Buchkritik: Rechtsprobleme bei der Kontrolle der Lauterkeit in der Forschung
Und gleich die nächste Buchkritik zum Thema Forschungsbetrug, wieder eine juristische Dissertation. Diesmal deutlich positiver:
Ich hatte gerade zwei Dissertationen zum Thema Forschungsbetrug kritisiert. In einer der beiden Dissertationen hatte ich eine Referenz auf eine weitere Dissertation entdeckt, nämlich
Ralf Höhne
Rechtsprobleme bei der Kontrolle der Lauterkeit in der Forschung
Möglichkeiten und Grenzen der Wissenschaftskontrolle
Dissertation, Westfälische Wilhelms-Universität, Münster, 2000
Reihe Universitätsschriften
Nomos Recht
Mangels Zeit habe ich die Arbeit nicht im Detail gelesen, sondern nur die Inhalte erfasst.
Um es gleich vorwegzunehmen: Diese Dissertation ist weitaus besser als die von Völger und die von Ottemann. Während die beiden Damen mehr oder weniger brav, zahnlos, nutzlos, (doof) ihre Promotionsanforderungen abbimmeln und nur Fleißfutter für die hintersten Fakultätsbibliotheksregale schaffen, hat es dieses Buch in sich. Und Biß. Da kommt einer zur Sache.
Anders als die anderen beiden Dissertationen fängt das Buch nicht (gleich) mit einem historischen Rückblick an, sondern springt gleich mitten rein ins Thema. Gleich auf der ersten Seiten nach der Einleitung geht es um Unlautere Forschung als Merkmal der modernen Wissenschaft, um profilierungssüchtige oder geldgierige Wissenschaftler. Wer so anfängt, der hat noch was vor.Schon auf der zweiten Seite werden bestehende Definitionen geliefert. Da hat einer Substanz und muß nicht aufschäumen.
Aber dann passiert ihm leider ein Fehler, der auch in den anderen Dissertationen vorkam, auch wenn er es besser macht: Zur Gutachterlichen Tätigkeit gehörten die zwei Tätigkeiten bei der Forschungsförderung und bei Publikationsorganen. Heidernei. Was lernen die denn auf den Hochschulen? Was ist denn mit Sachverständigentätigkeiten für Gerichte? Für die Industrie- und Handelskammer? Die Tätigkeit als Prüfer?
Immerhin geht er weit besser auf die Ursachen ein, wie Betrug um der Wissenschaft willen, Profilierungssucht unter Wissenschaftlern, Ideologisch bedingte Fälschungen, Karrierestreben. Ordentlich.
Und dann auf die Verfassungsrechtliche Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit und den Begriff der Wissenschaft. Was das überhaupt ist. Und wie die Wissenschaftsfreiheit zu beschränken wäre. Saubere Vorgehensweise.
Dann geht es weiter zu hochschulrechtlichen Maßnahmen zur Kontrolle der Lauterkeit, deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit, Dienstpflichten als Ausdruck des Ausbildungsauftrags, Hochschulaufsicht, Stellung des Dienstvorgesetzten, Aufsichtskompetenz des Dekans. Ich bin entzückt.
Und dann auch ein längerer Abschnitt über die Kommissionen an Hochschulen zur Untersuchung von Vorfällen. Wow. Da weiß einer, wovon er redet. Und dann beschreibt er sogar Anforderungen an das Verfahren, was die beiden Autorinnen der anderen Dissertationen ja nun überhaupt nicht hinbekommen haben.
Und dann folgen auch strafrechtliche Maßnahmen. Urkundenfälschung, Betrug, Untreue, was bei den anderen die ganze Dissertation ist, ist hier nur ein Kapitel. Weiter geht es nämlich mit Dienstrechtlichen Maßnahmen. Und einem Ausblick in die Zukunft ob wir die USA als Vorbild nehmen sollten.
Gut, ich hab das Buch nur durchgeblättert und überflogen. Aber es gefällt mir um Größenordnungen besser als die beiden vorgenannten Dissertationen. Und dabei ist es älter als die anderen beiden, mindestens eine der beiden zitiert es ja sogar (so habe ich es gefunden). Da legt einer eine steile Vorlage hin und trotzdem kommen da so zwei schlappe Dinger hinterher. Warum konnten die zwei Autorinnen das nicht besser? Braucht man männliche Aggressivität und Hurra um das Thema zu bearbeiten? Gut, Höhnes Dissertation ist sprachlich auch eher staubtrocken geschrieben. Trocken. Aber nicht langweilig. Die Arbeiten der beiden Weiber sind überwiegend gähnend langweilig.
Ich habe den starken Eindruck, daß die beiden Damen da einfach nur irgendein Thema als Pflichtübung beklöppelt haben, während Höhne in dem Thema lebt. Dessen Dissertation gefällt mir nicht nur wesentlich besser, im Gegensatz zu den anderen hat sie auch einen tatsächlichen Nutzen und kann den Beteiligten wirklich helfen, einen Leitfaden geben. Während die Werke der beiden Damen nur Dissertationen sind, hat Höhne es geschafft, ein Buch zu schreiben. Na, also, es geht doch, möchte man sagen. Der zeigt, wo es lang geht.
Schade ist aber, daß das Buch schon von 2000 ist und damit inzwischen teilweise nicht mehr auf dem aktuellen Stand. Und als Dissertation wird es wohl auch nicht mit neuen Auflagen aktualisiert. Schade.