Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Schummeln als Phänomen tief im Wissenschaftsbetrieb verwurzelt

Hadmut Danisch
26.8.2012 13:47

Das Handelsblatt schreibt darüber, dass Schummln, Mogeln, Plagiieren als weit tiefer im Wissenschaftssystem verwurzelt erscheinen, als man bisher so annahm. Und dass die Unis damit nicht klarkommen.

Wenig überraschend.

8 Kommentare (RSS-Feed)

Milo
26.8.2012 17:46
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Plagiate waren in meiner Uni-Zeit häufig. In jedem Semester gab es welche. Die, die am dreistesten und auffälligsten plagiierten, weigerten sich auch angesichts der Beweise am hartnäckigsten, das Plagiat einzugestehen. Manche taten es aus Unwissenheit, viele aus Faulheit.

Das Problem ist, dass das Aufspüren von Plagiaten Arbeit macht. Eine normale Semesterarbeit ist jedenfalls schneller gelesen. Aber der Plagiatsverdacht erzeugt Detektivarbeit. Nicht jeder hat simpel bei Google geklaut. Also muss man lange suchen, bis man die Quelle findet. Vermutlich nimmt man sich deshalb zu wenig die Zeit an den Unis. Aber machtlos ist man keineswegs. Plagiate fallen auf. Die Brüche im Text sind doch ziemlich offenkundig. Man muss da kein Spezialist für sein, um sie zu erkennen. Es wird wohl eher die Frage sein, ob man den Willen hat, sich diesem Problem ernsthaft zu widmen.


lars
26.8.2012 22:41
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Erschreckend ist in meinen Augen vielmehr, dass auch bei offensichtlichen Plagiaten nicht gehandelt wird. Und dies trotz Hinweis.

(konkret: etwa 10 Seiten zum Großteil wortwörtlich, Quellenangaben gab es nirgends)

Ebenso erschreckend:
Auf Studentenseite ist oftmals kein schlechtes Gewissen dabei.

Andererseits ist es an der LMU bei den Germanisten so, dass diese bei einem ersten Plagiat verwarnt werden, bei diesem Dozenten nichts mehr belegen dürfen und in einem schweren ersten Fall oder bei Wiederholung von der Uni ausgeschrieben werden.
Allerdings ist die Quelle nur eine Studentin – also nichts handfestes.

Preisfrage: In welchem Studiengang wird wohl der Plagiatsfall gewesen sein ?


Johanna C.
27.8.2012 8:46
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@Milo, @lars: Jaja, die bösen bösen Studenten. Plagiieren den ganzen Tag nur so vor sich hin und ruinieren den armen stets ehrlichen Dozenten den hart zusammenzitierten Ruf.

Auch wenn Sie im Kern durchaus recht haben, dass viele Arbeiten in Teilen als “Plagiat” zu bewerten sind, ist nicht erst seit Herrn zu Guttenberg bekannt, sondern war bereits vor einigen Jahrzehnten zu meiner Zeit so. Das Problem an der Plagiatsdebatte ist doch, dass zahlreiche (nicht “alle”!!!) Professoren derartiges – sofern es nicht zu offensichtlich wurde – bisher stets unter der Hand geduldet haben.

Sich jetzt zu wundern, dass diese Leute älter geworden, die Universität verlassen und nun zahlreiche Unternehmen der freien Wirtschaft beglücken, geht mir nun wirklich nicht in den Kopf. Der Fisch stinkt doch wohl vom Kopfe her.


Milo
27.8.2012 10:11
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Dass die Studis kein schlechtes Gewissen haben, ist noch halbwegs nachvollziehbar. Die Aufgabe, sie zu erziehen, haben die Lehrkräfte. Sie müssen ihnen vermitteln, dass plagiieren absolut unzulässig ist. Sie müssen auch mit Konsequenz Plagiate sanktionieren. Wobei man daraus auch keine Hexenjagd machen sollte. Man sollte den Studenten auch eine zweite Chance geben. Nur muss man Plagiate aufdecken und sie müssen Folgen haben. Überhaupt müsste die Textkultur stärker gelehrt werden. Dafür ist aber selten Zeit. Auf den Tischen der Dozenten stapeln sich hunderte studentische Arbeiten. Klar, dass da oft der Pragmatismus siegt. Wenn die Studenten merken, dass ihre Arbeiten nicht gelesen werden, lädt das ein zum Betrug.


Milo
28.8.2012 11:02
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@Johanna

Bei aufmerksamen Lesen hättest Du erkennen können, dass ich keineswegs den Studenten allein die Schuld zugewiesen habe, sondern dem ganzen Betrieb. Ich sprach davon, dass der Wille fehlt, Plagiate auch zu sanktionieren. Unehrlichkeit ist da auch im Spiel. Der Doktorvater Guttenbergs hätte das Plagiat erkennen müssen. Ich bin mir sicher, dass es ins Auge sprang. Er hat entweder die Arbeit nicht gelesen oder beide Augen zugedrückt. In beiden Fällen hat er seinen Job nicht gemacht. Sprich: Erfolgreiche Plagiate sind immer ein Systemprodukt. Die Dinger kommen durch und erhalten gute Noten, weil der Lehrbetrieb das möglich macht.


