Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Der Ersatzadel der Deutschen

Hadmut Danisch
5.11.2012 22:02

Im Deutschlandradio kam ein Beitrag von Konstantin Sakkas darüber, dass der Doktor in Deutschland kein Wissenschaftsgrad, sondern ein Pseudoadelstitel ist.

Nur: Neu ist das nicht. Wenn man sich die Literatur zur Entstehung des Doktorgrades mit dem Aufkommen der Universitäten im Raum ansieht, der heute ungefähr Deutschland ist, dann ist bekannt, dass der Doktor nur ganz am Anfang eine Lehrbefugnis war. Weil damals die Universitäten und deren Dozenten Hungerleider und von Spenden abhängig waren, wurde der Doktor – der ja schon der Wortbedeutung nach die eigentliche Lehrbefugnis ist – zum käuflichen Ersatztitel für die hochbegehrten aber eben nur durch Geburt zu erwerbenden Adelstitel. Weil der Doktor völlig in der Korruption versank, musste man ja die Habilitation einführen, damit sie das machte, was eigentlich der Doktor sein sollte. Insofern könnte man DRadio mangelndes Wissen und mangelnde Recherche vorwerfen, weil sie was entdeckt haben wollen, was längst bekannt ist.

Trotzdem gibt es einige treffende Aussagen darin:

Der Doktortitel ist der Ersatzadel der Deutschen. Man schaue sich nur einmal die Liste der Bundestagsabgeordneten oder die deutscher DAX-Vorstände an: Sie mögen studiert haben, was sie wollen, Doktoren sind sie fast alle. […]

Das wäre auch in der Medizin so, würden in diesem Fachbereich nicht die meisten Promotionen um der Karriere willen geschrieben. Der Doktortitel gilt traditionell als kaum umgehbare Voraussetzung für den beruflichen Erfolg. Entsprechend wenig verrät er über die wissenschaftliche Kompetenz seines Trägers.

Doch all die Germanisten, Historiker, Wirtschaftswissenschaftler, Juristen, die die Mitarbeiterstäbe und Doktorandenkolloquien unserer Universitäten bevölkern, brauchen ihren Doktor nicht, jedenfalls nicht um der Wissenschaft willen. Der Promotionsbetrieb ist, seien wir ehrlich, vor allem eine riesige Versorgungsanstalt für Hochschulabsolventen; ihr wichtigster Ausweis ist nicht intellektuelle Eignung, sondern Loyalität zum Lehrstuhl und der nötige “Stallgeruch”.

Das ist ungesund, denn es hält echten Forschergeist von der Promotion fern.

6 Kommentare (RSS-Feed)

Milo
7.11.2012 18:15
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Nein, das kann ich nicht unterschreiben. Das ist zu pauschal. Eine Doktorarbeit kann auch die Gelegenheit sein, ein Thema wirklich vertiefend zu bearbeiten und nicht nur so häppchenweise wie im Studium.

Dass der Wert, der dem Titel zugemessen wird, vollkommen überzogen wird, ist doch keine Frage. Was hat dieser Titel außerhalb der Universität schon zu bedeuten? Da liegt der Hase im Pfeffer. Für die Universitäten ist er immerhin ein Gradmesser der Ausbildung. Als solcher könnte er auch gepflegt werden. Auch wenn der ständische Charakter in der Uni durchaus da ist. Nur die GEsellschaft sollte sich nicht über die Doktorhuberei beschweren, wenn sie selbst, vor Guttenberg, in Ehrfurcht die Knie vor den Titelträgern beugte.


Frank M.
7.11.2012 22:35
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” ihr wichtigster Ausweis ist nicht intellektuelle Eignung, sondern Loyalität zum Lehrstuhl und der nötige “Stallgeruch”.”

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Kann jeder, der in den Schweinestall Uni und die dazugehörigen Altherrenclubs reingeschnuppert hat, bestätigen.

Loyale Sklaven und Bücklinge promovieren mit fragwürdigen wissenschaftlichen Leistungen, unbequeme Querdenker, die wirklich etwas draufhaben werden ausgepresst und weggeworfen.

Wissenschaft in Deutschland ist ein schlechter Witz, ohne intelektuellen Anspruch, bevölkert von rückgratlosen Bücklingen und Professoren, die sich in deren Lob baden müssen, auf Grund Ihrer defizitären Persönlichkeitsstruktur.


Milo
8.11.2012 10:10
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“Doch all die Germanisten, Historiker, Wirtschaftswissenschaftler, Juristen, die die Mitarbeiterstäbe und Doktorandenkolloquien unserer Universitäten bevölkern, brauchen ihren Doktor nicht, jedenfalls nicht um der Wissenschaft willen. Der Promotionsbetrieb ist, seien wir ehrlich, vor allem eine riesige Versorgungsanstalt für Hochschulabsolventen; ihr wichtigster Ausweis ist nicht intellektuelle Eignung, sondern Loyalität zum Lehrstuhl und der nötige “Stallgeruch”.”

Woher will Herr Sakkas das eigentlich so genau wissen? Es ist sicher richtig, dass in vielen Fällen die Treue zum Professor die wichtigste Voraussetzung sein mag, um den Titel überhaupt zu bekommen. Aber das ist nicht generell so. Vielmehr schreiben viele Menschen mit ihrer Doktorarbeit das eigentlich wichtigste Buch in ihrem akademischen Leben, weil sie dann noch Zeit haben. Später, wenn sie selber Professoren sind, können sie wegen des Termindrucks oft nur noch Forschung im Kleinformat betreiben.

