polizei das ohne weiteres nachprüfen, es steht nämlich auf dem Führerschein, wer ihn ausgestellt hat. Es gibt durchaus ein Verbundnetzwerk, in dem man feststellen kann, ob und wo jemand den Führerschein gemacht hat. Und ich glaube mich erinnern zu können, dass man selbst dann, wenn man keine Flensburg-Punkte hat, vom Bundeskraftfahrtamt erfasst wird, weil die wissen, wo der Führerschein gehalten wird.
Und das mit dem Bibliotheksverbund klappt einfach nicht zuverlässig. Ich hatte schon Fälle, die darüber nicht zu finden waren.
@Hadmut
Das Vorlegen des Führerscheins entspricht der Vorlage des Prom.-Urkunde, auf der auch steht wer sie ausgestellt hat. Das Problem ist eben, daß die Prom.-Urkunden nicht ansatzweise fälschungssicher und einheitlich sind.
Das das derzeit mit dem Verbund noch nicht zuverlässig klappt stimmt, weil es da wohl Lücken gibt (insbesondere bei weiter zurückliegenen Arbeiten). Und selbst wenn, wäre es das derzeitige Abfrageverfahren für das Meldewesen zu unpraktisch. Es müßte hierfür eine separate Abfrageroutine geschaffen werden, die nur die Diss., gleichzeitig bei allen Unis abfragt, also eher ein technisches Problem, neben der Unvollständigkeit der Daten, welche die Unis zu verantworten haben. Letzteres würde sich aber ganz schnell lösen, wenn die Leute vor Gericht ziehen weil die Meldebehörde keinen Dr. eintragen will.
> Prom.-Urkunden nicht ansatzweise fälschungssicher und einheitlich sind.
Nein.
Das Problem ist, dass ersten klar ist, was eine Führerscheinprüfung ist, während Promotionsprüfungen völlig willkürlich sind und man gar nicht weiß, wofür die Urkunde vergeben wird.
Das Problem ist zweitens, dass man korrupte Fahrprüfer in den Knast steckt, während man korrupte Promotionsprüfer für das Einwerben von Drittmitteln lohnt.
Die Fälschungssicherheit der Promotionsurkunde würde auch nur einen Teil des Betrugs abdecken, weil sie erstens käuflich ist und in vielen Fächern leistungslos vergeben wird. Und weil es zweitens keine Pflicht gibt, eine Promotionsurkunde vorzuzeigen. Die Polizei macht keine Kontrollen, ob die, die sich Doktor nennen, eine gültige Urkunde führen. Was nützt Fälschungssicherheit, wenn man sie niemals vorzeigen muss?
§ 132a StGB stellt ja nicht nur das unberechtigte Führen von Doktorgraden unter Strafe, sondern u.a. generell den Gebrauch von akademischen Graden, die nicht wirksam zuerkannt wurden (Abs. 1 Nr. 1a). Das erfasst also nicht nur den Dr., sondern auch Diplom, Magister, Master, Bachelor etc. Und all’ diese Abschlüsse werden in Formen verliehen, die nicht gerade “fälschungssicher” sind (gilt auch für Abiturzeugnisse etc., die im Zusammenhang mit § 263 StGB strafrechtsrelevant werden können, von den Urkundentatbeständen mal abgesehen). Insoweit ist der Doktorgrad, zumindest wenn er in Deutschland erworben ist, sogar noch halbwegs gut nachweisbar, da die Arbeit publiziert werden muss (und in vielen Fächern auch tatsächlich derart publiziert wird, dass sie in ausreichend vielen Bibliotheken zugänglich sind – die digitale Publikation von Dissertationen mag ja attraktiv sein, erforderlich ist es sicher nicht…). Somit ist das ein generelles Problem mit Zeugnissen, nicht nur mit Doktorurkunden.
