Schon wieder schwerer Wissenschaftsbetrug … und die “Wissenschafsszene”
Diesmal berichtet die Süddeutsche Zeitung über einen Fall schweren Forschungsbetruges.
Ein bekannter Arzt hatte über Jahre hinweg die Ergebnisse von mindestens 21 seiner Studien frei erfunden.
Besonders schlimm daran: Nach seinen Veröffentlichungen wurden Patienten behandelt.
Was mal wieder zeigt, daß der Wissenschaftszirkus eben mehr Zirkus als Wissenschaft ist und nicht entfernt in die Nähe der Qualität kommt, die die Wissenschaftler immer für sich in Anspruch nehmen.
Sehr bedenklich finde ich aber dennoch die Reaktion eines deutschen Professors auf den Vorfall:
Wegen dieses Vertrauensbruchs sei es angemessen, wenn Reuben nun von der Wissenschaftsszene verstoßen werde, zürnt Edmund Neugebauer, Chirurgie- Professor an der Universität Witten/Herdecke.
Na sicher war es ein Vertrauensbruch, der eine Strafe rechtfertigt. Aber was bedeutet denn “von der Wissenschaftsszene verstoßen werden”? Das ist doch ein Widerspruch in sich!
Wissenschaft beruht doch allein auf der Richtigkeit der Aussagen und Methoden. Man kann sich zwar seinen Ruf kaputt machen, aber in einer Wissenschaft kann und darf es eigentlich weder eine “Szene” noch ein “verstoßen” geben. Das sind Begriffe, die auf eine Clique schließen lassen, und nicht auf wissenschaftliches Verhalten. Sowas darf es eigentlich nicht geben.
Natürlich weiß ich – und schreibe ja seit Jahren – daß es diese Cliquen und Zirkel gibt, und daß Wissenschaft nicht der macht, der gut arbeitet, sondern der sozial anerkannt ist. Und wer gegen die Cliquen-Regeln verstößt, etwa Betrug, Korruption und dergleichen aufdeckt, wird verstoßen und als Aussätziger behandelt. Das ist wirklich schlimm, kenne ich ja selbst. Aber ich hätte nicht erwartet, daß einer so dämlich ist, so etwas offen in der Presse zu sagen.
Es wäre die Frage, wie sich dieses “Verstoßen aus der Szene” konkret äußern soll. Es wird beispielsweise darauf hinauslaufen, daß der keine Papers mehr auf Konferenzen und in Journals unterbringt. Was berechtigt wäre, wenn es auf mangelnder Qualität oder berechtigten Zweifel bestünde. Aber nicht, weil einer aus der “Szene verstoßen” ist. Das heißt nämlich im Umkehrschluß, daß Papers usw. angenommen werden, weil einer Mitglied der Szene ist. Und das ist dann Korruption. Und wahrscheinlich der Grund, warum der überhaupt über Jahre frei erfundene Ergebnisse als Wissenschaft ausgeben konnte. Weil es nicht auf die Richtigkeit und Wissenschaftlichkeit, sondern eher auf die Szenenzugehörigkeit ankommt.
Natürlich gehört der Betrüger rausgeworfen.
Meines Erachtens müßten da aber noch die hinterhergeworfen werden, die eine “Wissenschaftsszene” aufbauen, zu der man zugehören oder verstoßen werden kann. Wer sich so äußert, wie dieser Professor Neugebauer von Witten/Herdecke, ist für mich kaum weniger verdächtig als einer, der Papers fälscht.