Ich finde die Abrechnung des Herrn Sakkas ziemlich undifferenziert. Es wäre wohl sinnvoller, danach zu fragen, wozu man den Doktor überhaupt braucht. Um Forschungsergebnisse zu erarbeiten, braucht auch ein Naturwissenschaftler keinen Titel. Eigentlich braucht niemand ihn. Gute Forschung geht auch ohne. Dann kann man aber überlegen, was ein Doktor sein soll als akademischer Abschluss. Meiner Meinung nach wäre es sinnvoll, diesen Abschluss mit einer vertieften Fachkenntnis zu verbinden. Das Studium ist ja oft genug nur eine Überblicksveranstaltung. Der Doktor könnte ein Spezialisierungsschritt sein, an dessen Ende der Absolvent sein Arbeitsgebiet wirklich durch und durch kennt.


Boris Blanck
8.11.2012 15:36
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Bei zahlreichen Doktorarbeiten fragt man sich tatsächlich: “Was soll der Quatsch eigentlich?” Insbesondere, wenn es dafür noch ein summa cum laude gab.

Die Plagiatsaffären haben mal ein kurzzeitiges Schlaglicht auf die Miststände im deutschen Forschungsbetrieb und den ganzen Titel- und Postenklüngel geworfen. Geändert hat sich dadurch aber so gut wie nichts. Ok die FDPler reden sich jetzt nicht mehr ganz so häufig mit Doktor oder ggfs Professor an – das war’s aber auch schon. Mehr scheint in der heutigen Zeit schnelllebiger Sensationsmeldungen nicht mehr drin zu sein. Dies scheinen sich auch die Verantwortlichen gedacht zu haben: Frei nach dem Motto “In Deckung gehen und abwarten, bis das sich der Rauch wieder von selber verzieht”.

Daher nehme ich an, dass die Missstände in der deutschen Forschungslandschaft (Korruption, Vetternwirtschaft, Titelhandel, etc) noch einige Zeit fortbestehen werden. Zumindest so lange, wie sich immer wieder neuer Nachwuchs findet, der dieses System mit trägt.

Was die Titel-Fixiertheit anbelangt: Dies ist ein Phänomen, was es schon immer gegeben hat und was es auch noch einige Zeit geben wird – insbesondere im deutschsprachigen Raum. In anderen (z.B. englischsprachigen) Ländern spielen Titel eine deutlich geringere Rolle. Mit Doctor werden da üblicherweise nur Ärzte bezeichnet. Ph.D. druckt da kaum jemand auf seine Visitenkarte.


Siap1984
9.11.2012 6:43
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Das Herumgefuchtel mit akademischen Graden im außeruniversitären und außerprofessionellen Bereich ist sicher ein Problem im deutschsprachigen Raum. Aber auch in den angelsächsischen Ländern ist z.B. jeder Anwalt scharf darauf, sich “Esquire” (“Esq.”) zu nennen, ein “Titel”, der ungeschützt ist, sowit ich weiß. Akademische Abschlüsse finden sich im professionellen Bereich durchaus auch auf Visitenkarten, soweit ich erfahren durfte, allerdings werden sie seltener gemacht. Den juristischen Doktor JSD machen in den Staaten zB wirklich nur Leute, die später Prof werden wollen (der Grad ist somit sowas wie die deutsche Habil). Dafür sind halt alle Juristen JD, also Juris Doctor. Soweit ich weiß, wird damit aber keiner als Doctor angesprochen.

Was mich bei derartigen Kommentaren immer wundert, ist die selbstverständlichkeit, mit der immer behauptet wird, die Promovierenden insbesondere aus MINT-Perspektiven den weicheren Fächern würden dies nur aus Titelgeilheit tun. Woher will der Autor das wissen? Ich kenne hinreichend viele Leute, die 2-4 Jahre in ihre juristische Diss investiert haben, ohne dass sie später an die Uni wollten. Trotzdem haben sie in dieser Zeit einen seriösen wissenschaftlichen Beitrag geleistet. Ich nehme ähnliches für mich in Anspruch. Die Promotionszeit war eine Zeit, in der man Wissenschaftler sein, frei forschen, auf Tagungen fahren und Paper publizieren konnte (der hier angesprochene Zeitfaktor). Danach ist man dann halt im Regelfall kein Wissenschaftler mehr. Die geleisteten Beiträge bleiben- und schwanken natürlich in ihrer nachhaltigen Bedeutung.

Fazit: Strengere Überwachung der Qualität der Dissertationen durch die Betreuer gerne. Generelle Reduktion der Dissertationen: Kein Selbstzweck.


Herrmann
9.11.2012 16:55
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“Das Nachsehen haben nämlich externe Doktoranden. Auf sie wurde seit dem Casus Guttenberg viel geschimpft. Dabei sind sie es, die meist wirklichen intellektuellen Ehrgeiz haben: denn sie schreiben ihre Dissertation auf sich allein gestellt, unabhängig, nicht vom Wissenschaftsbetrieb finanziell unterstützt.”

Unterstützt von Konrad Adenauer oder Friedrich Ebert. So allein und unabhängig sind manche Externe gar nicht. Hat ein Schulkamerad auch gemacht. Der allergrößte Quark als Diss. Egal, es gibt ‘nen Job im Bundestag als Referent.