Zum Thema Strafverfolgung: Wenn die Beamtin in dem Artikel pflichtgemäß gehandelt hätte, hätte sie bei Vorlage einer so lustigen Urkunde die Staatsanwaltschaft angerufen- Anfangsverdacht hätte wohl vorgelegen. Und die StA findet – auch bei komplizierter Rechtslage – ziemlich sicher heraus, ob die Vorlage in irgend einer Form zur Führung des Grades in Deutschland berechtigt. Dieses ist sicher nicht Aufgabe des Einwohnermeldeamtes…
Zum Thema Grad im Perso/Pass: Finde ich auch überflüssig. Würde diese Möglichkeit streichen. Allerdings scheint es eine starke Lobby dagegen zu geben. Also gehe ich mit gutem Beispiel voran und lasse meinen Dr. nicht eintragen…
Die These des Spiegelautors, ein Doktorgrad im Perso wäre ein Vorteil bei der Bewerbung, halte ich allerdings für etwas steil. Wer packt denn den Perso in die Bewerbungsunterlagen? Da muss schon die Promotionsurkunde rein. Ob die gefälscht ist oder nicht, wird niemand, der bei Verstand ist, anhand des Personalausweises überprüfen wollen. Der Doktorgrad im Personalausweis ist ohne praktischen Belang.
@Mike: Es ging wohl eher darum zu zeigen, wenn es sogar die Behörde akzeptiert, klappt’s auch überall sonst.
Ich sehe allgemein noch nicht so sehr den Nutzen eines gefälschten Doktorgrades außerhalb der Politik. Der einzige Job, der mir einfällt, bei dem der Doktorgrad quasi Einstellungsvoraussetzung ist, ist die Professur. Hier werden sich die Mitglieder der Berufungskommission aber sehr wohl die Publikationsliste des Bewerbers ansehen und i.d.R. auch mal ein wenig nach dem Kandidaten googeln. Wer keine Spuren im Netz hinterlassen hat, kann – zumindest im MINT-Bereich – vermutlich auch nicht promoviert haben. Häufig lässt dann auch mal der eine oder andere seine Kontakte spielen und hört sich ein wenig um. Eine bunte Promotionsurkunde hilft dann nicht viel weiter.
Spielt in der Wirtschaft mitunter eine sehr große Rolle. Oberhalb einer gewissen Ebene kommt man ohne Doktor nur sehr schwer. Ich kenne eine IT-Firma, deren Verwaltungsgebäude „Ärztehaus” genannt wird, weil fast nur Doktoren drinsitzen.
Irgendwo gabs mal eine Statistik, wonach Leute mit Doktor im Schnitt über 15.000 Euro pro Jahr mehr verdienen, in einzelnen Branchen sogar deutlich darüber. Bei Chemikern muss das ganz schlimm sein.
@Anmibe:
“Es gibt auch kein Zentralregister für Führerscheine”
Doch. http://www.kba.de/nn_125506/DE/ZentraleRegister/ZFER/zfer__node.html?__nnn=true
“Im ZFER sind alle seit dem 01. Januar 1999 ausgestellten Führerscheine erfasst.”
Echte Dissertationen sind schon spannend genug.
Man lese Gustav Stresemann [u.a. 1923 Reichskanzler und Reichsminister des Auswärtigen, 1926 Friedensnobelpreisträger]„Die Entwicklung des Berliner Flaschenbiergeschäfts“ Dissertation, Leipzig 1900.
oder auch
Helmut Kohl [1969 bis 1976 Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz und von 1982 bis 1998 der sechste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.] “Die politische Entwicklung in der Pfalz und das Wiedererstehen der Parteien nach 1945”. Heidelberg 1958, U 58.4033.
Es ist natürlich ein Leichtes, sich über Doktorthemen lustig zu machen, wenn man die Ausarbeitung nicht gelesen hat 🙂 Stresemanns Dissertation findet sich zB hier: http://www.gutenberg.org/files/33418/33418-h/33418-h.htm . Das Vorwort klingt mir durchaus seriös.
@Hadmut: Wobei in der Chemie der Doktorgrad der Regelabschluss ist; da bekommt man quasi ohne Doktor gar keinen Job (vermutlich weißt du das aber eh). Daher ist die Diskrepanz in den Durchschnittsgehältern nicht unbedingt überraschend.
Auch bei Stresemanns Dissertation sollte man für eine Beurteilung vielleicht über das Vorwort hinaus gelangen 😉
cb, klar. Rezension willkommen 🙂
Ein zentrales Archiv zwingt die Gutachter auch nicht, sich nach Treu und Glauben mit der Korrektheit, bzw. Neuheit einer Arbeit auseinanderzusetzen. Stattdessen dürften wir wohl viele neue optimierte Arbeiten lesen, die alten Wein in suchmaschinenresistenten Schläuchen verpacken.
Auf der anderen Seiten haben wir dann die Vroniplag-Gruppe, die Vier-Wort-Sätze schon als Plagiate wertet, wodurch einfach der Plagiatsbegriff inflationär entwertet wird.