Thomas
28.8.2012 11:18
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@Milo: Profesoren und Dozenten sind keine Erzieher, sie müssen dazu null Qualifikation haben. Allgemein gilt, dass die Erziehungszeit mit der Vollendung des 18. Lebensjahrs endet (Ausnahme sind geistig Behinderte).

Wenn überhaupt ist es Aufgabe der Professoren und Dozenten, die Studenten zu bilden. Bekanntlich bringt das aber – für mich ganz unverständlich übrigens – keine Reputation und wird nicht positiv sanktioniert. Es gibt nicht mal allgemein bekannte, anerkannte und verbindliche Standards dessen, was einen guten Lehrer an der Universität (oder an Schulen) ausmacht. Die einzigen mir bekannten Versuche in diese Richtung sind diese Online-Bewertungsportale(meinprof.de und ähnliches), welche wiederum aber auch nur negativ mal in den Schlagzeilen stehen, wenn irgend ein Standesvertreter seinen Ruf zu Unrecht in Mitleidenschaft gezogen sieht. Ansonsten haben aber auch diese Portale kaum irgend eine nennenswerte geselleschaftliche Funktion betreffend guter Bildung.

Entsprechend negativ ist es, wenn man sich dieses Misstandes annimmt und bspw. Studienfächer nach den tatsächlichen didaktischen Fähigkeiten der darin Lehrenden bemessen will und schlechte Lehre kritisiert. Das gilt als unbotmäßig, da die Studenten über sowas ja noch gar nicht urteilen können, Lehrjahre sind keine Herrenjahre. Und die außerhalb der Institution wüssten ja gar nicht, wie es darin ist usw.. Also Mauer.

Was man denen also vorwerfen kann ist, dass sie sich um die Geistesbildung derjenigen, die sich ihnen anempfehlen, mehr oder weniger nicht scheren und auch Kritik an ihren Lehrstilen weder ernst nehmen noch sonderlich beachten. Sei es aus Faulheit, sei es aus Zeitgründen (wobei bei diesem Teil der zu-wenig-Zeit-Argumente wiederum auch sehr selten kritische Stimmen seitens der Lehrenden zu vernehmen ist – es geht grundsätzlich nur noch um Forschung in diesen Debatten).

Ansonsten finde ich es immer etwas belustigend, wenn sich Lehrverantwortliche darüber beschweren, dass ihre “Schüler” schlecht in diesem und jenem sein. Nach meinem Dafürhalten ist die oberste Bringschuld da nicht bei den “Schülern”, sondern eben bei den Lehrern. Sich also über schlechte “Schüler” zu beschweren ist gleichzusetzen damit, sich über seine eigene Unfähigkeit zu mokieren, ein guter Lehrer sein zu können. Was schon ein wesentliches Merkmal eines schlechten Lehrers ist, in meinen Augen jedenfalls.


Milo
28.8.2012 11:58
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Ich stimme Dir zu, was die Bringeschuld des Lehrers angeht. So habe ich meinen Auftrag immer interpretiert. Und ich sehe es auch nicht als Erziehungsauftrag. Aber ich muss als Dozent die Wissenschaftsstandards vermitteln, damit auch klar machen, dass Plagiate nicht gehen. Keinesfalls darf ich einen voll ausgebildeten Wissenschaftsethos bei den Studenten voraussetzen, die schließlich als Laien in die Uni kommen.

Strukturell wird zu wenig für gute Lehre getan. Das ist leider wahr. Die Bemühungen um gute Lehrveranstaltungen schlagen sich auch nicht in sichtbaren Ergebnissen nieder. Klar kann man so auch gute Noten erreichen. Nur fallen die gar nicht auf, wenn gute Noten der Standard sind (um die politisch gewollten hohen Absolventenzahlen zu erreichen z.B.). Evaluationen sind in der Tat nicht wirklich aufschlussreich, helfen aber schon mit, dass ein Bild von der Lehre entsteht. Aber anstatt hinterher zu messen, sollte man vielleicht vorher die Fähigkeiten der Lehrenden verbessern bzw. die Umstände, unter denen gelehrt wird. Das würde allen weiterhelfen.


Johanna C.
28.8.2012 12:26
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@Milo: Meine (Miniatur-)Kritik an Ihrem Beitrag liegt ja auch nicht darin, dass ich Ihre Position für falsch halte. Sie haben jedoch nur das Beispiel der “Semesterarbeit” genannt, also einer klassischen von Studenten und nicht Dozenten erwarteten Leistung.

Vom Rest haben Sie nichts geschrieben, das haben Sie erst jetzt angefügt. Und da es heutzutage modern zu sein scheint, die Schuld an den Zuständen des Hochschulsystems den Studenten zuzuschreiben, aber die Dozentenseite zu ignorieren, wo immer möglich, konnte ich mir meine Antwort nicht verkneifen.